Ärger um diskriminierenden Brief an Kita am „Zigeunerplatz“
Die Unfallkasse hat Post an das Sinti-Zentrum mit „Kindergarten im Sozialen Brennpunkt Zigeunerplatz“adressiert. Es ist nicht klar, wie das passieren konnte.
ELLER Auf der Zeitschrift klebt ein Adressetikett mit dem Empfänger: „Kindergarten im Sozialen Brennpunkt Zigeunerplatz“. Dieses Schreiben hat am Donnerstag das Sinti-Zentrum an der Otto-PankokStraße erreicht und dort für großes Unverständnis gesorgt. „Wir sind geschockt“, sagt Dana Kreutz, pädagogische Mitarbeiterin und Mitglied der Sinti-Union. „Wir sind kein sozialer Brennpunkt. Wir leben hier in einer Siedlung mit Häusern und nicht auf einem wilden Platz. Wir nennen uns Sinti und nicht Zigeuner.“Es gehe dem Team nicht darum, einzelne Personen an den Pranger zu stellen, sagt Franco Clemens, Leiter des Sinti-Zentrums. Aber man wolle den Fall öffentlich diskutieren.
Wie die Adresse auf der Broschüre landen konnte, lässt sich jedoch nur ansatzweise nachvollziehen. Der Brief stammt von der Unfallkasse NRW. Es handelt sich dabei um kostenfreie Zeitschriften, die die Versicherung an alle Einrichtungen in ihrem Gebiet verschickt. Die Datenbank umfasse mehr als 11.000 Kitas, die Adressierung und der Versand liefen weitgehend automatisiert ab, teilte ein Sprecher der Unfallkasse mit. „Die Adresse ist nicht nur falsch, sondern wird unzweifelhaft als diskriminierend empfunden. Wir entschuldigen uns aufrichtig für diesen Fehler und ermitteln derzeit intern, wie es dazu kommen konnte.“
Die Kita an der Otto-Pankok-Straße wurde 2021 vom damaligen Träger als geschlossen gemeldet, der Datensatz entfernt. Der nun verwendete Datensatz stamme aus den frühen 80er-Jahren. Die Adresse sei offenbar seit langer Zeit verwendet worden, jedoch nie aufgefallen und nie geändert worden, so der Sprecher. „Niemand bei der Unfallkasse würde diesen Begriff heute noch verwenden.“
Rudolf Kosthorst war lange Beauftragter für Sinti und Roma der Stadt Düsseldorf und hält die Erklärung der Unfallkasse für schlüssig. „Auch wenn das keine Entschuldigung ist und nicht hätte passieren dürfen“, sagt Kosthorst. Der Begriff Zigeuner sei in den 80er-Jahren zwar schon stark umstritten gewesen. Doch erst in diesem Jahrzehnt erkannte Helmut Schmidt als erster Bundeskanzler den NS-Völkermord an den Sinti und Roma an. Erst danach habe sich der Sprachgebrauch allmählich geändert, auch in den Verwaltungen.
Eine Frage, die sich nicht klären lässt: Wieso ist es nie zuvor aufgefallen? Die Unfallkasse verschickt die Zeitschriften vier Mal jährlich. Die gemeinnützige Organisation Rheinflanke betreibt die Kita seit knapp zwei Jahren, hat nach eigenen Angaben aber in dieser Zeit keine Post mit dieser Adresse bekommen. Zuvor war die Einrichtung, die hauptsächlich Sinti-Kinder besuchen, in der Hand des CaritasVerbands. Doch auch dem vorherigen Träger sei aus 50 Jahren kein Fall bekannt. Die Sozialberatungsstelle und der Kindergarten hätten aber lange ohne offiziellen Namen firmiert, heißt es.
Mit Absicht rechnen die meisten Beteiligten nicht. „Aber man hätte es sehen müssen“, sagt Franco Clemens, Leiter des Sinti-Zentrums. Mindestens zwei Mal müssen die Datenbanken angefasst worden sein: zur Änderung der Postleitzahlen im Jahr 1993 und danach noch einmal, um die Adressen zu digitalisieren. Vermutlich, so der Sprecher der Unfallkasse, seien diese einfach abgetippt worden. Die Unfallkasse habe nun Kontakt zum Sinti-Zentrum aufgenommen, sich entschuldigt und der Geschäftsführung ein Gespräch angeboten.