Millionen-Schaden durch Tabakschmuggel
Zollfahnder haben Bilanz für das Jahr 2022 gezogen. Eine neue Herausforderung sind Tabaksubstitute – wie ein Moerser Fall zeigt.
NIEDERRHEIN Den benachbarten Kreis Kleve verbinden 137 Kilometer Grenze mit den benachbarten Niederlanden. Insgesamt ist die Grenze sogar 572 Kilometer lang. Kein Wunder also, dass ein Schwerpunkt der Zollfahnder bei der Verfolgung von Drogendelikten liegt. Das Zollfahndungsamt Essen hat nun Bilanz für das Jahr 2022 gezogen. Das Fahndungsjahr 2022 in NRW in Zahlen: Von den insgesamt mehr als 20.000 Ermittlungsfällen, die der deutsche Zollfahndungsdienst 2022 verfolgt hat, wurden etwa die Hälfte (10.097 Ermittlungsverfahren) vom Zollfahndungsamt Essen wegen zumeist schwerer oder organisiert begangener Straftaten geführt. Die Ermittlungen richteten sich gegen 11.049 Tatverdächtige, wobei die Anzahl der deutschen und ausländischen Beschuldigten in einem nahezu ausgewogenen Verhältnis steht. „Die Täter agieren konspirativ, schotten sich ab und nutzen vermeintlich sichere Kommunikationsund Schmuggelwege“, heißt es vom Zoll.
Der Schmuggel auf dem Postweg hat sich 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht. Nur ein Beispiel: Im Sommer vergangenen Jahres stellten die Fahnder fast 1000 Briefsendungen innerhalb von nur sechs Wochen sicher. Diese waren in verschiedenen Briefkästen in Kranenburg eingeworfen worden. Darin befanden sich mehr als 50 Kilogramm Amphetamin sowie weitere Betäubungsmittel wie Heroin, Kokain, Ecstasy und Marihuana.
2022 wurden aber nicht nur Drogen, sondern auch Produktfälschungen, Waffen und Waffenteile, Arznei- und Dopingmittel und dem Artenschutz unterliegende Waren sichergestellt. Der ermittelte Steuerschaden demnach betrug über 63 Millionen Euro an Zöllen, Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchsteuern.
Betäubungsmittelkriminalität Bei der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität stieg im Jahr 2022 die Anzahl der Ermittlungsverfahren um mehr als das 2,5-fache auf 8947 Verfahren an. Dies sind über 65 Prozent aller bundesweiten Verfahren des Zollfahndungsdienstes im Betäubungsmittelbereich. Die
Sicherstellungen von Betäubungsmitteln auf dem Postversandweg im Zusammenhang mit dem Online-Handel haben sich dem Vorjahr gegenüber noch einmal um fast das Vierfache erhöht. Das Zollfahndungsamt stellte insgesamt über 4,5 Tonnen Betäubungsmittel sicher. Alleine die Menge an sichergestelltem Kokain stieg um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf über 1,2 Tonnen. Bei Amphetamin hat sich die Menge verdoppelt.
„Unsere Zahlen belegen, dass auch 2022 ein gleichbleibend hoher Zufuhrdruck illegaler Drogen bei wechselnden Begehungsweisen bestand, wobei der Bereich synthetischer Drogen in den letzten Jahren enorm an Relevanz gewonnen hat“, sagt die Leiterin des Zollfahndungsamtes Essen, Regierungsdirektorin Carolin Müller. Die schon vor der Corona-Pandemie festgestellte Veränderung der Lieferwege, insbesondere auch in den Postverkehr, habe sich mittlerweile verstetigt. Dafür benötige es immer neuer Kontrollund Ermittlungsstrategien.
Kampf gegen Dumping Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der Verhängung
von Antidumpingmaßnahmen der Europäischen Union bildet, wie auch schon in den Vorjahren, einen Schwerpunkt der im Deliktsbereich Zölle geführten Ermittlungen. Besonderes Gewicht liegt hier bei der Einfuhr von E-Bikes, Stahl sowie weiteren Waren über andere asiatische Länder unter Angabe eines unzutreffenden Warenursprungs. Der 2022 ermittelte Steuerschaden betrug über 5,5 Millionen Euro. Die Anzahl der Ermittlungsverfahren hat sich mit 93 Fällen mehr als verdoppelt.
Tabakwaren Die Bekämpfung der
Verbrauchsteuerkriminalität, insbesondere bei Tabakwaren, nimmt aufgrund der hohen Gewinnaussichten für Täter weiter eine bedeutende Rolle bei den Ermittlungen des Zollfahndungsamtes Essen ein. Es wurden im Jahr 2022 über 13 Millionen Stück Zigaretten, über 16 Tonnen Rauchtabak und über zwei Tonnen Wasserpfeifentabak sichergestellt. Der ermittelte Steuerschaden aus insgesamt aus 169 Ermittlungsverfahren im Verbrauchsteuerbereich lag in 2022 bei über 59 Millionen Euro.
Eine neue Herausforderung beinhaltet der mit dem Tabaksteuermodernisierungsgesetz
zum 1. Juli 2022 neu eingeführte Steuergegenstand der sogenannten „Substitute“. Darunter versteht man Liquide, die unmittelbar zum Konsum in E-Zigaretten bestimmt und geeignet sind. 2022 wurden insgesamt mehr als 455.000 Stück Substitute sichergestellt. Im Lager einer Moerser Großhandelsfirma für EZigaretten entdeckten Beamte des Hauptzollamtes Krefeld im Januar rund 178.000 E-Zigaretten ohne vorgeschriebene Steuerbanderole und stellten sie sicher. Einen Monat zuvor wurden bei demselben Unternehmen insgesamt 390 Stück E-Zigaretten
gefunden, die über keine der vorgeschriebenen Tabaksteuerzeichen verfügten und mit englischen Warnhinweisen versehen waren.
Doping- und Arzneimittel Im Bereich der Doping- und Arzneimittelkriminalität bewegen sich die Zahlen mit 400 Ermittlungsverfahren 2022 nach wie vor auf einem hohen Niveau. Es besteht eine anhaltende Nachfrage im Arzneimittelbereich nach sogenannten Lifestyleprodukten. Der Verkauf erfolgt über „Onlineapotheken“und Social-media-Plattformen. Illegale Arzneimittel werden überwiegend über Post- und Kurierdienstleister aus dem Ausland versandt. Ebenso erreicht der Internethandel mit Dopingmitteln eine wachsende Bedeutung, sowohl bei der Beschaffung der Rohstoffe und des Produktionsequipments, als auch bei Vertrieb der illegalen (Fertig-)Produkte. So wurden im Jahr 2022 beispielsweise über 68.000 Dopingsubstanzen in Tablettenform und über 96.000 Tabletten Arzneimittel sichergestellt. Der ermittelte Steuerschaden für Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz im Jahr 2022 betrug über einer Million Euro. „Zum Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken bei illegalen Arzneimitteln, verbotenen Dopingmitteln und fragwürdigen Produktfälschungen sowie dem Schutz der legalen Wirtschaft, liegt hier ein Fokus der Ermittlungsarbeit des Zollfahndungsamtes Essen“, sagt die Leiterin des Zollfahndungsamtes Essen, Regierungsdirektorin Carolin Müller.
Geldwäsche „Geld ist der Treibstoff der organisierten Kriminalität. Wir versuchen, so viel wie möglich davon dem illegalen Kreislauf zu entziehen“, sagt Carolin Müller. Im Jahr 2022 hat das Zollfahndungsamt Essen in 121 Fällen von Barmittelkontrollen über 2,1 Millionen Euro Bargeld sichergestellt, da Grund zu der Annahme bestand, dass die Zahlungsmittel unter anderem zum Zwecke der Geldwäsche verbracht wurden. Im Rahmen der Vermögensabschöpfung wurden im Fahndungsjahr Bargeld, bewegliche Sachen, Forderungen und virtuelle Währungen im Gesamtwert von über 2,3 Millionen Euro gesichert.