Die Gipfelstürmer mit negativer Torbilanz
Am Sonntag war es 30 Jahre her, dass der MSV Duisburg zuletzt an der Spitze der Fußball-Bundesliga stand. Ein Sieg gegen Bremen bescherte am 22. Spieltag den Sprung nach ganz oben – der eine besondere Kuriosität mit sich brachte.
DUISBURG Stefan Böger flankte von der rechten Seite, in der Mitte stand Peter Közle frei und traf aus kurzer Distanz zum 1:0-Sieg gegen den SV Werder Bremen. Das war am vergangenen Sonntag genau 30 Jahre her. Der MSV Duisburg verbuchte am
18. Februar 1994 einen historischen Sieg. Denn durch dieses Ergebnis erklommen die Zebras die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga. Bis heute zum letzten Mal. Hinzu kam noch eine äußerst kuriose Besonderheit: Der MSV führte die Liga damals mit einem Torverhältnis von minus eins an.
Kultmoderator Arnd Zeigler ließ sich diesen Leckerbissen in seiner Fernsehsendung am Sonntagabend nicht entgehen. Der Bremer schlug dabei einen ganz verrückten Bogen zur heutigen Zeit. Denn die Zebras lieferten am Samstag beim 1:0-Sieg im Drittliga-Spiel gegen den FC Viktoria Köln eine fast originalgetreue Kopie des damaligen Treffers ab – vielleicht zur Feier des Tages. Rolf Feltscher flankte von der rechten Seite, in der Mitte stand Niklas Kölle und traf aus kurzer Distanz zum 1:0-Sieg gegen die Viktoria. Damals Közle, heute Kölle. Der Gipfelsturm erfolgte natürlich noch im alten Wedaustadion. Aber: Damals und am vergangenen Samstag ereignete sich die Torschussszene vor der Fantribüne, die 1994 freilich noch eine Kurve war.
Insgesamt 28 Jahre verbrachte der MSV Duisburg in der 1. Bundesliga. Nur dreimal standen die Zebras in all den Jahren an der Spitze. Der Sprung auf Platz eins löste 1994 in der Stadt eine Euphorie aus. Der Erfolg war kein Zufallsprodukt. Wer an einem
22. Spieltag das Tableau anführt, hat viel geleistet. Der MSV sorgte damals als Aufsteiger unter Trainer Ewald Lienen, der im vergangenen November 70 Jahre alt wurde, für Furore. Schon im Hinspiel in Bremen, damals amtierender Deutscher Meister, sorgte der MSV mit einem 5:1-Sieg im Weserstadion für einen Paukenschlag.
Spitzenreiter Eintracht Frankfurt verlor am 22. Spieltag beim Karlsruher SC mit 0:1. Bayer Leverkusen kassierte als Tabellenzweiter eine 1:2-Heimniederlage gegen den Hamburger SV. Werder Bremen mit Trainer Otto Rehhagel war vor der Begegnung in Duisburg Dritter. Der MSV sprang durch den Siegtreffer von Peter Közle von Rang vier an die Spitze.
Der heutige MSV-Geschäftsführer Michael Preetz saß auf der Bank, kam aber nicht zum Einsatz. Bei seiner Vorstellung in Duisburg im Januar erinnerte sich der 56-Jährige gerne an das damalige Catering der Präsidenten-Gattin Irmgard Fischdick im Mannschaftsbus und an die Tabellenführung. Prägende Erlebnisse in einer anderen Fußball-Zeit.
Das negative Torverhältnis wird ewig mit der Spitzenposition des MSV verbunden sein. Arnd Zeigler spielte am Sonntag ein Fernsehinterview mit Peter Közle aus der damaligen Zeit ein. „Wenn wir verlieren, dann verlieren wir richtig“, sagte der Stürmer damals mit einem Grinsen. 1:4 in Mönchengladbach, 0:5 in Karlsruhe, 0:4 in Stuttgart – so manche Niederlage hatte sich durchaus gewaschen.
Auch als Tabellenführer bekam der MSV am Folgespieltag ordentlich einen auf den Deckel. Bei Bayern München mit Trainer Franz Beckenbauer verlor der MSV 0:4, wobei das Endergebnis schon zur Halbzeitpause Bestand hatte. Die Bayern sprangen auf Platz eins, der MSV rutschte auf Platz vier ab. In einem Interview mit dem „Kicker“sagte Ex-Spieler Joachim Hopp in der vergangenen Woche: „Das war ein Ding, bei uns im Ruhrgebiet war es eiskalt, gefrorene Böden, und in München herrschte Föhn, gefühlte 40 Grad. Das soll aber keine Entschuldigung sein: Den Bayern waren wir damals nicht gewachsen, da war es dann schnell mit der Tabellenführung vorbei.“
Die Münchener sicherten sich am Ende den Meistertitel. Der MSV schloss die Saison auf dem neunten Platz ab. „Das war völlig in Ordnung“, sagt Hopp im Rückblick. Michael Preetz sieht das ein wenig anders. „Ich hatte auf der Strecke das Gefühl, dass da sogar noch etwas mehr drin gewesen wäre.“
Der MSV Duisburg als Spitzenreiter in der 1. Bundesliga – viele Fans werden denken, dass das nicht mehr passieren wird. Aber: 1989 kickten die Zebras damals noch gegen den FV Bad Honnef und gegen den VfB 06 Langenfeld in der Oberliga Nordrhein. Nur fünf Jahre später führten sie die Bundesliga an.