Zur Dialyse in den Waschkeller
Seit ihrem 13. Lebensjahr ist Sara aus Moers Dialyse-Patientin. Ihr Leben hängt an einer Maschine, die nicht in einer Arztpraxis, sondern zu Hause in den eigenen vier Wänden steht. Wie die Heim-Dialyse funktioniert.
MOERS Das Gerät, die sie am Leben hält, steht im Keller ihres Einfamilienhauses. Dreimal pro Woche steigt Sara abends, wenn die Kinder im Bett sind, über eine schmale Holztreppe runter in die Waschküche. Vor zweieinhalb Jahren haben ihr Mann Lucas und sie hier alles fachgerecht umgebaut: einen Frischwasseranschluss verlegt, die Stromversorgung geregelt und Platz geschaffen. Der weiß gekachelte Boden ist blitzblank geputzt, an den hellblau und kiwi-grün gestrichenen Wänden hängen bunte
Vier Spendernieren hat
die 41-Jährige seither eingesetzt bekommen – alle hat ihr Körper
abgestoßen.
Bilder und Fotografien, auf der linken Seite steht ein Krankenbett mit weichen Kissen. Dort nimmt Sara Platz, schiebt sich selbst geschickt zwei drei Millimeter dicke Nadeln in den Unterarm, startet die Hämodialysemaschine und wäscht ihr Blut – fünf Stunden lang.
Die 41-Jährige ist Dialyse-Patientin, seit sie 13 Jahre alt ist. Als Kind leidet sie damals unter starken Bauchschmerzen. Mit Verdacht auf Blinddarmentzündung wird sie operiert. Danach steht fest: Nicht der Blinddarm, sondern die Nieren sind das Problem.
Bei Sara haben sich die Organe, die in einem gesunden Körper für das Ausscheiden von Stoffwechselendprodukten und Giftstoffen über den Urin, die Regulierung des Wasserund Elektrolythaushalts und die Produktion lebenswichtiger Hormone zuständig sind, so weit zurückgebildet, dass sie nicht mehr funktionieren. „Schrumpfnieren“lautet die offizielle Diagnose, die Ursache: womöglich eine verschleppte Mandelentzündung.
Für die junge Frau beginnt damals ein langer – körperlicher und psychischer – Leidensweg. „Ich erinnere mich daran, dass ich in der Schule oft gefehlt habe“, erzählt die Moerserin. „Ich hatte Wasser im Körper, Luftnot, wäre fast gestorben.“Über einen Katheter, dessen Zugang dauerhaft in ihrem Hals steckt, wird in den ersten Jahren ihr Blut gewaschen. Von ihren Mitschülern wird sie deshalb auch „Alien“genannt.
Vier Spendernieren hat die 41-Jährige seither eingesetzt bekommen – alle hat ihr Körper abgestoßen. Auch die starken Medikamente haben ihm über die Jahre zugesetzt. Auf einer
Transplantationsliste steht die zweifache Pflegemutter deshalb aktuell nicht. „Ich würde nicht ausschließen, dass ich mich irgendwann noch mal draufsetzen lasse, für den Moment habe ich aber für mich entschieden, dass ich das nicht will“, sagt sie. „Die Dialyse ist zeitaufwendig. Ich darf maximal einen Liter am Tag trinken, nicht alles essen und wenn etwas schiefgeht, könnte ich sterben. Aber ich weiß, was ich mache – bei einer Transplantation weiß ich das nicht.“
Von der Möglichkeit, die Blutwäsche zu Hause durchzuführen, erfuhren Sara und ihr Mann durch Zufall über einen Bekannten. „Wir mussten den Keller mit den Anschlüssen entsprechend umbauen und wurden beide drei Monate lang geschult“, erzählt Lucas. Das Gerät, in dem das Blut seiner Frau gefiltert wird, ist eine Leihgabe der Arztpraxis. Der Arzt rechnet mit der Krankenkasse ab, für die zusätzlichen Strom- und Wasserkosten bekommt das Ehepaar einen Ausgleich. Außerdem liefert
alle drei bis vier Monate ein Lkw 40 Fünf-Liter-Kanister Spülflüssigkeit und jede Menge steril verpacktes Material wie Spritzen, Kanülen und Schläuche vor dem Moerser Reihenhaus an.
360 Dialysen hat Sara seither in ihrem Keller absolviert. Pro Minute laufen dann 300 Milliliter Blut aus ihrem Arm durch die Maschine und von dort aus wieder zurück in ihren Körper; 70 Liter sind es in fünf Stunden. An den Wochenenden darf die acht Jahre alte Lilly ihrer Mama Gesellschaft leisten.
„Wir machen uns dann einen Süßigkeitenteller und schauen zusammen Fernsehen“, erzählt die 41-Jährige. „In einer Arztpraxis ginge das natürlich nicht. Deshalb ist die Heimdialyse für uns ein riesiger Gewinn: Sie verschafft uns Flexibilität, Zeit und dadurch viel mehr Lebensqualität. Dass es diese Möglichkeit gibt, wissen viele aber vielleicht nicht. Deshalb ist es uns wichtig, darüber zu sprechen.“
„Wir mussten den Keller mit den Anschlüssen entsprechend umbauen und wurden beide drei Monate lang geschult“
Lucas Ehemann