„Sie ist seine Frau – ohne sie kann er nicht“
Den Angeklagten hat die Eifersucht getrieben. Deshalb soll er Frau und Kind überfahren und so stark auf die 19-Jährige eingeprügelt haben, dass sie Tags darauf starb. Im Prozess am Freitag zeichnet Alias Mutter ein Bild der Beziehung.
DUISBURG „Ich habe keinen Ausweg gesehen“, sagt der gerade verhaftete Skender A. in die Bodycam der Polizei. Die Aufnahme ist vom 1. Oktober 2023. Wenige Minuten vorher schlug und trat er noch auf seine Frau ein, die er zuvor mit seinem Auto überfuhr. A. hat Blut im Gesicht. Wahrscheinlich nicht sein eigenes, sondern das seiner schwer zugerichteten Partnerin, die zum Zeitpunkt dieser Aufnahme reanimiert wird. Angeblich habe sie eine Affäre gehabt, erzählt er in der Videoaufnahme dem Polizisten. Wie eine Frau ihrem Mann so etwas nur antun könne, fragt er. Also sei er aus Eifersucht auf sie losgefahren.
„Ich hoffe, dass sie überlebt“, sagt A. in dem Video, „und ich hoffe, dass mein Sohn überlebt.“Zum ersten Mal hört man beim zweiten Verhandlungstag im Saal 157 des Duisburger Landgerichts etwas vom Angeklagten. A. weint, schluchzt mit dem Kopf auf dem Tisch, seine Hände über seine Ohren gelegt.
Die 19-jährige Alia wurde Opfer eines Femizides. Am 2. Oktober erlag die junge Frau ihren schweren Verletzungen. Der gemeinsame Sohn, den A. ebenfalls überfuhr, trug lebensgefährliche Verletzungen davon. Lange musste er intensivmedizinisch behandelt werden. Das Kind war zum Zeitpunkt der Tat 17 Monate alt.
Die Beziehung des jungen Ehepaars war von Gewalt geprägt, sagt die Mutter des Opfers, Patricia S. 2018 sollen sich Alia und der angeklagte A. kennengelernt haben.
Zunächst soll alles in Ordnung gewesen, dann wurde es aber schnell zu einem Auf und Ab – mal lief es gut, mal soll Gewalt im Spiel gewesen sein. Alia hätte Schläge abbekommen. Immer wieder hätte sie blaue Flecken oder ein Veilchen gehabt. Immer wieder mussten die Geschwister der jungen Frau oder die Mutter die 19-Jährige abholen und ihr Obhut bieten.
Der Angeklagte habe zwischenzeitlich bei Alia in der Wohnung gelebt, vorher wohnte sie für geraume Zeit bei ihm in Düsseldorf. Dort hat es 2021 einen Polizeieinsatz gegeben, weil der Mann die 19-Jährige eingesperrt hatte. Früher in dem Jahr flüchtete Alia wieder für kurze Zeit zu ihrer Mutter. Der Angeklagte kam zur Wohnung und wollte vom Balkon springen, „weil sie nicht zu ihm zurückgekommen ist. Sie ist seine Frau. Ohne sie kann er nicht“, schildert Patricia S. die Situation. A. soll sich nach einem Streit auf Bahngleise gelegt haben, Shampoo getrunken und mit einem Kabel versucht haben, sich zu erwürgen.
Die Nebenklägerin berichtet von einem Schwangerschaftsabbruch, ihre Tochter habe ihr erzählt, dass sie das Kind „nicht wegmachen“wollte, es der jungen Frau nach der Abtreibung nicht gut ging. Wenige Monate später war sie dann wieder schwanger. Das Kind behält sie, „egal, was der Skender sagt“, so soll Alia es zu ihrer Mutter gesagt haben.
Viel Kontakt soll sie zu ihrer Tochter in der Zeit nicht gehabt haben, den Angeklagten habe sie insgesamt nur etwa zehn Mal gesehen, so Patricia S. Von der Hochzeit soll sie nichts gewusst haben. Sie wurde nicht eingeladen, „weil ich nichts mit dem Typen zu tun haben wollte“, sagt S. Wenn er seine Tochter geschlagen hat, ging es immer wieder um Eifersucht, um den besten Freund von Alia. Einmal soll der Angeklagte Alia verprügelt haben, als sie das gemeinsame Kind auf dem Arm hatte.
Ihre Tochter war ängstlich, sagt Patricia S., verschlossen, habe sich immer alles gefallen lassen. Eine Woche vor ihrem Tod eskalierte es erneut. Alia soll aus Angst vor A. mit dem Kind zur Mutter geflüchtet sein. Die junge Frau wollte sich scheiden lassen. Am 2. Oktober wäre der Termin gewesen. Dazu ist es aber nie gekommen.
Der 1. Oktober war ein Sonntag. Am Mittag steuerte A. geradewegs auf seine Frau und das Kind im Buggy zu. Zeugen berichten, wie der Mann „kontinuierlich“auf die am Boden liegende Frau einschlug und auf sie eintrat, „als würde er ein Feuer austreten wollen“, so ein Zeuge. Er versuchte, den Mann wegzuziehen, was ihm nicht gelang. Das Gesicht von Alia war mittlerweile blutüberströmt. Die Frau des Zeugen rief die Polizei, aus Verzweiflung schrie sie ins Handy, dass sie Hilfe brauchen. Sie habe nur noch das Blut spritzen sehen, sagt sie im Zeugenstand.
Ein Anwohner schaffte es mit einem Tritt gegen den Kopf des Angeklagten, den Mann zu überwältigen und ihn schließlich am Boden zu fixieren. Der soll grade versucht haben, der Frau das Genick zu brechen. „Der Kopf war klar überstreckt“, schildert der 38-Jährige. Ihm zufolge war es deutlich zu erkennen, was die Absicht des Mannes gewesen war. Und das Gesicht war mit Blut überströmt, vollkommen zugerichtet, sagt eine Zeugin. „Ich konnte nichts mehr erkennen, ich habe einfach nur geschrien“, sagt die 42-Jährige und weint.
Skender A. ist wegen Mordes und versuchten Mordes, wegen schwerer Körperverletzung und schwerem Eingriff in den Straßenverkehr angeklagt. Dem 26-Jährigen droht lebenslängliche Haft. Eine Aussage wird im Laufe des Prozesses erwartet.