Kultur-Konflikt rund um Hackfleischbällchen
Mit einem ganzen Bündel an Veranstaltungen beteiligt sich das Landesarchiv NRW am diesjährigen Kulturfestival der Duisburger Akzente.
DUISBURG (reife) Mit einem ganzen Bündel an Veranstaltungen beteiligt sich am diesjährigen Kulturfestival der Duisburger Akzente das Landesarchiv NRW. Den Auftakt machte in dem Zusammenhang am Dienstag die Eröffnung der Ausstellung „Was bleibt. Familiengeschichte(n) im Archiv“, die gemeinsam mit dem Duisburger Stadtarchiv entwickelt wurde. Verbunden wurde die Vernissage mit einer Lesung der Duisburgerin Asli Sevindim.
Die Ausstellung, die im öffentlich zugänglichen Raum für Wechselausstellungen im Erdgeschoss des Gebäudes untergebracht ist, umfasst verschiedene Themenbereiche, die auf großformatigen Informationstafeln beschrieben und durch historische Archivunterlagen veranschaulicht werden. So beschäftigt sich die von Landesarchiv und Stadtarchiv gleichermaßen betriebene Quellenkunde mit Familienforschung, dazu gehören niederrheinische Adels- (Familie Pröpper) und Duisburger Unternehmerfamilien (Wilhelm Grillo und Daniel Morian), aber auch die Ahnenforschung während der NSZeit. Weitere Forschungsergebnisse betreffen das Familienbild, die Familienpolitik, aber auch gerichtliche Familienstreitigkeiten, so zum Beispiel die der Familie Underberg.
Streit gibt es aber auch in den Geschichten von Asli Sevindim und ihrem 2005 erschienenen Buch „Candlelight Döner. Geschichten über meine deutsch-türkische Familie“,
von denen sie gleich mehrere voller Humor und Selbstironie steckender Kapitel las. Eines davon handelt von einem „Küchenkulturkonflikt“, den das darin vorkommende Ehepaar – sie (Sevindim) mit türkischen Wurzeln ausgestattet, er (ihr Mann, Stefan Müller) deutscher Herkunft – beim Fertigen von Hackfleischbällchen austrägt. Er ist nämlich der Ansicht, dass Ihre türkischen Köfte im Gegensatz zu seinen Ruhrpott-Frickos (Frikadellen) viel zu klein seien, um davon richtig satt zu werden. Ein anderes Kapitel wiederum beschreibt spezielle nonverbale Kommunikationsdisziplinen in der fiktiven deutschtürkischen Familie. Während der Vater eine spezielle Technik des Schnalzens mit der Zungenspitze an den Gaumen zum Zwecke hörbarer Kommunikation verwendet, drückt die Mutter ihre Redebeiträge stattdessen mit einer sonderbaren Augenbrauenmimik optisch aus.
Asli Sevindim ist einst als Kind türkischer Eltern in Duisburg geboren und im Stadtteil Marxloh aufgewachsen. Einem breiteren Publikum bekannt wurde sie als Moderatorin der Nachrichtensendung „Aktuelle Stunde“. Seit 2019 ist sie Abteilungsleiterin im NRWMinisterium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration. Im Gespräch mit Kathrin Pilger vom Landesarchiv NRW betonte sie, dass menschliche Unterschiedlichkeiten jedweder Art im privaten Leben leicht(er) auszugleichen seien als im gesellschaftlichen. Denn dort beeinflusse und befördere Ideologie die Gegensätze. „Für mich“, sagte sie, „sind die Werte das Wichtigste im Leben. Insofern ist die Frage ‚Woher ich komme‘ weniger wichtig als die ‚Wohin ich gehe‘. In diesem Zusammenhang ist Duisburg ein Teil meiner Familiengeschichte.“
Die Ausstellung, die auch über die Akzente-Zeit hinausgeht, ist jeweils montags bis freitags in der Zeit zwischen 6.30 und 20 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen.