Absturz nach 15 Minuten
Vor drei Monaten verunglückte ein Kleinflugzeug bei Hünxe. Ein 58-jähriger Flugschüler kam bei dem Unfall ums Leben. Gegen seinen Lehrer laufen Ermittlungen. Ein Zwischenbericht der Bundesstelle rekonstruiert den Hergang.
HÜNXE Ein nasskalter Tag im November. Vom Flugplatz Schwarze Heide bei Hünxe startet eine Cessna Skyhawk F 172M in die Dunkelheit des frühen Abends. An Bord: ein 73-jähriger Fluglehrer aus Erkrath und sein 58-jähriger Flugschüler aus Dorsten. Einer von beiden wird das Ende der Nacht nicht erleben. Was genau ist geschehen?
Rund 15 Minuten nach dem Start meldet die Besatzung der Maschine über Funk, dass sie sich im Gegenanflug und kurz darauf im Queranflug zur Piste 26 befindet, von der sie eine Viertelstunde zuvor gestartet ist. Im Tower des Flugplatzes bemerkt der Flugleiter zugleich, dass sich die Sicht rapide verschlechtert hat. Dichter
Nebel ist aufgezogen. Der Flugleiter reagiert und regelt die Pistenbefeuerung auf maximale Leistung.
Die Sicht sei so schlecht gewesen, dass der 80 Meter entfernte Windsack auf dem Vorfeld nicht mehr erkennbar gewesen sei, wird er später zu Protokoll geben. Als sich die Besatzung im Endanflug meldet, kann er die Cessna nicht sehen. Nur hören. Kurze Zeit später hört er, wie der Motor hochdreht. Ungefähr fünf Sekunden später hört er einen dumpfen Knall.
So hat ein Ohrenzeuge das Flugzeugunglück am 17. November 2023 erlebt, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen ist: der 58-jährige Flugschüler. Lebensgefährlich verletzt wurde der 73-jährige Fluglehrer, gegen den die Staatsanwaltschaft Duisburg wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt.
Was in den entscheidenden Augenblicken des Unglückstags geschah, ist dem Zwischenbericht zu entnehmen, den die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Die in Braunschweig ansässige Bundesbehörde stützt sich bei ihrer Rekonstruktion der Ereignisse auf Zeugenaussagen, meteorologische Daten und technische Aufzeichnungen.
Die Maschine war weder mit einem Flugdatenschreiber noch mit einem Cockpit Voice Recorder ausgestattet. Beide Aufzeichnungsgeräte waren nach den gültigen luftrechtlichen Regelungen nicht vorgeschrieben. Zur Flugwegrekonstruktion lagen der BFU jedoch die Daten der vollautomatischen Motorsteuerung und des im Flugzeug eingebauten iPads mit Navigationssoftware vor. Beide Geräte konnten an der Absturzstelle geborgen werden. Daraus ergibt sich wenn auch kein vollständiges, so doch ein einigermaßen klares Bild der Umstände des Nachtflugs, der ein so tragisches Ende nahm.
Demnach trafen sich der Fluglehrer und sein Flugschüler am Nachmittag am Flugplatz Schwarze Heide. Geplant war, die erste praktische Flugstunde zum Erwerb der Nachtflugberechtigung durchzuführen. Vor dem Flug hatte der Fluglehrer im Vereinsheim eine Flugvorbereitung durchgeführt, wozu auch das Abrufen der Wetterdaten gehörte.
Laut Aussage des Flugleiters meldete sich die Besatzung des Flugzeuges über Funk bei ihm und gab an, dass es sich um einen Ausbildungsflug mit zwei Personen handele und eine Nachtflugausbildung im Platzrundenbereich geplant sei. Die Cessna startete um 17.51 Uhr auf der Piste 26. Bis dahin war alles unauffällig. Auch in den folgenden Minuten. Aber dann kam es zur Katastrophe.
Aus den GPS-Daten lässt sich rekonstruieren, was in den letzten drei Minuten geschah. Das Einkurven in den Endanflug erfolgt in circa 100 Metern Höhe. Kurz vor dem Aufsetzen – die Maschine ist noch etwa zwölf Meter über Grund – gibt es ein Durchstartmanöver. Dabei kommt die Cessna während des Steigfluges nach rechts ab und kollidiert mit Bäumen. Absturz. Ende.
Den Ersthelfern der Feuerwehr Bottrop bietet sich ein Bild der Zerstörung.
Die Unfallstelle befindet sich in einem Waldstück, das nördlich an den Flugplatz angrenzt. Die Bäume sind hier etwa 30 Meter hoch. Dazwischen liegt das deformierte Wrack.
Durch die Wucht des Aufpralls sind beide vorderen Sitze aus der Verankerung gerissen worden und liegen zwei Meter neben dem Rumpf. Beide Insassen sind in diesem noch angegurtet. Für den Flugschüler kommt jede Hilfe zu spät.
Erst bei Tageslicht lässt sich das gesamte Ausmaß der Kollision erfassen. Die ersten Spuren eines Kontaktes mit Gehölz finden sich 280 Meter nördlich der Piste in elf Meter Höhe. Von dort zieht sich eine 65 Meter lange Schneise mit abgetrennten Ästen in nordwestlicher Richtung bis zum Wrack.
Die rechte Tragfläche hängt in zwölf Meter Höhe in den Ästen einer Buche. Sechs Meter nördlich davon liegt das abgerissene Bugfahrwerk auf dem Waldboden. Die linke Tragfläche liegt abgetrennt westlich vom Flugzeugrumpf auf dem Waldboden. Sie ist noch mit einem Steuerseil mit dem Rumpf verbunden. Der Kraftstofftank in der linken Tragfläche ist im Bereich der Nasenleiste aufgerissen – an der Unfallstelle liegt der Geruch von Kraftstoff in der Luft.
Der Bug des Rumpfes mit Triebwerk ist im Bereich des Instrumentenbrettes vom Rumpf getrennt. Bruchstücke der drei Propellerblätter sind an der Absturzstelle verstreut. Die linke Seitentür liegt acht Meter östlich des Rumpfes. In einem Umkreis von 15 Metern um das Wrack ist der Waldboden mit kleineren Trümmerteilen übersät.
Doch warum ist das Flugzeug, das zuletzt genau einen Monat vor seinem Absturz gewartet worden war, überhaupt in das Waldstück geraten? Dazu macht der Zwischenbericht keine Aussage.
Das alleinige Ziel der Untersuchung sei die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. „Die Untersuchung dient nicht der Feststellung von Verschulden, Haftung oder Ansprüchen“, heißt es am Ende des Berichts.
Lag es am Wetter, an den schlechten Sichtbedingungen? Fest steht: Ein Pilot, der am Unglückstag gegen 17.10 Uhr den Flugplatz Schwarze Heide anflog, brach sein Landevorhaben ab und wich wegen schlechter Sicht zum Flughafen Dortmund aus. Waren die Bedingungen zu schlecht für einen Ausbildungsflug mit einem Flugschüler?
Eine Antwort gibt es vorläufig auch von der Staatsanwaltschaft Duisburg nicht. Staatsanwältin Jill Anne Felicia McCuller verweist darauf, dass es sich bei der vorliegenden Dokumentation der BFU lediglich um einen Zwischenbericht handele.
„Erst mit Eingang des endgültigen Berichts kann eine abschließende Bewertung des Sachverhalts erfolgen“, sagt McCuller. Dieser werde voraussichtlich erst in einigen Monaten vorliegen. Zuvor könnte der überlebende Fluglehrer Licht ins Dunkel bringen. Die Staatsanwaltschaft, so McCuller, sehe derzeit der Einlassung des Beschuldigten entgegen.