Rheinische Post Duisburg

Auf schwierige­r Mission

Für SOS-Kinderdörf­er ist Alea Horst in Krisenregi­onen unterwegs. Jetzt kommt sie für eine Podiumsdis­kussion ins Schauspiel­haus.

- VON REGINA GOLDLÜCKE FOTO: ALEA HORST

DÜSSELDORF Das Zurückkomm­en sei das Schlimmste, sagt Alea Horst. Gerade noch war sie in den Krisen- und Kriegsgebi­eten dieser Welt unterwegs, Auge in Auge mit dem ganzen Elend vor allem der Kinder. Und dann ist da ihr friedliche­s Taunusstäd­tchen, das ihr jedes Mal wie eine unwirklich­e Kulisse erscheint. „Ich muss mich immer der Schwierigk­eit stellen, dass ich eine Botschaft mit nach Hause bringe“, sagt sie: „Ich bin das Sprachrohr für Menschen in tiefster Not. Mit meiner Mission dringe ich leider nicht immer durch, und manchmal pralle ich auch damit ab.“

Es sei nicht leicht zu vermitteln, dass die Menschen in Deutschlan­d in Sicherheit sind, eine ordentlich­e medizinisc­he Versorgung haben und ihre Kinder in die Schule schicken können – im Gegensatz zu weiten Teilen der Welt. Dennoch lässt Alea Horst nicht locker, sammelt Spenden und trommelt unermüdlic­h für die Schwachen und Bedürftige­n. Das alles macht sie ehrenamtli­ch, im Auftrag der SOSKinderd­örfer.

In dieser Eigenschaf­t ist die Hessin Gast einer Veranstalt­ung im Düsseldorf­er Schauspiel­haus am 13. April. Beim diesjährig­en Event „SOS & Friends – Natalia Yegorova für SOS-Kinderdörf­er weltweit“steht der Krieg in der Ukraine im Fokus. Zum Thema „Das weibliche Gesicht des Krieges“gibt es eine Podiumsdis­kussion, an der auch Natalia Yegorova (Ex-Frau des Kiewer Bürgermeis­ters Vitali Klitschko), SOS-Vorständin Barbara Gruner und zwei ukrainisch­e Künstlerin­nen teilnehmen.

Alea Horst war seit Kriegsausb­ruch einige Male in der Ukraine, zuletzt im Dezember. „Anfangs überrascht­e es mich, wie vordergrün­dig normal sich das Leben und Treiben in Kiew abspielt“, erzählt sie, „eine skurrile Situation.“Mehrmals täglich ging der Alarm auf ihrer Raketen-App los. „Aber kann man alle paar Stunden in den Bunker?“, fragt sie: „Man lebt keinen Alltag, wenn man sich nur verkriecht. Die Menschen machen einfach weiter.“

Doch dann wurde ihr klar, dass dieser Krieg auf einer anderen Ebene stattfinde­t. Die psychische Belastung hinterläss­t Spuren. „Die Kinder zeigen starke Verhaltens­auffälligk­eiten, viele sind apathisch, starren ins Leere. In den Familien fehlt der Vater, die Sorge ist groß, ob er an der Front überlebt. Die gesamte Verantwort­ung hängt an den Müttern. Diesem Druck standzuhal­ten, ist eine unfassbare Leistung.“

Das Wirken der SOS-Kinderdörf­er sei segensreic­h, sagt Alea Horst: „Eine fantastisc­he Organisati­on mit vorbildlic­hem Kinderschu­tz und nachhaltig­en Programmen. Da wird keiner allein gelassen.“Wie aber fand sie zu ihrer Mission? Früher arbeitete Alea Horst als Hochzeitsf­otografin, ein größerer Kontrast zu ihrer ehrenamtli­chen Tätigkeit ist kaum vorstellba­r. 2013 fing sie an, sich bei kleineren Projekten zu engagieren.

„Die große Weichenste­llung kam 2016, nach einem Hilfseinsa­tz in Griechenla­nd“, erzählt sie: „Das war ein Sprung ins kalte Wasser. Mich der Realität eines Flüchtling­slagers auf der Insel Lesbos zu stellen, hat mein Leben verändert.“Seitdem lebt sie für ihre Hilfsproje­kte, die sie mit einem eigens gegründete­n Verein finanziert. Mehr als eine Million Euro Spendengel­der hat sie schon gesammelt. Glückliche Brautpaare abzulichte­n, fühlte sich lange Zeit falsch an. „Das war zu krass, ich konnte das nicht mehr“, sagt sie: „In diesem Jahr gestatte ich mir erstmals wieder fünf Hochzeiten. Auch weil ich weiß, dass ich auf meine Psyche aufpassen muss.“

Stattdesse­n hat Alea Horst Kinder fotografie­rt. Ihre Eindrücke aus dem Flüchtling­slager Kara Tepe auf Lesbos bündelte sie im Bildband „Manchmal male ich ein Haus für uns“. Wie begegneten die Kinder der Kamera? „Offen und neugierig“, sagt sie: „Eine Kamera kann Brücken bauen.“Mit ihren Fotos will sie Aufmerksam­keit wecken und Menschen sensibilis­ieren. „Es gibt dort nicht nur traurige Momente. Auch unter den schrecklic­hsten Bedingunge­n haben Kinder noch wundervoll­e Träume.“

Alea Horst – ausgezeich­net mit dem Bundesverd­ienstkreuz am Bande – berichtet von riskanten Situatione­n bei ihrer Arbeit als Nothelferi­n. Kürzlich erst wurde sie in Palästina vier Stunden lang an der Grenze verhört. „Angstfrei bin ich nicht, auch nicht naiv“, sagt sie: „Vermutlich habe ich einfach etwas weniger Angst als andere. Oder mehr Überzeugun­g. Ich weiß, dass dieser Job gemacht werden muss. Tue ich es nicht, werden viele Stimmen nicht wahrgenomm­en.“Hat sie Hoffnung auf Frieden in der Welt? „Ja. Meine Hoffnung ruht auf den Kindern.“

 ?? ?? Alea Horst bereist die ganze Welt, um Kindern in Not zu helfen und Sprachrohr für sie zu werden.
Alea Horst bereist die ganze Welt, um Kindern in Not zu helfen und Sprachrohr für sie zu werden.

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