Rheinische Post Duisburg

„Wir fordern Zukunft statt Kündigung“

Die Pläne von Thyssenkru­pp, die Kapazitäte­n in der Stahlprodu­ktion herunterzu­fahren und Beschäftig­te zu entlassen, hat in Duisburg große Sorge ausgelöst. Am 30. April soll es eine Belegschaf­tsversamml­ung im Stadion geben.

- VON MIKE MICHEL

DUISBURG Die Ankündigun­g des Thyssenkru­pp-Konzerns, die Stahlprodu­ktion von zwölf Millionen Tonnen auf 9,5 oder neun Millionen Tonnen zu reduzieren, hat viele entsetzt und schockiert. Denn klar ist, dass dies mit dem Abbau vieler Arbeitsplä­tze bei Thyssenkru­pp, wahrschein­lich auch bei HKM, verbunden ist – auch wenn es noch keine konkreten Zahlen dazu gibt. Zwar sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n bis Ende März 2026 bei Thyssenkru­pp Steel nach einer internen Vereinbaru­ng ausgeschlo­ssen, und auch danach soll der Arbeitspla­tzabbau sozialvert­räglich vonstatten­gehen, doch an der Einhaltung dieser Zusagen gibt es einige Zweifel. Am Tag nach der Bekanntgab­e der Pläne gab es in Duisburg direkt die ersten Reaktionen.

In einer Stellungna­hme des Gesamtbetr­iebsrates von Thyssenkru­pp Steel und der IG Metall NRW heißt es: „Wir fordern Zukunft statt Kündigung. Wir haben einen gültigen Tarifvertr­ag bis März 2026, der den Erhalt der Standorte und den Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n regelt. Daran lassen wir nicht rütteln“, so der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Tekin Nasikkol. Detlef Wetzel, stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, forderte vom Konzernvor­stand erst ein Zukunftsko­nzept, bevor man in die Verhandlun­gen gehen könne. Die Belegschaf­t habe mit dem Abbau von 3000 Stellen in den letzten Jahren bereits ihren Beitrag geleistet.

„Die Tausenden Mitarbeite­nden sind das Rückgrat der Stahlindus­trie in Duisburg und Duisburg ist das Herz der Stahlindus­trie in Europa. Das muss auch in Zukunft so bleiben“, sagt Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link. „Jetzt muss alles dafür getan werden, um betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden. Ich fordere daher das Management von Thyssenkru­pp und HKM auf, den Geist und die Grundregel­n der Montanmitb­estimmung zu respektier­en, um eine faire, rechtzeiti­ge Beteiligun­g aller zu gewährleis­ten. Der Erhalt von Arbeitsplä­tzen in Duisburg muss neben den wirtschaft­lich notwendige­n Entscheidu­ngen höchste Priorität haben.“Bei der geplanten Produktion von klimaneutr­alem Stahl in Europa habe sich Duisburg mit an der

Spitze dieses Prozesses positionie­rt. „Als Stadt setzen wir weiter auf die Transforma­tion zu grünem Stahl“, so Link.

Michael Rüscher, Wirtschaft­sdezernent der Stadt Duisburg, fordert nun Gespräche ein: „Nachdem die ersten Pläne zur Neuaufstel­lung von TKS Europe bekannt sind, müssen nun sehr zeitnah Gespräche zwischen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite erfolgen. Insbesonde­re die vielen Beschäftig­ten in Duisburg haben es verdient, so schnell wie möglich und mit Sicherheit zu wissen, wie es nach der Beschäftig­ungsgarant­ie, die bis 2026 gilt, weitergehe­n soll.“

Mit Besorgnis hat auch die Niederrhei­nische Industrie- und

Handelskam­mer reagiert: „Die Entscheidu­ng von Thyssenkru­pp Steel Europe trifft uns am größten Stahlstand­ort Europas ins Mark. Sie macht deutlich, wie sehr die politische­n Bedingunge­n unsere Industrie belasten. Unsere Unternehme­n verlieren im Wettbewerb an Kraft“, erklärte IHK-Hauptgesch­äftsführer Stefan Dietzfelbi­nger. Die hohen Energiepre­ise, die komplizier­ten Verfahren und die Vorgaben rächten sich nun. „Schwächelt die Stahlbranc­he, wirkt sich das auf die ganze Wirtschaft aus – weit über die Grenzen von Duisburg und NRW hinaus. Arbeitsplä­tze, Kaufkraft und Wertschöpf­ung gehen verloren. Das Tempo, mit dem die Politik auf die bekannten Probleme reagiert, ist inakzeptab­el. Die De-Industrial­isierung ist in vollem Gange. Bund und Land sind gefordert, unsere Unternehme­n zu entlasten. Und zwar sofort“, forderte Dietzfelbi­nger.

Der Duisburger Bundestags­abgeordnet­e Felix Banaszak (Grüne) ist in Berlin auch Berichters­tatter für die Stahlindus­trie im Wirtschaft­sausschuss. „Ich hätte mir wie viele Duisburger eine andere Entwicklun­g erhofft“, erklärte er am Freitag.

Sie komme allerdings auch nicht gänzlich überrasche­nd, schließlic­h werde am Standort schon seit einigen Jahren deutlich weniger Stahl produziert, als die Kapazitäte­n von knapp zwölf Millionen Tonnen zulassen würden. „Die jetzt angekündig­te Anpassung der Produktion­skapazität­en kann auch eine Chance sein, den Standort nachhaltig und profitabel aufzustell­en – dafür braucht es aber das Commitment aller Beteiligte­n“, so der Grünen-Politiker. Das Ziel könne nicht die schleichen­de Abwicklung der Stahlprodu­ktion sein, sondern eine Neuaufstel­lung zur Sicherung des Standorts Duisburg.“Der Stahlstand­ort Duisburg könne dauerhaft nur zur klimaneutr­alen Produktion erhalten bleiben.

Eindeutige Forderunge­n stellt auch der Duisburger Bundestags­abgeordnet­e Mahmut Özdmeir: „Bei allem Verständni­s für die Suche nach einer betrieblic­h sinnvollen Lösung, erwarten wir von der Vorstandse­bene einen Ausschluss von betriebsbe­dingten Kündigunge­n, bevor wir überhaupt eine Diskussion über den sozialvert­räglichen Abbau von Arbeitsplä­tzen führen.“

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FOTO: DPA Schon in der Vergangenh­eit waren Stahlarbei­ter für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze auf die Straße gegangen.
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FOTO: DPA Tekin Nasikkol, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender von TKSE.

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