Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Kanzler Erhard kündigt seinen Rücktritt an
Ludwig Erhard war 14 Jahre lang Wirtschaftsminister unter Bundeskanzler Konrad Adenauer gewesen. Er galt als Vater des sogenannten Wirtschaftswunders. Adenauer hatte ihn trotzdem nicht zu seinem Nachfolger empfohlen. Stattdessen hatte der Altkanzler versucht, Erhard für das Amt des Bundespräsidenten vorzuschlagen – erfolglos. Als Adenauer 1963 zurücktrat, wählte der Bundestag Erhard zum neuen Bundeskanzler. Der Wirtschaftspolitiker aus Bayern holte bei den Bundestagswahlen 1965 als Spitzenkandidat von CDU/CSU den Wahlsieg: 47,6 Prozent der Wähler stimmten für die Unionsparteien, die ihre Koalition mit der FDP zunächst fortsetzten. Doch als Kanzler hatte Erhard weniger Glück als in seiner Zeit als Wirtschaftsminister. Eine Rezession setzte dem Land ab 1966 zu, die Zahl der Arbeitslosen stieg. Es kam zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Koalitionspartner, vor allem in Haushaltsfragen. Auch wurde dem Kanzler vorgeworfen, dass sich unter seiner Regierung die deutsch-französischen Beziehungen merklich abgekühlt hatten. Erhard hatte außenpolitisch stets mehr Wert auf die Beziehungen Deutschlands zu den USA gelegt. Im Herbst 1966 traten mehrere Fdp-minister von ihren Ämtern zurück. Sie wollten den Plan Erhards, Defizite im Haushalt durch Steuererhöhungen auszugleichen, nicht mittragen. Erhard bildete zunächst eine Minderheitsregierung, konnte sich aber nicht mehr lange im Amt halten. Die Union einigte sich auf Kurt Georg Kiesinger als neuen Kanzlerkandidaten, der es schließlich schaffte, eine erste Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hinter sich zu bringen. Am 30. November 1966 kündigte Erhard seinen Rücktritt an. Einen Tag darauf wurde Kiesinger zum Bundeskanzler gewählt.