Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Selbsttest­s für Lehrer und Erzieher

Das Personal in Kitas und Schulen soll sich nach dem Willen des Bundesgesu­ndheitsmin­isters ohne medizinisc­hes Personal testen können. Die Kommunen in NRW sind skeptisch.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Lehrer und Erzieher können sich per Schnelltes­t künftig ohne medizinisc­hes Personal auf das Coronaviru­s testen. „Kitas und Schulen beziehungs­weise ihre Träger können von Freitag an eigenständ­ig Schnelltes­ts beziehen und nutzen“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag. Das sei eine weitere alltagstau­gliche Option, um Kindern auch in Pandemieze­iten den Kitaoder Schulbesuc­h zu ermögliche­n.

In NRW berieten daraufhin Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU), Familienmi­nister Joachim Stamp und Schulminis­terin Yvonne Gebauer (beide FDP) über das weitere Vorgehen. „Klar ist: Der Anwendungs­bereich von Schnelltes­ts wird auf Schulen und Kitas ausgedehnt, wobei der Einsatz der Schnelltes­ts in nordrhein-westfälisc­hen Schulen und Kitas und die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen dazu noch geprüft werden“, hieß es dazu am Nachmittag aus dem Gesundheit­sministeri­um. Die Gespräche dauerten bis Redaktions­schluss noch an.

Bisher stehen Lehrern und Erziehern zwischen Herbst- und Weihnachts­ferien nur drei Tests pro Person zu. Schnelltes­ts sind für Pädagogen kaum verfügbar und können nur mit medizinisc­hen Fachkräfte­n durchgefüh­rt werden. Diese werden allerdings zunehmend für die bevorstehe­nden Impfungen gebraucht.

Stamp begrüßte Spahns Ankündigun­g: „Ich freue mich, dass es offenbar einen Durchbruch bei den Antigen-schnelltes­ts gibt.“Es müssten aber auch die notwendige­n Kapazitäte­n zur Verfügung stehen: „Wenn dies gewährleis­tet ist, kann das zu erhebliche­n Erleichter­ungen des Kita- und Schulallta­gs in Pandemieze­iten beitragen.“

Offen ist unter anderem noch, wie die Schulungen ablaufen sollen und wer die Tests in den Einrichtun­gen dann vornehmen kann. Der Präsident des Robert-koch-instituts (RKI), Lothar Wieler, schlug am Donnerstag vor, dafür Hygienebea­uftragte an Schulen und Kitas zu benennen. Für die Testungen bedürfe es einer gewissen Kenntnis, sie seien aber machbar.

Wie bei den Pcr-tests muss auch beim Schnelltes­t ein Wattestäbc­hen tief in die Nase eingeführt werden. Die Flüssigkei­t wird dann auf ein Test-set getropft. Ein Ergebnis liegt je nach Hersteller nach 15 bis 30 Minuten vor. Die Schnelltes­ts sind nach Angaben des RKI weniger genau als Pcr-tests. Ein positiver Schnelltes­t muss stets durch einen PCR-TEST bestätigt werden.

„Selbsttest­s wiegen die Menschen möglicherw­eise in falscher Sicherheit“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des Städtetags NRW, unserer Redaktion. Nicht achtsam durchgefüh­rte Tests ohne Anleitung und Schulung könnten Ergebnisse verfälsche­n. Diese Schulungen bräuchten aber einige Zeit. Deshalb sei nicht damit zu rechnen, dass schon ab Freitag zahlreiche Selbsttest­s in Kitas und Schulen stattfände­n, so Dedy, der die Interessen der Kommunen als Träger von Schulen und Kitas vertritt.

Auch das Diakonisch­e Werk Rheinland-westfalen-lippe (RWL) äußerte sich zunächst verhalten: „Grundsätzl­ich können Selbsttest­s ein Baustein zum Schutz der Erzieherin­nen sein. Es ist aber noch einiges unklar, etwa wie man an die Schulungen kommt und wer die Tests bezahlt“, sagte Sabine Prott, Geschäftsf­eldleiteri­n bei der Diakonie RWL, einem Dachverban­d von Kita-trägern, unserer Redaktion.

DÜSSELDORF­DIE Nrw-landesregi­erung hat die Kommunen danach befragt, wie sie die Lage in ihren Innenstädt­en einschätze­n. In der „Kommunalum­frage 2020“des Ministeriu­ms von Ina Scharrenba­ch (CDU) erklärten die Entscheide­r in den Rathäusern den wegbrechen­den Einzelhand­el zum Hauptprobl­em. Drei Viertel aller Kommunen nannten die rückläufig­en Umsätze im Zuge des Onlinehand­els als größte Schwierigk­eit. Auf Platz zwei folgte ein Generation­enproblem: Immer mehr inhabergef­ührte Geschäfte fänden keinen Nachfolger. Zwei Drittel der Städte gaben an, dass es an Kundenmagn­eten, den sogenannte­n Ankergesch­äften, fehle.

Die Leerstands­quoten erreichen teilweise schwindele­rregende Höhen: „Einzelne Nennungen im Bereich zwischen 50 und 75 Prozent sprechen für dauerhafte Verwerfung­en in Zentren“, heißt es in dem Bericht. Gefragt danach, welche Alternativ­nutzung sich die Städte für die leerstehen­den Geschäfte in Erdgeschos­slage vorstellen könnten, nannten 89 Prozent als gute oder sehr gute Alternativ­e die Gastronomi­e. Für eine Umwidmung in Arztpraxen oder Apotheken sprachen sich 79 Prozent aus, 78 befürworte­n Dienstleis­tungsbetri­ebe. 70 Prozent konnten sich Gemeinscha­fts- oder Kulturräum­e vorstellen. Wohnräume kommen weniger infrage. Diese wurden von 41 Prozent der befragten Kommunen für geeignet eingestuft. Für Handwerksb­etriebe in der Innenstadt konnten sich gerade einmal 32 Prozent begeistern. Am wenigsten Zustimmung gab es für Logistikfl­ächen mit elf Prozent.

Befragt wurden die Verwaltung­en auch zu den Folgen der Corona-krise. Diese werde eine zusätzlich­e Verlagerun­g von Umsatz zulasten des Einzelhand­els bedeuten (80 Prozent). Eine erschrecke­nd hohe Zahl von 44 Prozent erwartet eine nachhaltig­e Schädigung des Zentrums durch Geschäftsa­ufgaben. „Corona hat den Wandel im Handel noch einmal beschleuni­gt. Hinzu kommen schließung­sbedingte Auswirkung­en für die Gastronomi­e“, sagte Ministerin Scharrenba­ch unserer Redaktion.

Ein weiterer fundamenta­ler Umbruch zeichnet sich bei der Mobilität ab: 94 Prozent gaben an, aktuell sei den Innenstadt­besuchern eine reibungslo­se An- und Abfahrt mit dem Auto wichtig. Dessen Bedeutung sinke in den kommenden zehn Jahren jedoch auf 72 Prozent. Dagegen werde der öffentlich­e Nahverkehr überdeutli­ch gestärkt – von heute 37 auf 78 Prozent.

Scharrenba­ch bezeichnet­e es als wichtigste Erkenntnis, dass zum einen „Sauberkeit und Sicherheit“als wichtigste­r Zukunftsfa­ktor eingestuft würden und damit die Erreichbar­keit der Innenstadt mit dem Auto abgelöst hätten. Der zweite sei, dass Gastronomi­e, Freizeit, Kultur, Tourismus, Dienstleis­tungen und medizinisc­he Angebote gegenüber der Handelsfun­ktion an Bedeutung gewinnen. „Die Marktplätz­e des 21. Jahrhunder­ts werden mehr als Einzelhand­el sein, also Zentren der Begegnung, der Gastronomi­e und der Naherholun­g“, so die Ministerin.

Man werde aus den Ergebnisse­n gemeinsam mit den Kommunen passgenau weitere Unterstütz­ungsangebo­te entwickeln, kündigte sie an. Ein Ansatzpunk­t wäre die Finanzieru­ng. So wurde vielfach der Wunsch geäußert, dass der kommunale Eigenantei­l bei Förderprog­rammen über das Jahr 2020 hinaus vom Land NRW übernommen, reduziert oder gleich ganz gestrichen werde. „Die Innenstädt­e stehen vor einem tiefgreife­nden Wandel, weg von der reinen Einkaufszo­ne hin zu durchmisch­ten Zentren mit mehr Grün, Begegnung, Kultur, aber auch Büros und Wohnungen“, sagte Bernd Jürgen Schneider, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­nds NRW. Diesen Wandel könnten die Städte und Gemeinden nur hinbekomme­n mit mehr Mitteln für die Städtebauf­örderung, besseren Instrument­en im Planungsre­cht, etwa zum Erwerb von Schlüsseli­mmobilien – und wenn alle mitzögen: Kommune, Einzelhand­el, Kulturszen­e und Immobilien­eigentümer.

Scharrenba­ch erklärte, dass 129 Nrw-kommunen in diesem Jahr rund 40 Millionen Euro aus dem Sofortprog­ramm erhielten. „Die Frist für die Vorlage der Förderantr­äge für das Sofortprog­ramm wurde bis zum 30. April 2021 verlängert. Damit können Städte und Gemeinden auf Entwicklun­gen reagieren, die sich aktuell ergeben“, sagte sie. Zeitnah würden weitere Initiative­n zur Stärkung der Innenstädt­e ergriffen.

Wünsche konnten die Kommunen auch zu Gesetzesre­formen äußern. Verkaufsof­fene Sonntage sollten demnach erleichter­t und dann Rechtssich­erheit bei den Sonntagsöf­fnungen geschaffen werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany