Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Wenn die Wildtiere den Menschen vermissen
Wegen der Pandemie bleibt der Wildpark im Grafenberger Wald für Besucher geschlossen. Für die Tiere ist das eine Umstellung.
LUDENBERG Es ist still im Wildpark im Grafenberger Wald. Vor allem aber ist es menschenleer. So menschenleer, dass sich das einzige Reh des Parks zwischen einer Gruppe Hirsche ganz nah an den Zaun am Gehweg traut, hinter dem sonst die Menschen mit Futter warten und ihre Smartphones zum Fotografieren zücken. Wie beim ersten Lockdown im Frühjahr dürfen derzeit keine Besucher in den Wildpark. Die Tiere schauen deswegen skeptisch drein, wenn Parkleiter Björn Porsche oder einer der Mitarbeiter am Gehege vorbeikommt. Menschen sehen sie seit Wochen nur noch ganz selten – und so ist das scheue Reh auch ganz schnell wieder hinter einem Baum verschwunden.
Die Hirsche aber bleiben stehen, denn sie haben großen Hunger. „Sie haben ihre Paarungszeit hinter sich und einen Monat nichts gegessen“, erklärt Porsche. „Eigentlich sind die Hirsche es im Dezember gewöhnt, sich mit den Leckereien der Besucher ihren Winterspeck anzufressen, aber jetzt müssen sie sehnsüchtig auf die Menschen warten und vermissen sie“, sagt der Parkleiter und füttert den Anführer der Gruppe mit der Hand.
Während die Hirsche noch den Kontakt suchen, entwöhnen sich andere Tiere immer mehr vom Menschen. Die freilaufenden Damwild-familien zum Beispiel haben in den vergangenen Wochen auch zu den Pflegern eine Scheu aufgebaut und flüchten in den Wald, wenn sich ihnen Personen nähern. Normalweise würde ihnen das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn sie nur Kinderstimmen und das Rascheln der Futterpackungen hörten, erzählt Porsche. „Sie merken auch, dass etwas anders ist. Zurzeit sehen sie vereinzelt nur uns Erwachsene, ohne Corona werden im Schnitt allein zwei Schulklassen am Tag durch den Park geführt“, sagt der 41-Jährige.
Der Wildpark mit seinen rund 130 Tieren war auch in der Pandemie in diesem Jahr ein beliebtes Ausflugsziel, wenn er denn öffnen durfte. In der Zeit zwischen den beiden Lockdowns kamen rund 240.000 Menschen in den Grafenberger Wald. „Wir haben am Anfang im Mai mit 400 Besuchern, die gleichzeitig auf das Gelände durften, begonnen, um die Tiere langsam an sie zu gewöhnen. So werden wir es wieder machen, wenn wir wieder öffnen dürfen“, sagt Porsche. Bis dahin unternehmen er und sein Team alles, damit für die Tiere der Kontakt mit dem Mensch Normalität bleibt: „Wir simulieren mit der Belegschaft zum Beispiel eine Besuchergruppe.“Sollte sich die Zwangsschließung noch weit in das neue Jahr hineinziehen, dann wünscht sich der Parkleiter allerdings, dass vielleicht Schulklassen wieder Führungen bekommen dürfen, denn die Kinder seien ohnehin im Unterricht zusammen und im Wald im Freien: „Dann würden wir den Tieren mal Menschen präsentieren und nicht wie sonst den Menschen Tiere.“
Dass es so ruhig und menschenleer im Wildpark ist, hat aber auch positive Effekte. Porsche hat selten eine so grüne Wiese im Dezember gesehen und die neuen Füchse, die mit der Hand aufgezogen wurden, können sich in ihrer neuen Umgebung Schritt für Schritt ohne Menschentrubel einleben. „Aber schöner ist es natürlich mit Besuchern.“Dann müsste er auch nicht jede Menge Futter für mehrere Tausend Euro bestellen. Im ersten Lockdown waren es zehn Tonnen, die ohne Gäste fehlten: „Wenn an einem Wochenende mit 6000 Besuchern jeder nur einen Apfel mitbringt, sind das derzeit 6000 Äpfel weniger.“Als Hilfe war aber auch in diesem Jahr auf viele Kinder Verlass. Sie konnten zwar nicht im Park Waldfrüchte sammeln, aber taten dies außerhalb und gaben Kastanien, Eicheln und Nüsse für die Tiere ab.