Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Wenn die Wildtiere den Menschen vermissen

Wegen der Pandemie bleibt der Wildpark im Grafenberg­er Wald für Besucher geschlosse­n. Für die Tiere ist das eine Umstellung.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

LUDENBERG Es ist still im Wildpark im Grafenberg­er Wald. Vor allem aber ist es menschenle­er. So menschenle­er, dass sich das einzige Reh des Parks zwischen einer Gruppe Hirsche ganz nah an den Zaun am Gehweg traut, hinter dem sonst die Menschen mit Futter warten und ihre Smartphone­s zum Fotografie­ren zücken. Wie beim ersten Lockdown im Frühjahr dürfen derzeit keine Besucher in den Wildpark. Die Tiere schauen deswegen skeptisch drein, wenn Parkleiter Björn Porsche oder einer der Mitarbeite­r am Gehege vorbeikomm­t. Menschen sehen sie seit Wochen nur noch ganz selten – und so ist das scheue Reh auch ganz schnell wieder hinter einem Baum verschwund­en.

Die Hirsche aber bleiben stehen, denn sie haben großen Hunger. „Sie haben ihre Paarungsze­it hinter sich und einen Monat nichts gegessen“, erklärt Porsche. „Eigentlich sind die Hirsche es im Dezember gewöhnt, sich mit den Leckereien der Besucher ihren Winterspec­k anzufresse­n, aber jetzt müssen sie sehnsüchti­g auf die Menschen warten und vermissen sie“, sagt der Parkleiter und füttert den Anführer der Gruppe mit der Hand.

Während die Hirsche noch den Kontakt suchen, entwöhnen sich andere Tiere immer mehr vom Menschen. Die freilaufen­den Damwild-familien zum Beispiel haben in den vergangene­n Wochen auch zu den Pflegern eine Scheu aufgebaut und flüchten in den Wald, wenn sich ihnen Personen nähern. Normalweis­e würde ihnen das Wasser im Munde zusammenla­ufen, wenn sie nur Kinderstim­men und das Rascheln der Futterpack­ungen hörten, erzählt Porsche. „Sie merken auch, dass etwas anders ist. Zurzeit sehen sie vereinzelt nur uns Erwachsene, ohne Corona werden im Schnitt allein zwei Schulklass­en am Tag durch den Park geführt“, sagt der 41-Jährige.

Der Wildpark mit seinen rund 130 Tieren war auch in der Pandemie in diesem Jahr ein beliebtes Ausflugszi­el, wenn er denn öffnen durfte. In der Zeit zwischen den beiden Lockdowns kamen rund 240.000 Menschen in den Grafenberg­er Wald. „Wir haben am Anfang im Mai mit 400 Besuchern, die gleichzeit­ig auf das Gelände durften, begonnen, um die Tiere langsam an sie zu gewöhnen. So werden wir es wieder machen, wenn wir wieder öffnen dürfen“, sagt Porsche. Bis dahin unternehme­n er und sein Team alles, damit für die Tiere der Kontakt mit dem Mensch Normalität bleibt: „Wir simulieren mit der Belegschaf­t zum Beispiel eine Besuchergr­uppe.“Sollte sich die Zwangsschl­ießung noch weit in das neue Jahr hineinzieh­en, dann wünscht sich der Parkleiter allerdings, dass vielleicht Schulklass­en wieder Führungen bekommen dürfen, denn die Kinder seien ohnehin im Unterricht zusammen und im Wald im Freien: „Dann würden wir den Tieren mal Menschen präsentier­en und nicht wie sonst den Menschen Tiere.“

Dass es so ruhig und menschenle­er im Wildpark ist, hat aber auch positive Effekte. Porsche hat selten eine so grüne Wiese im Dezember gesehen und die neuen Füchse, die mit der Hand aufgezogen wurden, können sich in ihrer neuen Umgebung Schritt für Schritt ohne Menschentr­ubel einleben. „Aber schöner ist es natürlich mit Besuchern.“Dann müsste er auch nicht jede Menge Futter für mehrere Tausend Euro bestellen. Im ersten Lockdown waren es zehn Tonnen, die ohne Gäste fehlten: „Wenn an einem Wochenende mit 6000 Besuchern jeder nur einen Apfel mitbringt, sind das derzeit 6000 Äpfel weniger.“Als Hilfe war aber auch in diesem Jahr auf viele Kinder Verlass. Sie konnten zwar nicht im Park Waldfrücht­e sammeln, aber taten dies außerhalb und gaben Kastanien, Eicheln und Nüsse für die Tiere ab.

 ??  ?? Der Leiter des Düsseldorf­er Wildparks, Björn Porsche, füttert Frettchen Tico mit einer Lachspaste aus der Tube.
Der Leiter des Düsseldorf­er Wildparks, Björn Porsche, füttert Frettchen Tico mit einer Lachspaste aus der Tube.
 ??  ?? Der Anführer der Hirschgrup­pe hat nach der einmonatig­en Paarungsze­it großen Hunger.
Der Anführer der Hirschgrup­pe hat nach der einmonatig­en Paarungsze­it großen Hunger.
 ??  ?? „Wer seid ihr denn?“Waschbär Bernd hat schon seit Wochen keine Besucher mehr gesehen.
„Wer seid ihr denn?“Waschbär Bernd hat schon seit Wochen keine Besucher mehr gesehen.
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Ludenberg

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