Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Sozialisten gewinnen trotz Skandalen Wahl in Rumänien
Die pro-europäische Regierung kann voraussichtlich weitermachen. Doch die neue rechtsextreme Protestpartei AUR gewinnt an Einfluss.
BUKAREST Am Ende kommt es für den Mann ohne Maske und seine Mitstreiter, wie sie es sich erhofft haben: Der rumänische Ministerpräsident Ludovic Orban erklärt als Konsequenz aus dem schlechten Wahlergebnis seiner Nationalliberalen Partei (PNL) den Rücktritt. Seine Mitte-rechts-partei hatte in Umfragen in Führung gelegen, doch nach Auszählung von 95 Prozent der am Sonntag bei der Parlamentswahl abgegebenen Stimmen kam sie hinter den von Korruptionsaffären erschütterten Sozialdemokraten (PSD) nur auf den zweiten Platz.
Kein Wunder also, dass der Mann ohne Maske allen Grund zur Freude verspürt. Immer wieder unterbrechen die Schlachtgesänge seiner Anhänger die Ausführungen des Politnovizen. Als „Sieg des rumänischen Volkes“bezeichnet George Simion den erstmaligen Parlamentseinzug seiner erst im vergangenen
Jahr gegründeten „Allianz für die Union der Rumänen“(AUR): „Wir sind keine Extremisten, aber radikal gegenüber dem System, das die Hoffnung auf ein Leben in Rumänien in den vergangenen 30 Jahren zerstört hat. Wir repräsentieren eine neue Kraft – und wir werden unseren Weg fortsetzen.“
Bisher war der 34-jährige AURChef der Öffentlichkeit vor allem als Anführer nationalistischer Ultras bei Spielen von Rumäniens Nationalkickern bekannt. Von der Vereinigung mit Moldawien, dem Verbot von Homo-partnerschaften bis hin zur Aufhebung aller Corona-restriktionen reichen die Forderungen, denen die AUR als Sammelbecken ultranationalistischer Eu-gegner, rechtsklerikaler Pandemie-leugner und früherer Anhänger der großrumänischen Partei PRM künftig einem breiteren Publikum Gehör verschaffen kann: Mit 8,7 Prozent der Stimmen gelang der AUR bei der Parlamentswahl am Sonntag als viertstärkster Kraft problemlos der Sprung über die Fünfprozenthürde. Die Wahlverdrossenheit und die Corona-epidemie haben dem Karpatenstaat ein politisches Erdbeben beschert. Von dem extrem niedrigen Wähleraufkommen profitierten neben der AUR insbesondere die oppositionellen Sozialisten (PSD). So konnte sich die PSD mit 29,3 Prozent der Stimmen überraschend als stärkste Kraft behaupten – ein erstaunlicher Erfolg nach einer sehr turbulenten Legislaturperiode, in der drei PSD-REgierungen vorzeitig scheiterten. Vor allem die bisher regierenden Nationalliberalen von Premier Ludovic Orban hatten die politischen Folgen der Corona-epidemie auszubaden, die die Schwächen des ausgelaugten Gesundheitssystems schonungslos offengelegt hat. Zu Jahresbeginn lag die mit einem Minderheitskabinett regierende PNL in Umfragen noch bei 45 Prozent. Nun musste sie sich mit 24,6 Prozent zufriedengeben. Als Konsequenz aus diesem Wahldebakel trat Orban nun zurück.
(mit ap)