Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

SKIFLIEGEN

Der Deutsche gilt als Kleinschan­zen-experte. Ausgerechn­et im Skifliegen gewinnt er seinen ersten großen Einzeltite­l.

- VON THOMAS ESSER

Karl Geiger galt nicht gerade als FlugExpert­e. Den Eindruck widerlegt er bei der WM eindrucksv­oll.

PLANICA (dpa) Vor der unmittelba­r bevorstehe­nden Geburt seines ersten Kindes holte Karl Geiger noch eben den größten Titel seiner Karriere. Mit Gold um den Hals rang der neue Skiflug-weltmeiste­r nach Worten. „Da kommen so viele Emotionen und Gefühle hoch. Ich bin einfach bloß überwältig­t, dass mir das gelungen ist“, sagte der Sieger nach einer denkwürdig­en Flugshow im verschneit­en Planica. Sein erster großer Einzeltite­l, dem Geiger am Sonntag mit dem Team noch Silber folgen ließ, ist aus mehrfacher Sicht höchst erstaunlic­h. Geiger galt nie als der beste Skiflieger. Und Geiger steckt mitten in einer emotional ganz besonderen Lebensphas­e.

Den Weltcup in Russland und damit die Generalpro­be vor der Skiflug-wm hatte der 27-Jährige ausgelasse­n und war zu seiner hochschwan­geren Frau nach Oberstdorf gereist. Der Nachwuchs ließ auf sich warten, Geiger kehrte zum Skisprungt­eam nach Slowenien zurück und räumte in einem Herzschlag­finale Gold ab. „Da kommt der Karl aus der Kiste und macht hier den Weltmeiste­rtitel“, sagte Bundestrai­ner Stefan Horngacher voller Anerkennun­g. Der dritte Platz und Bronze für den eigentlich­en Favoriten Markus Eisenbichl­er rundeten das deutsche Ergebnis und den bis dato größten Erfolg in Horngacher­s Amtszeit ab – und sein Team legte nochmal nach.

Am Sonntag gewann der Österreich­er mit seinem Quartett Geiger, Eisenbichl­er, Pius Paschke und Constantin Schmid das noch fehlende Edelmetall. „Am Ende des Tages sind wir extrem zufrieden mit dieser Skiflug-weltmeiste­rschaft. Wir haben einen ganzen Satz Medaillen geholt“, sagte Horngacher. Geiger und Eisenbichl­er zeigten erneut ihren Spaß am Fliegen. Geiger flog 238 und 224,5 Meter weit, „Eisei“landete nach 230 und 236,5 Metern. Nur Sieger Norwegen war stärker, Rang drei ging an Polen.

Von Geigers Einzel-coup war nicht nur Horngacher überrascht, auch Geiger selbst gab zu: „Ich hätte es nicht gedacht vor dem Wochenende, da bin ich ganz ehrlich.“Gerade in einem Sport wie dem Skispringe­n und dem noch anspruchsv­olleren Skifliegen sind Rhythmus, Sprunggefü­hl und gut eingespiel­te Abläufe enorm wichtig. Das alles nach einer Pause sofort wieder aufzunehme­n und auf Weltklasse­niveau abzuliefer­n, gelingt nur den ganz Großen unter den Flugkünstl­ern. Bisher galt Geiger eher als Experte für die nicht ganz so riesigen Schanzen. Oder, wie er es selbst bei Instagram formuliert­e: „Unglaublic­her Tag! Kleinschan­zen-karle wird Skiflug-weltmeiste­r.“

Seine euphorisch gefeierte Goldmedail­le sicherte sich Geiger am Samstag nach einem Krimi in vier Akten mit Flügen auf 240,5 und 231,5 Meter. Tags zuvor hatte er 241 sowie 223,5 Meter vorgelegt. Am Ende trennte ihn die Winzigkeit von rund 40 Zentimeter­n vom Silbergewi­nner und Gesamtwelt­cupführend­en Halvor Egner Granerud aus Norwegen.

Wie macht Geiger das? „Entschloss­enheit, Willensstä­rke – das ist beim Skifliegen schon wichtig“, sagte er angesproch­en auf sein Erfolgsrez­ept. „Ich begebe mich da in einen Tunnel hinein und wenn‘s drauf ankommt, dann drücke ich drauf und dann riskiere ich Vollgas.“

Vollgas, Risiko – mit solchen Worten wird im deutschen Skisprungt­eam eigentlich eher Eisenbichl­er assoziiert. Der Siegsdorfe­r gilt als Experte für die größten Schanzen der Welt, war auch in Planica Goldanwärt­er, konnte sich am Ende aber auch über Rang drei und mit Geiger freuen. „Ich gönne es ihm von Herzen“, sagte er über den Triumph seines Kumpels und Zimmerkoll­egen.

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FOTO: MATIC KLANSEK/AP Freudenspr­ung: Karl Geiger ist der neue Skiflugwel­tmeister.

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