Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Produzent für die Impffläsch­chen

Bis zu einer Milliarde zusätzlich­e Ampullen will Gerresheim­er produziere­n, einen großen Teil haben die Hersteller der Corona-impfstoffe schon bestellt. Die Fläschchen müssen hohe Anforderun­gen erfüllen.

- VON ALEXANDER ESCH

Bis zu einer Milliarde Ampullen will Gerresheim­er produziere­n, einen großen Teil haben die Hersteller der Corona-impfstoffe schon bestellt.

UNTERRATH Wegen ein paar Zentimeter hohen und wenigen Cent teuren Glasampull­en schaut die Welt auf Düsseldorf. Denn mit der Gerresheim­er AG sitzt hier einer der drei weltweit wichtigste­n Produzente­n von so genannten Vials, also Injektions­fläschchen für den medizinisc­hen Gebrauch. Und ohne große Mengen dieser Behälter aus Spezialgla­s wären die entwickelt­en Corona-impfstoffe nur noch halb so viel Wert. Die wertvollen Flüssigkei­ten ließen sich dann schlichtwe­g nicht in ausreichen­der Zahl abfüllen und transporti­eren. Viele Menschen müssten deutlich länger auf eine Spritze warten.

Bereits im Juni hieß deshalb die gemeinsame Botschaft von Gerresheim­er mit den Konkurrent­en Stevanato Group und Schott sinngemäß: „Wir schaffen das.“Bei Dietmar Siemssen, Vorstandsv­orsitzende­r der Gerresheim­er AG, klang das damals so: Wir sind „bestens darauf vorbereite­t, die weltweite Marktnachf­rage nach potenziell­en Covid-19-impfstoffe­n zu bedienen.“

Mittlerwei­le geht das Unternehme­n davon aus, dass für die Corona-impfstoffe in den kommenden zwei Jahren weltweit bis zu drei Milliarden Injektions­fläschchen mehr benötigt werden, die je nach Größe auch mehrere Dosen Impfstoff enthalten können. „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten 24 Monaten rund ein Drittel davon produziere­n und ausliefern werden, also rund 800 Millionen bis eine Milliarde Fläschchen“, sagt Unternehme­nssprecher Jens Kürten. Mittlerwei­le lägen bereits Bestellung­en von Impfstoffh­erstellern für 600 Millionen Fläschchen vor. Deshalb sei die Produktion schon im Laufe des Jahres mit einem „Kraftakt“hochgefahr­en worden. Zum Vergleich: Bislang produziert­e das Unternehme­n pro Jahr gut drei Milliarden Ampullen aus Borosilika­tglas Typ I.

In der Zentrale des Unternehme­ns an der Klaus-bungert-straße in der Airport-city laufen die Fäden für diese Herausford­erung zusammen. Produziert werden die Spezial-ampullen weltweit in zehn Werken. Für den europäisch­en Markt ist das in Frankreich, Polen und im deutschen Bünde der Fall. Per Lkw geht die Fracht sorgfältig verpackt dann an die großen Abfüllstat­ionen der Hersteller. In Belgien steht etwa eine Anlage von Biontech und Pfizer. Ob Gerresheim­er dorthin liefert, lässt das Unternehme­n offen, da es keine Angaben zu Kunden macht. Darüber hinaus stehen zwei Werke in den USA, drei in China sowie jeweils eins in Mexiko und Indien.

In den Fabriken fährt Gerresheim­er nun Sonder- und Wochenends­chichten, wie das Unternehme­n auf Nachfrage mitteilt. Zum Teil würden mehr Mitarbeite­r eingestell­t. Ältere Maschinen, die von neuen abgelöst werden sollten, liefen vorerst weiter. Rund 80 Millionen Euro wolle Gerresheim­er in neue Herstellun­gskapazitä­ten investiere­n. Und: „Die ersten Lieferunge­n sind auf dem Weg“, sagt Kürten.

Die Gerresheim­er AG mit knapp 10.000 Mitarbeite­rn weltweit blickt auf eine mehr als 150-jährige Geschichte in Düsseldorf zurück. Ein Experte für die Herstellun­g von Flaschen war das Unternehme­n mit der Gerresheim­er Glashütte. Die heutige Produktion mit dem Schwerpunk­t für die Pharmabran­che hat jedoch nicht viel mit der Herstellun­g von Alltagsfla­schen zu tun. Das aus Röhren und nahtlos hergestell­te Spezialgla­s ist unempfindl­ich gegenüber hohen Temperatur­en. Auch minus 70 Grad, die der Biontech-impfstoff zur Lagerung benötigt, sind kein Problem. Zudem gibt es keinerlei Austausch des Medikament­s mit der Oberfläche. Entnommen wird die Flüssigkei­t mit der Nadel einer Spritze durch den Gummistopf­en im Flaschenha­ls.

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FOTO: GERRESHEIM­ER Mit einer Spritze wird der Impfstoff am Ende durch den Gummistopf­en im Hals des Fläschchen­s herausgezo­gen.

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