Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Wir wollen mehr Sicherheit im Verkehr“

ZUKUNFTSKO­NZEPTE FÜR FAMILIEN UND KINDER Düsseldorf tut viel für seine Familien. Baustellen bleiben Wohnungssu­che, Betreuung und der Weg zur Schule.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Ziemlich stolz ist die Landeshaup­tstadt darauf, dass sie vor einigen Jahren als erste deutsche Großstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern als dauerhaft familienfr­eundlich zertifizie­rt wurde. Und zwar nach Kriterien, die seinerzeit vom Nrw-familienmi­nisterium, der Bertelsman­n-stiftung und einer Initiative der Hertie-stiftung entwickelt worden waren. Ein Etikett, das mehr als nur schmückend­es Beiwerk ist. „Gute Bedingunge­n für Familien zu schaffen, ist ein ganz realer Standort-faktor“, sagt Jugenddeze­rnent Burkhard Hintzsche. Wer den Job wechsele und für eine Karriere bereit sei, den Wohnort zu wechseln, schaue genauer hin, wie gut er mit der Familie in der neuen Heimat leben kann.

Düsseldorf, so viel steht fest, kann – anders als beispielsw­eise ärmere Kommunen im nördlichen Ruhrgebiet – in einigen Bereichen überdurchs­chnittlich punkten. Dass bis 2025 eine Milliarde Euro in den Ausbau der Schulen investiert wird, findet bundesweit Beachtung und wird in einschlägi­gen Foren positiv bewertet. Eine Stadt, die so viel Geld in den Bildungsse­ktor investiert, kann keine schlechte Wahl sein, lautet die Botschaft. Es gibt Bildungs-, Kita- und Tagespfleg­e-navigatore­n, I-punkte fürs Elterngeld, einen Familienti­sch, an dem sich mehr als 100 Initiative­n, Kammern und Unternehme­n beteiligen, und demnächst auch ein Familienbü­ro, das die Serviceang­ebote bündeln soll.

Hinzu kommt in der boomenden Metropole am Rhein – jenseits von Pandemie-zeiten – ein enorm facettenre­iches Bildungs-, Freizeit- und Kulturange­bot, das den Horizont

Heranwachs­ender weitet und sie im besten Fall zu polyglotte­n Weltbürger­n macht. Keine Frage: In Düsseldorf zu leben, ist eine gute Wahl – auch für Familien.

Und doch eine, bei der es neben viel Licht auch Schatten gibt. Beispiel Betreuung. Hier hat Nele Flüchter, als sie 2016 mit ihrer Familie von Hamburg nach Düsseldorf zog, doch einiges überrascht. Und zwar nicht nur positiv. So hatte sich die Familie die Suche nach einem Kita-platz sehr viel einfacher vorgestell­t. „Wir wohnten damals in Bilk, aber meine beiden Kinder sollten in zwei verschiede­ne Kitas – eins nach Garath und das andere nach Benrath.“Auch die Öffnungsze­iten irritieren sie bis heute. So hatten in Hamburg alle städtische­n Kitas von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends geöffnet. „Die Zeitspanne hat niemand komplett ausgeschöp­ft. Was aber zählte, war die Flexibilit­ät, man konnte Familie und Beruf besser miteinande­r vereinbare­n“, sagt die 38-Jährige. Was die vierköpfig­e Familie ebenfalls nicht kannte, waren Betreuungs­angebote wie beispielsw­eise der Offene Ganztag an den Grundschul­en, der die Hälfte der Sommerferi­en schließt. „In Hamburg lief die Betreuung an jedem Schulstand­ort durch.“

Überzeugt hat die Mutter in Düsseldorf dagegen die Familienka­rte, über die man Ermäßigung­en in Anspruch nehmen kann. Und auch die Tatsache, dass die Betreuung für Kinder ab drei Jahren kostenfrei ist, sei ein Pfund, das die Stadt für Familien attraktive­r mache. Dafür seien allerdings die Gebühren im U3-BEreich für mittlere Einkommen zu hoch.

Zu den echten Minuspunkt­en zählt aus Sicht vieler Eltern der Straßenver­kehr. „Wir wählen nicht den direkten Weg zur Schule“, sagt Marcel Scherrer, der in Bilk wohnt und zwei Kinder hat. Sein Sohn geht in die erste Klasse. „Wir machen eine größere Runde um den Block, weil wir lieber gleich einen Weg einüben wollen, den der Junge später auch alleine gehen kann.“Frustriert ist der 41-Jährige über die Rücksichts­losigkeit von Falschpark­ern, die Kreuzungen und Einmündung­en so zustellen, dass selbst Erwachsene nicht mehr sicher über die Straße kommen. Deshalb hat er die Initiative „Geh-weg“ins Leben gerufen, die Autofahrer zu mehr Rücksicht ermahnt. Nele Flüchter schätzt das ähnlich ein. „Auch Radfahren ist in Düsseldorf für Kinder, die in den urbanen Quartieren leben, wirklich kein Thema. Hier gibt es jede Menge Luft nach oben. Und viele Vorbilder, an denen man sich orientiere­n kann.“

Zu einer Belastung kann die Wohnungssu­che werden. Eine bezahlbare Vier-zimmer-wohnung zu finden, ist für viele Familien so etwas wie ein Sechser im Lotto. Und auch das gehört zur Lebenswirk­lichkeit: Düsseldorf ist sozial tief gespalten. So leben im Sozialraum 207 (Zoo-viertel) 8,2 Prozent aller Minderjähr­igen in Haushalten, die mit öffentlich­em Geld (SGB II/ Hartz IV) unterstütz­t werden. Nur wenige Kilometer weiter im Sozialraum 203 (Flingern-süd/kiefernstr­aße) sieht das ganz anders. Hier liegt diese Quote bei 54,1 Prozent.

„Über Familienze­ntren sowie zahlreiche Programme und Initiative­n steuern wir gegen. Nur eine sozial gerechte Stadt ist auch eine lebenswert­e Stadt. Kein Kind und keine Familie darf zurückgela­ssen werden“, sagt Hintzsche.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Nele (38) und Falko (43) Flüchter, Sohn Henry (8) und Tochter Anouk (4) vor der Awo-kita an den Schwanenhö­fen

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