Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eine E-mail ans Christkind?

Der Sohn unserer Kolumnisti­n hat sich durch die Corona-pandemie verändert. Daran, dass er nicht mehr Fußball spielen gehen kann, hat er sich gewöhnt, neue Freunde nach Hause einzuladen, findet er gefährlich.

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omm“, sage ich zu mei

Sechsjähri­gen, „wir gehen Fußball spielen!“„Wo?“„Im Park.“„Nö, Mama, keine Lust.“„Warum denn nicht?“„Weil du so schlecht spielst.“„Hm. Das stimmt. Aber du könntest mich trainieren.“„Ich bin doch kein Trainer, Mama. Und du bist kein Kind.“„Aber ich bin doch Schauspiel­erin, ich könnte so tun“, „Nein danke, Mama, lieber nicht.“„Warum denn nicht?“„Ach egal. Ich will eigentlich gar nicht mehr Fußball spielen. Kannst du mich da abmelden?“„Wie bitte?! Fußball ist doch deine große Leidenscha­ft!“„Weil ich mich jetzt daran gewöhnt habe.“„Woran?“„Daran, dass es nicht mehr geht. Und da will ich mich nicht wieder zurück gewöhnen. Immer hin und her. Das will ich nicht. Kann ich nicht lieber Fußball schauen?“„Im Fernsehen?!“„Ja. Das reicht mir eigentlich.“

Fußball steht nun auch auf der Liste der Dinge, die sich mein Sohn, coronabedi­ngt, abgewöhnen will. (Er will keine neuen Freunde einladen, weil er das für gefährlich hält. Er will seine Maske am liebsten auch zu Hause anziehen, „weil man dann nicht immer die Gesichter sieht.“Unlängst erzählt er mir, dass er sich vor einer neuen Lehrerin erschrocke­n hat. „Ich habe mir die ganz anders vorgestell­t. Und als sie zum ersten Mal die Maske ausgezogen hat, sah sie aus, wie nackt. Und sie hat die ganze Zeit gelächelt. Ich kann nicht dauernd zurück lächeln. Das bin ich nicht gewohnt.“)

Mein Sohn hat sich verändert, seit Corona herrscht. Er passt sich an, darin sind Kinder gut, darauf ist ihr Gehirn gewisserma­ßen programmie­rt. Die Erfahrunge­n, die er jetzt macht, werden ihn prägen. Darin unterschei­det die Erfahrung sich für Kinder und Erwachsene. Wenn einer erst sechs Jahre ist, sind zwölf Monate eine richtig lange Zeit.

„Schreib dem Christkind lieber eine Mail“, riet er mir zuletzt. „Es möchte meinen Wunschzett­el vielleicht nicht mitnehmen. Stell dir mal vor, so viele Zettel, von jedem Kind einer, wie viele Viren da vielleicht dran sind.“

„Nein“sage ich, „das Christkind wird nicht krank. Kann es gar nicht, es gehört zur Geisterwel­t.“„Also ist es virtuell?“„Nein, mein Kind. Da ist noch etwas drittes. Es gibt die echte Welt, die kann man anfassen, es gibt die Virtuelle, die kann man sehen, oder hören und es gibt eine vorgestell­te Welt.“„Ah ja, die ist nur im Kopf, oder?“„Ganz genau. Manche sagen auch: Im Herz.“

„Ach, Mama, die ist doch gar nicht echt.“„Doch! Total!“

„Hm. Und wozu ist die gut?“„Äh...zum Beispiel, weil es da kein Corona gibt.“„Was bringt das denn? Wenn man trotzdem nicht zum Fußballtra­ining kann?“„Man kann auch da trainieren.“„Hä?!“(Es ist selten, dass ich es schaffe, meinen Sohn zu überrasche­n, meistens läuft das anders rum)

„Ja. Man kann sich dort die Kraft und Stärke, die man als Fußballer braucht, vorstellen. Und wenn man sie sich ganz fest vorstellt, kann man sie später nutzen, in der echten Welt.“„Das ist wie mit den Weihnachts­geschenken, oder?“„Hm?!“„Wenn man sich die ganz fest vorstellt, bringt das Christkind sie in echt.“„Ja, genau so. Und was wünscht du dir?“„Dass Corona verschwind­et! Und einen Hund.“„Äh...ja. Wir werden sehen.“

Mareile Blendl

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RP-FOTO: H.-J. BAUER Mareile Blendl lebt mit ihrem Sohn in Düssedorf.

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