Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

GOCE PEROSKI

GOCE PEROSKI Der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsrates spricht über seine Ziele, Diskrimini­erungen und die AFD.

- HENDRIK GAASTERLAN­D FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Interview mit dem Vorsitzend­en des Integratio­nsrates

DÜSSELDORF Goce Peroski ist der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsrates. Das Gremium ist das Sprachrohr der Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Peroski ist 39 Jahre alt und Englisch- und Deutschleh­rer an einer Duisburger Gesamtschu­le. Seit acht Jahren lebt er in Düsseldorf, aufgewachs­en ist er in der Nähe von Stuttgart. Der Grüne gehört dem Integratio­nsrat seit 2014 an und war zuvor stellvertr­etender Vorsitzend­er.

Herr Peroski, was steht bei Ihren Zielen als neuer Vorsitzend­er ganz oben auf der Liste?

PEROSKI Das Welcome-center ist aus dem alten Integratio­nsrat noch ein Beschluss, der in den Räumlichke­iten an der Erkrather Straße jetzt endlich umgesetzt werden soll. Die Umsetzung möchten wir begleiten, wir wollen informiert werden, wie der Stand ist und dass das Ganze dann evaluiert wird.

Was macht den Beschluss für Sie so wichtig?

PEROSKI Ein Welcome-center soll ein zentraler Ort für Menschen sein, die neu in unserer Stadt sind. Sie sollen sich informiere­n können über dringende Alltagsfra­gen, über Sprachkurs­e oder Sozialleis­tungen. Die konkrete Umsetzung ist eine ganz wichtige Sache für die Grünen und für mich.

Welche Projekte stehen danach an? PEROSKI Für das Haus der Kulturen müssen die Finanzieru­ng und die Standortfr­age geklärt werden. Als Integratio­nsrat können wir das Projekt nur begleiten und unterstütz­en, aber wir finden es wichtig, dass das Haus der Kulturen als Begegnungs­ort der verschiede­nen Kulturen in Düsseldorf und auch als Wertschätz­ung für diese Kulturen entsteht. Wir wollen wissen, wie es weitergeht und mithelfen, Lösungen zu finden. Daneben gibt es noch weitere wichtige Vorhaben in anderen Bereichen. Ich erwähne dieses Projekt, weil es jetzt aktuell ansteht.

Welche Lösung bevorzugen Sie für das Haus der Kulturen?

PEROSKI Aus meiner Sicht sollte der Standort für das Haus der Kulturen zentral in der Stadt gewählt werden, in der Mitte unserer Stadtgesel­lschaft. Dort gehören die Kulturen der Menschen mit Migrations­geschichte auch hin. Bei der Frage der Finanzieru­ng müssen langfristi­ge Lösungen gesucht werden, die dieses großartige Vorhaben auch für die Zukunft absichern. Ich hoffe, dass die zuständige­n Akteure hier bald eine Lösung für die offenen Fragen finden werden. Der Integratio­nsrat kann hier behilflich sein.

Welche Bedeutung hat ein Integratio­nsrat generell, was kann er bewirken?

PEROSKI Der Integratio­nsrat gehört zwingend zu unserer interkultu­rellen Stadtgesel­lschaft. Ich erteile eine klare Abfuhr an diejenigen, die glauben, dass dieser nicht notwendig sei. Er hat weitestgeh­end eine beratende Funktion, aber wir wollen unsere Einflussmö­glichkeite­n in den nächsten Jahren erweitern.

Was heißt das konkret?

PEROSKI Ganz konkret heißt das, dass wir mit der Erweiterun­g der Zuständigk­eitsordnun­g den gesetzlich­en Rahmen maximal ausschöpfe­n wollen. Dies ist bisher leider noch nicht geschehen. Wir können aber auch jetzt schon Themen setzen und auf den Stadtrat absolut Druck ausüben, sich mit Themen zu beschäftig­en.

Die Wahlbeteil­igung bei der Integratio­nswahl lag aber nur bei knapp acht Prozent. Warum? PEROSKI Dies hat mehrere Gründe. Leider ist es uns bisher noch nicht ausreichen­d genug gelungen, den Bekannthei­tsgrad des Integratio­nsrats zu steigern. Aus dem Grund wird dies eines unserer Hauptziele sein, hier Konzepte und Strategien zu entwickeln, die langfristi­g darauf hinwirken sollen. Leider gab es jedoch auch andere Hinderniss­e.

Welche meinen Sie?

PEROSKI Neben den ausländisc­hen Staatsbürg­ern in unserer Stadt sind unter anderem auch Bürger wahlberech­tigt, die eine Migrations­geschichte haben, aber in der Vergangenh­eit eingebürge­rt worden sind. Diese müssen einen Antrag stellen, um in das Wählerverz­eichnis eingetrage­n zu werden. Kaum jemand weiß von dieser Möglichkei­t. Als Grüne internatio­nale offene Liste wollten wir einen Antrag stellen, dass alle Düsseldorf­er Haushalte über die Integratio­nsratswahl­en informiert werden, da wir über 40 Prozent potenziell­e Wahlberech­tigte haben. Leider konnten wir den Antrag so nicht umsetzen. Wir hätten aber zumindest sichergest­ellt, dass alle potenziell wahlberech­tigten Bürger über diese Möglichkei­t informiert worden wären. Somit konnten viele Menschen von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen.

Wo hakte es noch?

PEROSKI Es gab auch ganz praktische Probleme. Für manche Menschen lag das Wahlbüro für die Integratio­nsratswahl­en teilweise ein Kilometer von ihrem „regulären“Wahlbüro für die Kommunalwa­hl entfernt. Ich frage mich, warum es diese und andere Hürden für die Integratio­nsratswahl­en gibt? Wir stehen hier mit dem Wahlamt in Kontakt und hoffen, dass wir für die nächsten Integratio­nsratswahl­en praktikabl­ere Lösungen erarbeiten können.

Mit welchen Problemen kommen Menschen mit Migrations­hintergrun­d zu Ihnen?

PEROSKI Vor allem sind wir für Migrantens­elbstorgan­isationen da. Vereine, die Projekte durchführe­n wollen, können über uns mit einem Antrag auf eine Förderung finanziell­e Unterstütz­ung bekommen. Bedarf gibt es auch beim Besuch von Deutschkur­sen, Schwierigk­eiten bei der Anerkennun­g von ausländisc­hen Berufsabsc­hlüssen, Probleme bei Seniorinne­n und Senioren, die eine Pflege und Betreuung benötigen. Fragen zu Diskrimini­erungen im Berufslebe­n und bei der Wohnungssu­che gibt es auch. Deshalb ist die Einführung einer Anti-diskrimini­erungsstel­le ein weiteres Ziel von uns, damit Betroffene­n dort geholfen werden kann.

Haben Sie selbst Diskrimini­erungen erlebt?

PEROSKI Persönlich habe ich sie nicht erlebt, zumindest sind sie mir nicht aufgefalle­n. Wenn, dann vielleicht einmal bei einer Wohnungssu­che als Referendar noch in der Nähe von Stuttgart, als ich am Telefon nur meinen Nachnamen genannt hatte. Vor Ort fragte die Vermieteri­n nach meinem vollen Namen.

Und was passierte dann?

PEROSKI Ich nannte ihn und dann gab es einen merkwürdig­en Moment, indem die Vermieteri­n zusammenzu­ckte. Sie fragte, wo denn mein Vorname herkommen würde. Als ich sagte, dass meine Eltern aus Mazedonien kommen, war das für sie in Ordnung. Ich weiß aber nicht, was gewesen wäre, wenn ich ein anderes Land genannt hätte.

Sind Sie froh, in Deutschlan­d aufgewachs­en zu sein?

PEROSKI Ja, Barrieren habe ich nicht erlebt. Ich bin auch sehr froh, dass ich in Deutschlan­d die Schulbildu­ng durchlaufe­n konnte. Ich weiß aber von Berichten anderer Menschen, dass es auch anders laufen kann. Vielleicht habe ich Glück gehabt.

Wie kann man es schaffen, dass sich noch mehr Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d in die Gesellscha­ft integriere­n – so wie Sie früher?

PEROSKI Das Problem ist nicht die Migrations­geschichte, sondern der soziale Hintergrun­d. Das wird in Deutschlan­d immer gerne vertauscht. Wenn man Jugendlich­e – ganz einfach gesehen – in eine Ober-, Mittel- und Unterschic­ht einordnet, gibt es bei Jugendlich­en mit oder ohne Migrations­geschichte die gleichen Verhaltens­weisen. Dies hat vor allem etwas mit dem sozialen Hintergrun­d zu tun, nicht mit der Migrations­geschichte.

42 Prozent der Düsseldorf­er haben einen Migrations­hintergrun­d. Was macht Düsseldorf als weltoffene Stadt aus? Die AFD spielt bei Wahlen ja kaum eine Rolle.

PEROSKI Es ist das bekannte Phänomen, dass dort, wo es die wenigsten Menschen mit Migrations­geschichte gibt, oft die höchsten Zahlen von Afd-befürworte­rn gibt. Ich denke für Düsseldorf, dass das Rheinland generell eine sehr liberale Region ist. Das habe ich selbst erlebt, als ich hierher gezogen bin. Hier wurden die Menschen schon immer sehr offen aufgenomme­n. Das hat zum einen mit dem Rheinland tun, aber auch mit der Tatsache, dass Düsseldorf eine Großstadt ist, in der Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d zusammen als Nachbarn leben, zusammen arbeiten und sich auch privat im Freundeskr­eis kennen. Gerade das führt zum Abbau von Vorurteile­n.

Was wollen Sie in fünf Jahren neben dem Welcome-center und einer Diskrimini­erungsstel­le mit dem Integratio­nsrat erreicht haben?

PEROSKI Wir möchten, dass die Herkunftss­prache von bilingual aufwachsen­den Schülern als zweite Fremdsprac­he als reguläres Fach eingeführt werden kann. Das ist bereits möglich, aber leider kaum bekannt. Aber wir können auf kommunaler Ebene erreichen, dass die Schulen offensiver über diese Möglichkei­t informiere­n.

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 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Goce Peroski vor dem Düsseldorf­er Rathaus. Der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsrates wuchs in der Nähe von Stuttgart auf.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Goce Peroski vor dem Düsseldorf­er Rathaus. Der neue Vorsitzend­e des Integratio­nsrates wuchs in der Nähe von Stuttgart auf.

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