Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Eine abenteuerliche Kindheit in Grafenberg
Peter Neuhaus beschreibt in seiner Biografie anschaulich seine Jugendzeit in den 1930er Jahren rund um den Ostpark.
GRAFENBERG Peter Neuhaus hat sein Leben aufgeschrieben, und zwar minutiös. Das machen viele, und oft, meint der Autor, das müsse doch bestimmt auch andere interessieren, was er alles so erlebt hat, doch dem ist dann eben nicht so. Die Gefahr ist bei Neuhaus gering. Auf 345 Seiten hat der 90-Jährige seine Biografie zu Papier gebracht – über seine anfangs unbeschwerte Kindheit in Grafenberg, den Krieg, die Armut danach und seinen Werdegang vom Knecht zum weltweit agierenden Unternehmer bis zur Rente in Garath, wo er noch lange seine schwerkranke Frau Lore gepflegt hat. Als sie starb, hat er sich ans Schreiben begeben. Wie gesagt: Der Autor hat nichts ausgelassen, er ist kein Freund von Bees weder Autos auf den Straßen im Stadtteil noch Telefone in den Häusern gab. Und so mag es auch nicht verwundern, dass ein Kamerad von Neuhaus damals an der noch weitgehend überirdisch verlaufenden Güterzugstrecke am Staufenplatz vom Zug angefahren wurde und jämmerlich starb, weil es halt nicht möglich war, so schnell Hilfe herbeizuholen. Wie gesagt: Es sind nicht nur schöne Erinnerungen, die Neuhaus niedergeschrieben hat.
Die Geschichte von Peter Neuhaus beginnt 1929, als die Eltern mit Oma Therese und Schäferhund Jaukel in einer Drei-zimmer-wohnung an der Limburgstraße 30 einen Neuanfang starten, ein Jahr später wird unser Protagonist geboren. „Diese Wohnung hat Besitz von mir genommen, sie war Heimat und Hort der Familie zugleich“, sagt Neuhaus rückblickend und füllt mit den detaillierten Beschreibungen jedes einzelnen Möbelstücks sein Auftaktkapitel.
Richtig spannend wird es, wenn der Autor über seine außerhäuslichen Aktivitäten im Grafenberg der 1930er Jahre berichtet. Kinder können noch gefahrlos auf der Straße spielen, denn Verkehr gibt es kaum. Im Winter wird bei minus 20 Grad auf dem zugefrorenen Teich des Ostparks Eishockey mit Stöcken gespielt. Und für tote Vögel werden Gräber aus Blumenschmuck gestaltet und Kreuze aus Zweigen gebunden. Man fühlt sich der Natur nahe und verbunden. Weniger schön: Die Düssel ist noch eine stinkende, oft verschlammte Kloake, in denen es aber dennoch von Stichlingen und Blutegeln wimmelt.
Der junge Neuhaus sammelt Schnecken, „wegen der unterschiedlich schönen Zeichnungen auf dem Gehäuse“, ist im Kampf mit dem Holzschwert gegen Kumpanen der Held deutscher Sagen, kommt auch durch die ständige Berührung mit Brennnesseln und Disteln mit blutigen Schürfwunden, zerkratzt, dreckig und ausgehungert nach Hause. Und ist doch glücklich. Wer anderen Böses will, setzt keine Mobbing-posts auf Facebook ab, sondern schmiert demjenigen kurzerhand Kuhkacke ins Gesicht.
An der Altenburgstraße entstehen viele neue Häuser, für die Kinder liegt Baumaterial relativ frei zugänglich herum, und Neuhaus macht die Erfahrung, dass brennender Teer auch auf der Haut weiter Flammen schlägt. „Man ist im Nachhinein dankbar, dass in dieser Zeit nichts Schlimmeres passiert ist“, sagt Neuhaus. Doch bald wird es sehr viel schlimmer, der Krieg beginnt, und so endet die abenteuerliche Kindheit abrupt. An der Geibelstraße explodiert 1940 eine Luftmine auf mehreren Häusern, ein Klassenkamerad von Neuhaus wird unter den Trümmern verschüttet. Mit bloßen Händen versuchen die Freunde ihn zu befreien, nachdem anfangs Klopfgeräusche zu hören sind. Es ist vergebens. Von Räumgeräten oder einem Bagger ist nichts zu sehen.
Peter Neuhaus wird evakuiert in den Spessart, es beginnt für ihn eine Zeit der Armut und des Überlebenskampfes. In Schlüchtern bei Fulda macht er 1951 das Abi. Der Plan, auszuwandern, klappt nicht. Zurück in Düsseldorf wird er Knecht bei einem Bauern, später Hilfsarbeiter, Packer, schafft die Kaufmanns-gehilfenprüfung, geht unbeirrt seinen Weg und gründet 1971 ein Maschinenbauunternehmen. Er kauft bald weitere Fabriken hinzu, hat sogar eine Zweitniederlassung in Südamerika, ist erfolgreich, setzt mit seiner Frau insgesamt drei Söhne in die Welt und kauft die Eigentumswohnung in Garath, in der Neuhaus noch heute wohnt.
Das alles hat Peter Neuhaus in seinem Buch „Erlebtes und Erdachtes“zusammengefasst. Das ist auch schon mal etwas langatmig, aber eben lückenlos. Einen Verlag, der das Werk drucken würde, hätte er eigentlich schon, beteuert der 90-Jährige, „aber nicht zu meinen Konditionen“. Er will den Kaufpreis gering halten und sucht daher weiter. Sein zweites Buch ist auch schon fertig. Es trägt den verheißungsvollen Titel „Rettung der Menschheit“.