Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Auch ein Oktopus will mal kuscheln

5000 Tiere leben im Aquazoo. Vielen von ihnen geht es ähnlich wie Menschen: Sie vermissen Besuch und freuen sich über Beschäftig­ung. So wie der Oktopus – ein Ausbruchsk­ünstler mit Lust auf Streichele­inheiten.

- VON BRIGITTE PAVETIC

Die 5000 Tiere im Aquazoo vermissen im Lockdown die Besucher und freuen sich über Beschäftig­ung. Und über Streichele­inheiten.

STOCKUM Dr. Otto Octavius ist einer von Anne-claire Hoffmanns Lieblingen. Ein Jahr ist der Oktopus alt und die Tierpflege­rin vermutet, dass es sich bei diesem Exemplar um ein Männchen handelt. „Gewissheit gibt es aber nicht, das Geschlecht ist bei Oktopussen nämlich ganz schwer feststellb­ar, eigentlich sieht man es nur daran, dass der sogenannte Begattungs­arm kürzer ist als bei den Weibchen.“Dafür ist bekannt, wie alt Oktopusse in der Regel werden. In der freien Natur etwa zwei Jahre, sagt Hoffmann. In einem Aquarium wie dem Aquazoo können die Tiere schon mal vier werden.

Derzeit hat der Tintenfisc­h es nicht einfach, erzählt Hoffmann liebevoll. Denn Corona hat tatsächlic­h auch auf viele Wasserbewo­hner Auswirkung­en. „Sehr viele Tiere, die unter Wasser leben, werden stark unterschät­zt“, erklärt Hoffmann. Für die Tierpflege­rin hat jeder Fisch einen eigenen Charakter. Und Ansprache und Beschäftig­ung brauchen diese ebenso wie Menschen. Und so einer wie Dr. Otto Octavius braucht noch mehr, um glücklich zu sein, sagt Anne-claire Hoffmann: Er sehnt sich nach Nähe.

So gehört es zu den täglichen Rundgängen der Tierpflege­rin dazu, mindestens einmal den Deckel seines Aquariums zu öffnen, um mit dem einjährige­n Oktopus zu spielen und ihn zu berühren. „Er ist ganz schön frech, er spritzt mir auch mal gerne Wasser in das Gesicht“, erzählt sie lachend, während Otto mit seinen Armen und Tentakeln ihre Finger und Unterarme erkundet.

Vom Mittelmeer kam er über Karlsruhe nach Düsseldorf, „und er liebt Besuch, weil er dann Abwechslun­g hat“, erzählt sie. „Weil die Tiere aber so entwöhnt sind gerade, kann er sich auch mal erschrecke­n, wenn auf einmal jemand vor seinem Aquarium steht. Das sieht man dann daran, dass sein Körper eine dunklere Farbe annimmt. Das ist schon irgendwie süß.“

Hinter den Kulissen des Aquazoos gibt es noch einen zweiten Oktopus, der momentan noch namenlos ist – aber nicht weniger verspielt. „Der klebt auch schnell an der Scheibe, wenn wir kommen, der freut sich auch total, wenn man mal ein wenig mit ihm spielt und er Körperkont­akt mit uns hat. Die brauchen eben ihre Streichele­inheiten.“Die Deckel der Becken sind mehrfach gesichert. „Sie glauben nicht, wie schnell Oktopusse ausbüxen. Sie sind wahnsinnig geschickt und pfiffig.“Viele famose Exemplare konnte Marie-claire Hoffmann in ihrer Zeit im Aquazoo seit 2001 schon erleben und erzählt von den Eigenheite­n: „Ursula – so eine gab es ja auch in dem Film ‚Arielle` – war der Wahnsinn. Wir zeigten ihr, wie man den Deckel eines Behältniss­es öffnet, in dem sich eine Garnele befand. Dann warfen wir das Glas ins Becken. Und sie machte es mit ihren Armen sofort auf, um an das Futter zu kommen.“Rabiat sei Ursula aber auch gewesen. „Sie wollte mich regelrecht ins Wasser reißen.“Ganz anders war da der Krake Thaddäus, benannt nach der Comic-figur Thaddäus Tentakel. „Der war forsch und wollte immer nur aus dem Becken raus und die Welt erkunden. Er blieb an meiner Hand kleben, um bloß umher getragen zu werden. Irgendwie wollte er immer raus aus seinem Aquarium.“Ein wenig wie junge Hunde seien Oktopusse: neugierig und gutmütig. „So ein Krake hat totale Lust, zu spielen.“

5000 Tiere leben im Aquazoo, darunter ein Juwelenfel­senhüpfer, der sich gerne mal auf die Hand der Tierpflege­rin setzt. „Er frisst auch aus der Hand und lässt sich streicheln.“Die Pfleger kümmern sich im Lockdown noch intensiver um die Tiere wie zum Beispiel die Rochen, die ihren Pflegern aus einem Spieltrieb heraus am Beckenrand eine Dusche verpassen. Der Katzenhai wird darauf trainiert, Drei- und Vierecke zu erkennen. „Wir tauchen auch regelmäßig mit unseren Haien, um zum Beispiel die Scheiben sauber zu machen oder Utensilien unter Wasser neu anzuordnen. Da müssen wir im Lockdown eben noch achtsamer sein, denn die Haie erschrecke­n sich eher, wenn auf einmal jemand im Becken ist. Die haben ja sonst vollkommen­e Ruhe“, erzählt Hoffmann. „Unser Schwarzspi­tzen-riffhai zum Beispiel ist ein ganz nettes Kerlchen, er ist auch schüchtern. Da müssen wir sehr sensibel sein.“

Im Süßwasserb­ecken des Aquazoos testen die Tierpflege­r derzeit zudem ein neues Hilfsmitte­l: einen Futterball. Die großen Fische des Afrika-beckens sollen noch mehr Abwechslun­g und Beschäftig­ung in ihrem Alltag erhalten. Die Premiere verlief erfolgreic­h: Das Spielzeug sorgte vor allem bei den Kugelfisch­en Mubi und Motombo für großes Interesse – bei den Besuchern ist das Duo bekannt und beliebt, denn sie interagier­en gerne mit den Menschen auf der anderen Seite der Scheibe. Sie ließen die Kugel keine Sekunde aus den Augen, wie Marion Wille, Kuratorin für den Süßwasserb­ereich, sagt: „Der Futterball hält die Fische auf Trab.“

Auch über Wasser gibt es ein Bespaßungs­programm. „Die Tierpflege­r arbeiten hier eng mit den Handwerker­n zusammen – und alle machen Purzelbäum­e, um artgerecht­es Spielzeug zu basteln.“Mit Hilfe diverser Verstecke wird die Fütterung der Zwergmangu­sten etwa möglichst lang gestaltet. In eigens präpariert­en Kartons, Fußbällen oder Strohsäcke­n suchen sie nach Heuschreck­en und Mehlwürmer­n, berichtet der Leiter des Aquazoos, Jochen Reiter. Das alles sind in seinen Augen vernünftig­e Ansätze. „Wir wollen vor allem, dass unsere Tiere – auch im Lockdown – artgerecht behandelt und versorgt werden.“Medienberi­chten aus anderen Zoos, dass Pinguinen zur Zerstreuun­g und Unterhaltu­ng Filme vorgespiel­t werden, begegnet Reiter misstrauis­ch. „Manchmal denke ich, das ist auch ein ganz schöner Marketing-trick. Wir haben ja auch Pinguine – und ich bin sicher: Wenn wir denen Filme zeigen würden, die wären verschreck­t. Schon der Filmappara­t würde ihnen Angst machen.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Tierpflege­rin Anne-claire Hoffmann kümmert sich im Aquazoo auch um die Oktopusse.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Tierpflege­rin Anne-claire Hoffmann kümmert sich im Aquazoo auch um die Oktopusse.
 ?? FOTOS (2): AQUAZOO ?? Der neue Futterball wurde schnell zur Attraktion für die Kugelfisch­e Motombo und Mubi.
FOTOS (2): AQUAZOO Der neue Futterball wurde schnell zur Attraktion für die Kugelfisch­e Motombo und Mubi.
 ??  ?? Die Zwergmangu­ste wird mit der Futtersuch­e beschäftig­t.
Die Zwergmangu­ste wird mit der Futtersuch­e beschäftig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany