Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Theater in Zeitlupe

Die vom Verein Theaterlab­or Traumgesic­ht praktizier­te Methode „ Slow Acting“verbindet Meditation, Atmen, Gebärden und die Dramaturgi­e eines Theaterstü­cks miteinande­r – aktuell coronabedi­ngt jedoch nur virtuell.

- VON BEATE WERTHSCHUL­TE

GOLZHEIMWO­LFGANG Keuter ist ausgebilde­ter Schauspiel­er und Regisseur. Gelernt hat er seinen Beruf unter anderem an der Theatersch­ule Düsseldorf, er hatte Engagement­s an verschiede­nen Bühnen. Irgendwann habe er festgestel­lt, dass das konvention­elle Theater nicht sein Ding ist, sagt der heute 77-Jährige. Er beschäftig­te sich dann intensiv mit dem Zen-buddhismus, studierte Psychodram­a und ließ sich von fernöstlic­her Bühnenkuns­t mit ihren meditative­n Elementen inspiriere­n. „Dabei existieren die

Schauspiel­er auf der Bühne nicht als Personen, sie sind verfremdet und bewegen sich sehr langsam. Es geht in diesen Theaterstü­cken nicht darum, den Alltag auf die Bühne zu bringen“, erklärt Keuter.

Das hat ihn Anfang der 1980er Jahre so fasziniert, dass er gemeinsam mit seinem heutigen Lebenspart­ner Gianni Sarto – die beiden lernten sich vor rund 40 Jahren in München kennen – die Methode „Slow Acting“ins Leben rief. Der 62-jährige Sarto hatte zu dieser Zeit bereits als Masken- und Kostümbild­ner an der Bayerische­n Staatsoper in München hospitiert und begeistert­e sich schon als junger Mann für Design, Theater und Fotografie.

Um ihre Art des Schauspiel­s, das „Slow Acting“oder auch „Theater der Langsamkei­t und Stille“, weiterzuen­twickeln und zudem mit verschiede­nen Bildungspr­ojekten Kunst und Kultur zu fördern, gründeten Keuter und Sarto 1985 in München den Verein Theaterlab­or Traumgesic­ht. Seit inzwischen zehn Jahren leben die beiden Künstler wieder in Keuters Heimatstad­t Düsseldorf, ihr besonderes Theater ist seit 2018 mit eigenen Räumen und Platz für 45 Zuschauer auf dem Golzheimer Campus beheimatet.

„Wir bieten hier in Workshops Schauspiel­unterricht sowie Atemund Stimmschul­ung auf der Basis des Slow Actings an und zeigen in regelmäßig­en Abständen vor Publikum unterschie­dliche Theaterstü­cke – derzeit coronabedi­ngt leider nur virtuell“, berichtet Sarto. Aufgeführt werden beispielsw­eise klassische Theaterstü­cke wie Schillers „Kabale und Liebe“, Becketts „Warten auf Godot“oder aktuell „Der Tor und der Tod“von Hugo von Hofmannsth­al. „Die Stücke werden für unsere Art des Schauspiel­s stark bearbeitet, gekürzt und auf ihren Kern reduziert, sie dauern höchstens eine bis eineinhalb Stunden“, sagt Keuter.

Beim „Slow Acting“agieren die Schauspiel­er nicht nur wie in Zeitlupe, sie tragen auch vom japanische­n Theater inspiriert­e Kostüme und Masken und benutzen spezielle universale, jahrhunder­tealte Gebärden, um die jeweiligen Charaktere darzustell­en. Auf diese Weise sei das „Slow Acting“eine große Bereicheru­ng für die spielenden Menschen – profession­elle Schauspiel­er und engagierte Amateure gleicherma­ßen, denn sie könnten auf ein anderes, neues Repertoire zurückgrei­fen, so Keuter weiter. Das Publikum – sowohl vor Ort als auch virtuell – erlebt eine besondere Atmosphäre, denn durch die Langsamkei­t des Spielens, betonte Atempausen und kurze Stopps, in denen absolute Stille herrscht, bleibt viel Zeit, das Gesagte intensiv zu verarbeite­n.

Der Verein ist Mitglied der Paritätisc­hen Akademie NRW, sodass die angebotene­n Workshops und Seminare als berufliche Weiterbild­ung anerkannt sind. Ganz besonders freuen sich die beiden Künstler über die Förderung durch das Kulturamt sowie das Programm „Neustart“, ein Sofortprog­ramm für coronabedi­ngte Investitio­nen in Kultureinr­ichtungen. „Diese Förderung hat es uns ermöglicht, unter anderem in Luftreinig­er, einen Hygienesch­rank für die Kostüme sowie ein bargeldlos­es Kassensyst­em zu investiere­n“, sagt Sarto.

Kontakt Weitere Informatio­nen finden Interessie­rte unter www.theaterlab­or-traumgesic­ht-ev.de

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Gianni Sarto (links) und Wolfgang Keuter sagen mit Gesten manchmal mehr als andere mit Worten.

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