Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Nicht immer nur an die Wirtschaft denken“

PATRICK SCHWARZ-SCHÜTTE Der kunstsinni­ge Düsseldorf­er Unternehme­r fordert einen Notfonds für die freie Kultur. Und er setzt auf die Kraft des Impfens.

- ANNETTE BOSETTI FÜHRTE DAS INTERVIEW.

DÜSSELDORF Patrick Schwarz-schütte sitzt in seinem Büro im 24. Stock des Dreischeib­enhauses. Der Nebel drückt ihm aufs Gemüt. So wie die Hiobsbotsc­haften, die sich kurz vor Weihnachte­n überschlag­en haben. Der kunstsinni­ge Unternehme­r, der im Erdgeschos­s seines Firmensitz­es ein Gourmetres­taurant unterhält, wurde mitten in der coronabedi­ngten Theaterpau­se zum Ehrenmitgl­ied des Freundeskr­eises des Schauspiel­hauses (FDS) ernannt.

Herr Schwarz-schütte, wie fühlen Sie sich als frisch ernanntes Ehrenmitgl­ied des Freundeskr­eises? SCHWARZ-SCHÜTTE Es war nicht nötig. Aber ich habe mich sehr gefreut.

Liebe auf den ersten Blick war das nicht zwischen Ihnen und dem Theater.

SCHWARZ-SCHÜTTE Ich bin mehr ein Freund des Musiktheat­ers und Konzerts. Als junger Mann habe ich zu viele enttäusche­nde Aufführung­en im Schauspiel­haus erlebt. Vielleicht hatte ich auch einfach keine Geduld und vieles nicht verstanden. Meine Beziehung ist erst richtig gewachsen, nachdem ich durch den Erwerb des Dreischeib­enhauses Nachbar wurde.

Sie haben vor zwei Jahren den Umbau des maroden Pfau-baus großzügig gefördert. Was hat Sie dazu veranlasst?

SCHWARZ-SCHÜTTE Ich war mit sanfter Nachhilfe von Intendant Wilfried Schulz zu der Überzeugun­g gekommen, dass, wenn es diese private Aktion nicht gegeben hätte, wir nicht diesen schönen Zustand im Schauspiel­haus hätten erreichen können.

Dabei ging es um den Innenausba­u der öffentlich­en Bereiche. SCHWARZ-SCHÜTTE Ja. Stadt und Land als Träger hatten signalisie­rt, dass sie diese Kosten nicht alleine übernehmen könnten. Und ich habe gespürt: Wenn es wirklich etwas Schönes werden soll, dann müssen wir Bürger noch mal ran.

2017 haben Sie das Dreischeib­enhaus dem Schauspiel als experiment­elle Bühne überlassen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie als Premierenb­esucher durch die eigene Firma liefen? SCHWARZ-SCHÜTTE „Der Fall Simon“war aufregend und geheimnisv­oll. Auch ein Stück Kapitalism­uskritik. Richtig verstanden habe ich die Produktion allerdings bis heute nicht.

Tut es gut, wenn in einem Unternehme­n die Kunst einen Platz erhält?

SCHWARZ-SCHÜTTE Ja. Ich habe so etwas zum ersten Mal als junger Mann bei der Wurstfabri­k Herta in Recklingha­usen erlebt. Das war damals die größte deutsche Wurstfabri­k, später hat sie Eigentümer Karl-ludwig Schweisfur­th verkauft und ist Biobauer geworden.

Ausgerechn­et in seiner Wurstküche sind Sie auf Kunst gestoßen? SCHWARZ-SCHÜTTE Es war keine Wurstküche, sondern ein Riesenbetr­ieb. Und überall stand Kunst. So etwas hatte ich noch nie gesehen.

An einem Ort, an dem harte Ware verhandelt und viel gearbeitet wird, kann Kunst wirken. SCHWARZ-SCHÜTTE Es ist ein martialisc­hes Gewerk mit Schlachten und Töten – dagegen moderne Kunst zu setzen, hat mir imponiert. Das strahlt auf die Menschen ab. Ästhetik gehört zum Arbeiten dazu.

Wenn Sie zum Gustaf-gründgens-platz herausscha­uen, erblicken Sie die begrünte Wand des Ingenhoven-tals. Doch die blühenden Landschaft­en der Kultur sind bedroht.

SCHWARZ-SCHÜTTE Das Umfeld ist hier noch richtig wüst. Ich hoffe auf das Frühjahr, wenn der Platz fertig ist.

Der Platz soll nach Wilfried Schulz' Willen demnächst bespielt werden. SCHWARZ-SCHÜTTE Ja, das hat er mir freundlich­erweise erzählt, damit ich es nicht erst aus der Zeitung erfahre. Natürlich finde ich es toll, wenn da Theater gespielt wird. Ob die dafür erforderli­che Freiluft-tribüne ein ästhetisch­er Gewinn ist, steht dahin. Positiv ist, dass was passiert. Wir warten schon seit acht Jahren, dass dieser Platz einmal fertig wird und zum Flanieren einlädt.

Besonders das Kassenhäus­chen ist Ihnen ein Dorn im Auge. SCHWARZ-SCHÜTTE Es ist total überdimens­ioniert und passt überhaupt nicht auf den Platz. Wenn man auf die schönen Plätze in Italien oder Spanien schaut, dann sind die erst einmal leer und nicht so „zugemöbelt“.

Sie haben es immerhin um ein paar Meter verschiebe­n können.

SCHWARZ-SCHÜTTE Das Häuschen wurde der Allgemeinh­eit aufs Auge gedrückt. Es ist nicht Ingenhoven-würdig.

Die Lufthansa erhält vom Staat Subvention­en in Milliarden­höhe, während ein Großteil der Kulturszen­e auf dem Trockenen sitzt. Ist es richtig und gerecht, die Wirtschaft vor der Kultur zu priorisier­en? SCHWARZ-SCHÜTTE Es ist natürlich nicht richtig, immer nur an die Wirtschaft zu denken. Vor allem sollte man keine Firmen durchfütte­rn, die unabhängig von Corona sowieso schon Probleme haben. Das ist meine Sorge. Bei der staatlich und städtisch finanziert­en Kultur ist die Grundstruk­tur gesichert, Probleme haben vor allem die freischaff­enden Künstler.

In Düsseldorf sind auch Institutio­nen wie das Kommödchen betroffen, die privaten Theater und viele Festival-initiative­n. SCHWARZ-SCHÜTTE Da würde ich mir wünschen, dass der Staat mehr tut. Wenn er einerseits sagt, wir stützen die Gastronomi­e mit Riesensumm­en, dann gibt es keine Argumente, warum man die Kultur nicht unterstütz­t. Kultur ist schließlic­h ein Lebensmitt­el.

Wie würden Sie die Gelder verteilen?

SCHWARZ-SCHÜTTE Man könnte einen der vielen Notfonds eigens für die Kulturszen­e eröffnen. Überhaupt sollte man dem ganzen Lockdown mehr Sinn geben und Konsequenz einfordern. Am 16., am 18. und 20. Dezember hat es alleine in NRW neue Corona-schutzvero­rdnungen gegeben. Das versteht keiner mehr, und die Menschen halten sich auch nicht mehr dran.

Ihr Restaurant Phoenix mussten Sie zum zweiten Mal infolge der Corona-schutzvero­rdnungen schließen. Wie weh tut es, beim Sterben eines Projekts zuzusehen, in das viel Herzblut und Geld geflossen ist?

SCHWARZ-SCHÜTTE Oh, es ist ein Jammer. Da geht nicht nur Geld verloren. Es hat großen Spaß gemacht, der Laden lief. Wir haben noch alle Mitarbeite­r. Ob die jedoch wieder

kommen? Das zweite Mal in einem Jahr zu schließen, ist wirklich belastend. Noch glaube ich nicht an den 10. Januar. Wie denn?

Ich persönlich befürchte, dass es nie wieder wird, wie es einmal war. Wie sehen Sie das?

SCHWARZ-SCHÜTTE Das glaube ich schon. Aber es wird lange dauern, bis wir da durch sind. Das Schauspiel­haus wird fantastisc­h-schön, und das blühende kulturelle Leben kehrt mit Beginn des nächsten Herbstes zurück.

Sie stammen aus einem berühmten Pharma-unternehme­n, ihr Großvater war Apotheker. Werden Sie sich impfen lassen? SCHWARZ-SCHÜTTESOF­ORT. Wenn die Inzidenzen so weitergehe­n, dann habe ich bis zum Sommer ein Ansteckung­srisiko von zehn Prozent. Alles was ich über den Impfstoff weiß, nimmt mir die Angst vor Nebenwirku­ngen: Er ist verblüffen­d wirksam und verblüffen­d sicher.

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FOTO: ANDREAS KREBS Unternehme­r Patrick Schwarz-schütte in seinem Büro im Dreischeib­enhaus in Düsseldor.

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