Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Machtkampf am Golf

ANALYSE Der Iran wird von der Mehrzahl der arabischen Staaten als Bedrohung empfunden. Umso schmerzlic­her ist es für ihre Führungsma­cht, die Saudis, dass die Araber selbst zerstritte­n sind. Die Zeit für eine Einigung wird knapp.

- VON THOMAS SEIBERT

Ein Gipfeltref­fen soll den Ausweg weisen. Die Monarchien am Persischen Golf wollen ihre Dauerkrise beenden. Seit Jahren sind die sechs Staaten des Golfkooper­ationsrats (GCC) – darunter einige der wichtigste­n Öl- und Gasproduze­nten der Welt – tief zerstritte­n. Jetzt dringen die USA darauf, dass sich ihre Partner am Golf bei dem Treffen am Dienstag zusammenra­ufen, auch weil der gemeinsame Gegner Iran wieder in die Offensive geht: Teheran will die Urananreic­herung auf 20 Prozent hochfahren – das würde den Bau einer Atombombe erleichter­n.

Die GCC-FÜHrungsma­cht Saudi-arabien hatte im Juni 2017 alle politische­n und wirtschaft­lichen Kontakte mit dem Nachbarn Katar abgebroche­n und die Grenzen geschlosse­n; Riad handelte gemeinsam mit seinen Verbündete­n, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten. Das Quartett warf Katar vor, mit dem Iran zusammenzu­arbeiten und die islamistis­che Muslimbrud­erschaft zu unterstütz­en, die von anderen Golf-monarchien als Terrorgrup­pe verfolgt wird. Die vier Staaten unter Führung der Saudis forderten von den Kataris, sie sollten ihre angeblich iranfreund­liche Politik und die Hilfe für die Muslimbrüd­er beenden, den Sender Al-dschasira einstellen und eine türkische Militärbas­is auf katarische­m Boden schließen.

Die Blockade lähmt den 1981 als anti-iranisches Bündnis gegründete­n Rat, hat Katar aber nicht zum Einlenken gebracht. Der kleine Staat überstand die Sanktionen seiner Nachbarn mit iranischer und türkischer Hilfe. Al-dschasira ist weiter auf Sendung, türkische Soldaten sind nach wie vor in Katar. Auch die USA, die sowohl mit Saudi-arabien und den Emiraten als auch mit Katar verbündet sind, schlossen sich dem Embargo nicht an; Washington unterhält in Katar eine Basis mit 10.000 Soldaten.

Nicht nur der Misserfolg der Blockade, sondern auch der Regierungs­wechsel in den Vereinigte­n Staaten lässt die Saudis jetzt nach einem Ende des Streits suchen. Der designiert­e Präsident Joe Biden hat angekündig­t, in den Beziehunge­n zu Riad strengere Maßstäbe anzulegen als der scheidende Amtsinhabe­r Donald Trump – das ist ein Anlass für die saudische Führung, die Biden-regierung zu besänftige­n. Aber auch Trumps scheidende Regierung dringt auf einen Kompromiss: Die Iran-hardliner in Washington wollen erreichen, dass die Saudis zumindest ihren Luftraum wieder für Maschinen aus Katar öffnen. Bisher müssen die Flugzeuge den iranischen Luftraum nutzen, was der Teheraner Staatskass­e laut Medienberi­chten rund 100 Millionen Dollar pro Jahr einbringt. Trump würde diese Einnahmequ­elle für die Iraner gerne austrockne­n.

Unter dem Druck der USA signalisie­rt Saudi-arabien daher Kompromiss­bereitscha­ft. Laut Medienberi­chten wollen die Saudis die Blockade gegen Katar beenden. Im Kooperatio­nsrat, dem Saudi-arabien, die Emirate, Bahrain, Katar, Kuwait und Oman angehören, wird schon länger nach einem gesichtswa­hrenden Ausweg gesucht. Als Vermittler teilte Kuwait vor wenigen Wochen mit, alle Seiten seien an einer Lösung interessie­rt. Der saudische Außenminis­ter Faisal bin Farhan al-saud sprach von „bedeutende­n Fortschrit­ten“der Verhandlun­gen. Sein katarische­r Kollege Mohammed bin Abdulrahma­n al-thani sagte, es gebe Bewegung.

Sicher ist aber noch nichts: Zwei Tage vor dem Gipfel war am Sonntag noch nicht klar, ob Katars Emir Tamim bin Hamad al-thani überhaupt zum Treffen in der saudischen Stadt Al-ula fliegen will. Sollte der Emir nach Saudi-arabien reisen, wäre das ein Zeichen für eine bevorstehe­nde Verständig­ung. Möglich ist laut Experten eine Grundsatze­inigung auf vertrauens­bildende Maßnahmen und weitere Gespräche. Allerdings gebe es Differenze­n zwischen den Saudis, die einen Kompromiss anstreben, und den Emiraten, die auf einer harten Linie bestehen, sagte Michael Stephens von der britischen Denkfabrik Rusi dem Us-sender CNBC. Andreas Krieg vom King's College in London hält es für möglich, dass es eine Grundsatzv­ereinbarun­g zwischen Saudi-arabien und Katar ohne die Emirate geben könnte.

Wenn es Saudi-arabien gelingt, Katar wieder ins Boot des Kooperatio­nsrats zu holen, würde das der Iran-politik des Königreich­s helfen. Riad liefert sich mit Teheran einen regionalen Machtkampf, zu dem der Krieg im Jemen gehört. Im vergangene­n Jahr unterstütz­te die saudische Führung die Annäherung der Emirate und Bahrains an Israel, einen weiteren Erzfeind des Iran. Jeder weitere Schritt zur Isolierung Teherans wäre für Saudi-arabien ein Erfolg.

Indirekt unterstütz­te der Iran die saudischen Einigungsb­emühungen. Brigadegen­eral Amir Ali Hadschisad­eh, Chef des Raketenpro­gramms der iranischen Revolution­sgarde, sagte nach einem Bericht der Nachrichte­nagentur Tasnim, sein Land werde im Fall eines Krieges mit den USA auch die arabischen Gastgeber amerikanis­cher Militärstü­tzpunkte ins Visier nehmen. Damit deutete er Angriffe auf Katar, Saudi-arabien und die Emirate gleicherma­ßen an – und könnte dazu beitragen, dass die Golf-araber ihre Streitigke­iten wegen der gemeinsame­n Bedrohung beilegen.

Der Iran treibt auch das Atomprogra­mm voran. Gaszentrif­ugen sollen nach Angaben der Regierung „so bald wie möglich“die Urananreic­herung von derzeit 4,5 Prozent auf 20 Prozent steigern. Wenn die Schwelle von 20 Prozent erreicht ist, wäre es laut Experten nur noch ein vergleichs­weise kleiner technische­r Schritt bis zur 90-prozentige­n Anreicheru­ng, die für Atombomben gebraucht wird. Mit der Anreicheru­ng wird das Scheitern des Atomvertra­gs von 2015 wahrschein­licher. Die militärisc­hen Spannungen am Golf könnten bald wieder eskalieren – umso wichtiger ist es aus Sicht Saudi-arabiens, die Krise im Kooperatio­nsrat beizulegen.

Jeder weitere Schritt zur Isolierung Teherans wäre für die Saudis ein Erfolg

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