Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Machtkampf am Golf
ANALYSE Der Iran wird von der Mehrzahl der arabischen Staaten als Bedrohung empfunden. Umso schmerzlicher ist es für ihre Führungsmacht, die Saudis, dass die Araber selbst zerstritten sind. Die Zeit für eine Einigung wird knapp.
Ein Gipfeltreffen soll den Ausweg weisen. Die Monarchien am Persischen Golf wollen ihre Dauerkrise beenden. Seit Jahren sind die sechs Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) – darunter einige der wichtigsten Öl- und Gasproduzenten der Welt – tief zerstritten. Jetzt dringen die USA darauf, dass sich ihre Partner am Golf bei dem Treffen am Dienstag zusammenraufen, auch weil der gemeinsame Gegner Iran wieder in die Offensive geht: Teheran will die Urananreicherung auf 20 Prozent hochfahren – das würde den Bau einer Atombombe erleichtern.
Die GCC-FÜHrungsmacht Saudi-arabien hatte im Juni 2017 alle politischen und wirtschaftlichen Kontakte mit dem Nachbarn Katar abgebrochen und die Grenzen geschlossen; Riad handelte gemeinsam mit seinen Verbündeten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten. Das Quartett warf Katar vor, mit dem Iran zusammenzuarbeiten und die islamistische Muslimbruderschaft zu unterstützen, die von anderen Golf-monarchien als Terrorgruppe verfolgt wird. Die vier Staaten unter Führung der Saudis forderten von den Kataris, sie sollten ihre angeblich iranfreundliche Politik und die Hilfe für die Muslimbrüder beenden, den Sender Al-dschasira einstellen und eine türkische Militärbasis auf katarischem Boden schließen.
Die Blockade lähmt den 1981 als anti-iranisches Bündnis gegründeten Rat, hat Katar aber nicht zum Einlenken gebracht. Der kleine Staat überstand die Sanktionen seiner Nachbarn mit iranischer und türkischer Hilfe. Al-dschasira ist weiter auf Sendung, türkische Soldaten sind nach wie vor in Katar. Auch die USA, die sowohl mit Saudi-arabien und den Emiraten als auch mit Katar verbündet sind, schlossen sich dem Embargo nicht an; Washington unterhält in Katar eine Basis mit 10.000 Soldaten.
Nicht nur der Misserfolg der Blockade, sondern auch der Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten lässt die Saudis jetzt nach einem Ende des Streits suchen. Der designierte Präsident Joe Biden hat angekündigt, in den Beziehungen zu Riad strengere Maßstäbe anzulegen als der scheidende Amtsinhaber Donald Trump – das ist ein Anlass für die saudische Führung, die Biden-regierung zu besänftigen. Aber auch Trumps scheidende Regierung dringt auf einen Kompromiss: Die Iran-hardliner in Washington wollen erreichen, dass die Saudis zumindest ihren Luftraum wieder für Maschinen aus Katar öffnen. Bisher müssen die Flugzeuge den iranischen Luftraum nutzen, was der Teheraner Staatskasse laut Medienberichten rund 100 Millionen Dollar pro Jahr einbringt. Trump würde diese Einnahmequelle für die Iraner gerne austrocknen.
Unter dem Druck der USA signalisiert Saudi-arabien daher Kompromissbereitschaft. Laut Medienberichten wollen die Saudis die Blockade gegen Katar beenden. Im Kooperationsrat, dem Saudi-arabien, die Emirate, Bahrain, Katar, Kuwait und Oman angehören, wird schon länger nach einem gesichtswahrenden Ausweg gesucht. Als Vermittler teilte Kuwait vor wenigen Wochen mit, alle Seiten seien an einer Lösung interessiert. Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan al-saud sprach von „bedeutenden Fortschritten“der Verhandlungen. Sein katarischer Kollege Mohammed bin Abdulrahman al-thani sagte, es gebe Bewegung.
Sicher ist aber noch nichts: Zwei Tage vor dem Gipfel war am Sonntag noch nicht klar, ob Katars Emir Tamim bin Hamad al-thani überhaupt zum Treffen in der saudischen Stadt Al-ula fliegen will. Sollte der Emir nach Saudi-arabien reisen, wäre das ein Zeichen für eine bevorstehende Verständigung. Möglich ist laut Experten eine Grundsatzeinigung auf vertrauensbildende Maßnahmen und weitere Gespräche. Allerdings gebe es Differenzen zwischen den Saudis, die einen Kompromiss anstreben, und den Emiraten, die auf einer harten Linie bestehen, sagte Michael Stephens von der britischen Denkfabrik Rusi dem Us-sender CNBC. Andreas Krieg vom King's College in London hält es für möglich, dass es eine Grundsatzvereinbarung zwischen Saudi-arabien und Katar ohne die Emirate geben könnte.
Wenn es Saudi-arabien gelingt, Katar wieder ins Boot des Kooperationsrats zu holen, würde das der Iran-politik des Königreichs helfen. Riad liefert sich mit Teheran einen regionalen Machtkampf, zu dem der Krieg im Jemen gehört. Im vergangenen Jahr unterstützte die saudische Führung die Annäherung der Emirate und Bahrains an Israel, einen weiteren Erzfeind des Iran. Jeder weitere Schritt zur Isolierung Teherans wäre für Saudi-arabien ein Erfolg.
Indirekt unterstützte der Iran die saudischen Einigungsbemühungen. Brigadegeneral Amir Ali Hadschisadeh, Chef des Raketenprogramms der iranischen Revolutionsgarde, sagte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim, sein Land werde im Fall eines Krieges mit den USA auch die arabischen Gastgeber amerikanischer Militärstützpunkte ins Visier nehmen. Damit deutete er Angriffe auf Katar, Saudi-arabien und die Emirate gleichermaßen an – und könnte dazu beitragen, dass die Golf-araber ihre Streitigkeiten wegen der gemeinsamen Bedrohung beilegen.
Der Iran treibt auch das Atomprogramm voran. Gaszentrifugen sollen nach Angaben der Regierung „so bald wie möglich“die Urananreicherung von derzeit 4,5 Prozent auf 20 Prozent steigern. Wenn die Schwelle von 20 Prozent erreicht ist, wäre es laut Experten nur noch ein vergleichsweise kleiner technischer Schritt bis zur 90-prozentigen Anreicherung, die für Atombomben gebraucht wird. Mit der Anreicherung wird das Scheitern des Atomvertrags von 2015 wahrscheinlicher. Die militärischen Spannungen am Golf könnten bald wieder eskalieren – umso wichtiger ist es aus Sicht Saudi-arabiens, die Krise im Kooperationsrat beizulegen.
Jeder weitere Schritt zur Isolierung Teherans wäre für die Saudis ein Erfolg