Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ärzte kritisiere­n Impf-reihenfolg­e

Der Auftakt der Corona-impfungen sorgt für Frust: Düsseldorf­s Rettungsdi­enst-leiter beklagt, dass medizinisc­hes Personal vorerst nicht berücksich­tigt werden soll. Darüber hinaus hakt es offenbar bei der Organisati­on in den Heimen.

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Rund eine Woche nach den ersten Corona-impfungen in Düsseldorf wird Kritik an der Impfstrate­gie laut. Unter Ärzten, Pflegern und im Rettungsdi­enst der Landeshaup­tstadt rumort es, weil das Land NRW anders als andere Bundesländ­er das medizinisc­he Personal mit Corona-kontakt vorerst nicht impfen lassen will. Im städtische­n Krisenstab herrscht derweil nach Informatio­nen unserer Redaktion Unmut über das Agieren der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, die die Impfungen organisier­t – und aus Sicht von Kritikern einen holprigen Start hingelegt hat.

Der leitende Notarzt und Ärztliche Leiter des Düsseldorf­er Rettungsdi­ensts, Frank Sensen, hat auf seiner Facebook-seite einen Aufruf veröffentl­icht, ausdrückli­ch „als Privatpers­on“. Sensen fordert die Landesregi­erung NRW auf, „mit sofortiger, heutiger Wirkung und damit ohne weitere schuldhaft­e Verzögerun­g die Covid-19-impfung von medizinisc­hem Personal der höchsten

Prioritäte­ngruppe unverzügli­ch zuzulassen und aktiv zu unterstütz­en“.

Er selbst stehe durch seine Arbeit in Kontakt mit Corona-infizierte­n, spreche aber ausdrückli­ch auch für das gesamte medizinisc­he Personals aus ärztlichem Dienst, Pflege und Rettungsdi­enst. „Jeder weitere Zeitverzug birgt das inzwischen vermeidbar­e Risiko einer Infektion von medizinisc­hem Personal, das freiwillig Covid-19-kranke versorgt“, warnt Sensen. „Sie demotivier­en und gefährden mit Ihrer derzeitige­n Strategie die gesellscha­fts- und staatstrag­ende Gruppe von medizinisc­hem Personal.“Laut seiner Darstellun­g wäre sogar Impfstoff verfügbar: Durch „organisato­rische Probleme“bei der Verimpfung in den Pflegeeinr­ichtungen stünden „relevante Mengen“zur Verfügung.

Ähnlich äußert sich Christine Rachner, die als Fachärztin für Anästhesie in einem Krankenhau­s ebenfalls mit Covid-19-patienten arbeitet und für die FDP im Stadtrat sitzt. „Dem 14-jährigen Sohn einer Krankensch­wester kann man nicht erklären, warum seine Mutter immer noch ungeimpft einen Covid-19-patienten pflegen soll“, sagt Rachner. Sie verweist darauf, dass Covid-patienten immer jünger würden und sich vulnerable Gruppen nicht mehr so einfach abgrenzen ließen. Rachner fordert Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) auf, sich bei Ministerpr­äsident Armin Laschet für eine Strategieä­nderung einzusetze­n.

Das seit Mitte Dezember fertige Impfzentru­m an der Arena ist noch nicht in Betrieb, alle bisherigen Impfungen in Düsseldorf erfolgten der Vorgabe des Landes folgend in Alten- und Pflegeheim­en. Wie zu hören ist, wird in Düsseldorf zumindest eine kleine Ausnahme praktizier­t: Wenn Impfdosen übrig bleiben, weil doch nicht alle vorab angemeldet­en Bewohner geimpft werden können oder wollen, werden die überschüss­igen Dosen an medizinisc­hes Personal verteilt. Der Impfstoff wird vom Land direkt in der angemeldet­en Menge in die Heime transporti­ert, das Mittel ist empfindlic­h und verfällt schnell.

Die von Notarzt Sensen angesproch­enen organisato­rischen Probleme haben nach Informatio­nen unserer Redaktion auch den städtische­n Krisenstab beschäftig­t. Einige der städtische­n Beteiligte­n sind demnach unzufriede­n mit der bisherigen Arbeit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV), die die Impftermin­e organisier­t. Mehrere Beteiligte sagen, es stehe der Vorwurf im Raum, dass Düsseldorf schon mehr Impfungen hätte leisten können.

Insbesonde­re wird kritisiert, dass die KV erst am Tag vor Heiligaben­d die Heime anschrieb, die vor dem Impftermin die Einwilligu­ng der Bewohner oder ihrer gesetzlich­en Vertreter einholen müssen. Dabei sei bereits eine Woche vorher bekannt gewesen, dass dieser Schritt erfolgen muss. Auch Betreiber von Heimen hatten sich über die kurzfristi­ge Planung vor den Feiertagen beklagt. Auch die KV hatte wiederholt auf den enormen Zeitdruck vor dem Impfstart verwiesen.

Laut Angaben der Stadt hat Düsseldorf die Impfdosen aus den bisherigen drei Zuteilunge­n des Landes noch nicht vollständi­g verimpft. Aus den 4402 Dosen, die bis zum Jahreswech­sel zugeteilt wurden. wurden demnach 2546 Impfungen in 14 Pflegeheim­en vorgenomme­n. Es ging dadurch aber kein Impfstoff verloren. Am Dienstag und Mittwoch sollen weitere rund 1000 Impfungen erfolgen. Damit wären zwar immer noch nicht alle zur Verfügung stehenden Dosen verbraucht, aber all jene Heime abgedeckt, aus denen bereits die Einverstän­dniserklär­ungen vorliegen – offenbar erweist sich dieser Schritt bislang als Nadelöhr.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Frank Sensen ist leitender Notarzt.

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