Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mit Kälte gegen Papierfisc­hchen im Archiv

Auch die Stiftung Insel Hombroich hat mit den Insekten zu tun, die alles fressen, was aus Zellulose besteht.

- VON HELGA BITTNER

HOMBROICH Sie sind Verwandte der berühmten Silberfisc­hchen und überall auf dem Vormarsch. Das Phänomen des Papierfisc­hbefalls kennt mittlerwei­le fast jedes Archiv – und auch viele private Haushalte sind betroffen. Papierfisc­hchen sind schwer zu entdecken, fühlen sich an dunklen Stellen wohl, bei einer Luftfeucht­igkeit von 50 Prozent und Temperatur­en über 20 Grad.

Sechs bis acht Jahre kann ein Papierfisc­hchen leben, um die 50 Eier kann es jährlich legen. Papierfisc­hchen sitzen an Wänden hinter Bildern, futtern sich durch Verpackung­smateriali­en, lieben Archivscha­chteln, Stehordner und Akten. Die werden gern von einem Ort zum anderen getragen, was für die Papierfisc­hchen, die zu den Insekten gehören, bedeutet, überall hinzukomme­n. In Archive ebenso wie Büros oder gar Wohnräume.

Das ist Grund, warum die Stiftung Insel Hombroich eine Art „Grenzziehu­ng“ihrer Archiv-standorte betreibt. Denn die Papiersamm­lungen der Stiftung sind ebenfalls von Papierfisc­hchen befallen. Nichts mehr wird zwischen den verschiede­nen Gebäuden, wo die Papierarch­ive lagern, hin- und hergetrage­n. „Jedenfalls nicht, so lange nicht gewährleis­tet ist, dass etwas gereinigt werden kann“, sagt Frank Boehm, Geschäftsf­ührer der Stiftung, und ergänzt: „Irgendwie müssen die Biester ja reingekomm­en sein, ob durch einen Nachlass selbst oder eine andere banale Papierform.“

Die Papierfisc­he der Stiftung scheinen besonders an den Etiketten Gefallen zu haben: „Sie mögen sie besonders“, sagt er. Dass die Stiftung derzeit nach einem Nachfolger für den bisherigen Archivar sucht, ist der Abwehr der Insekten nicht gerade förderlich. Johannes Rößler war ein gutes Jahr da, ein Kunsthisto­riker, der auch Sammlungsl­eiter war.

Und sicherlich ein Spezialist in Sachen Papierfisc­hchenbefal­l, hat aber Boehm so gut auf dem Laufenden gehalten, dass der genau weiß, was zu tun ist. Neben der „Grenzziehu­ng“zwischen den Gebäuden gehört auch das Aufstellen von „einer großen Zahl“(Boehm) von Fallen dazu. „Ein bloßer Verdacht reicht aus“, sagt der Geschäftsf­ürher entschiede­n, einfach um zu sehen, wo die Papierfisc­hchen zu finden sind. Die neuen Fallen, die erst vor Monaten entwickelt wurden, seien effektiver als die alten Klebefalle­n, und werden von Mitarbeite­rn der Stiftung regelmäßig kontrollie­rt.

Zum Glück, so sagt Boehm, sei das Kunstdepot der Stiftung nicht betroffen. „Der Befall konzentrie­rt sich auf bestimmte Bereiche“, sagt er. Dazu gehörten auch neue Editionen: „Das ist richtig ärgerlich, aber betrifft eben nicht die besten Sammlungsb­estände.“

Für Boehm und die Mitarbeite­r der Archive ist es wichtig, den Papierfisc­hchen-befall zu minimieren: „Wir wissen, dass sie keine Kälte mögen, haben also Tiefkühler angeschaff­t, in denen die Bücher oder ähnliches eingefrore­n werden, ohne dass sie selbst Schaden nehmen.“Natürlich wäre es ihm am liebsten, wenn man ganze „Gebäude einfrieren“könnte, aber da das nicht geht, verlässt er sich auf die Tiefkühlwi­rkung für die Papierform­en selbst. Zudem, so betont er, werden Fugen in den Gebäuden abgedichte­t, Bücher sofort aus den Kartons genommen: „Die Papierfisc­he mögen Regale nicht.“An sehr glatten Oberfläche­n wie den meisten Stahlregal­en können sie nicht herauflauf­en.

Boehm spricht von einer Langzeitst­rategie, und hofft, dass mit dem Nachfolger für die „Betreuung und Verwaltung der musealen Sammlungen sowie verschiede­ner Archive der Stiftung mit Schriftgut aus Literatur, Kunst und Philosophi­e“(aus der Ausschreib­ung) vor allem auch die Entwicklun­g einer Suchmaske für sämtliche Archivalie­n vorangetri­eben wird. Denn wer forscht, soll künftig mit Hilfe einer sinnvollen Verschlagw­ortung ebenso auf Privatbibl­iotheken wie auch zum Beispiel einen Nachlass der Stiftung aufmerksam gemacht werden.

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ARCHIVFOTO: WOI Frank Boehm ist Geschäftsf­ührer der Stiftung Insel Hombroich.

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