Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Trump hätte einen Mottowagen verdient
Der Rosenmontagszug ist wegen der Pandemie abgesagt, aber Jacques Tilly kann es natürlich nicht lassen: Er denkt zumindest darüber nach, was er für Mottowagen gebaut hätte.
BILK Am 15. Februar ist Rosenmontag, das ist in vier Wochen. Und was ist um diese Zeit los? Da wird normalerweise für den großen Umzug der Narren alles gegeben. Einige Gesellschaftswagen sind in der Bilker Wagenbauhalle noch in Arbeit, vor allem aber geht es an die Spitzenfahrzeuge der Jecken: die Mottowagen, hochpolitisch und mittlerweile auf der ganzen Welt beachtet. Jacques Tilly brütet über seinem Skizzenblock und bringt eine analytische Frechheit nach der anderen aufs Papier. Treffen sollen die Mottwowagen aus Düsseldorf, und zwar sowohl die Sache als auch politische Machthaber, die für besondere Ereignisse, Untaten aller Art und Lügen verantwortlich sind.
Normalerweise ist das so. Aber normalerweise ist auch nicht Corona und das heißt: Der Rosenmontagszug fällt 2021 aus. Tilly konnte es kaum verknusen, als sich die Entscheidung zum Verzicht abzeichnete, und er hoffte lange, dass es irgendeine abgespeckte Lösung gibt. Aber während der Narr voriges Jahr auf einem der Mottowagen dem blöden Virus noch eine lange Nase zeigte, ist dieses Jahr Schluss mit lustig. „Das war beim letzten Zoch schon ein bisschen anmaßend“, sagt Tilly, „hätte es eine Woche vor Rosenmontag einen größeren Corona-ausbruch gegeben, wären wir nicht gefahren.“
Und wenn es doch einen Zug gäbe am 15. Februar? Tilly sinniert darüber, was er zeichnen würde. Das Coronavirus wäre dabei, die Mutation als Hase und die Spritze als Igel, der immer schon da ist, die Sache muss ja jetzt gut ausgehen. Die Verschwörungstheoretiker kämen zu Ehren, vermutlich zögen große Alu-hüte im Zoch mit, für Tilly ist die Irrationalität kaum zu fassen. „Schon Tucholsky hat beklagt, dass die Satire von der Realität überholt wird. Da sind wir wieder angelangt.“Die existenzielle Not der Künstler und Gastronomen gehören für Tilly ebenso in den Zug, auch wenn den Betroffenen das Lachen schwer fallen beziehungsweise es bitter werden dürfte.
Natürlich wäre Donald Trump fällig, wieder einmal, den scheidenden Us-präsidenten hat sich Tilly in Serie vorgenommen. Noch vor dessen Wahl mit der Aufschrift „Make Fascism great again“auf der gelben Tolle. International Karriere machte auch die Vergewaltigung der Freiheitsstatue Miss Liberty durch Trump. Dass nun nach der Anstiftungsrede Trumps das Kapitol gestürmt wurde, hat Tilly schockiert wie den Rest der Welt – überrascht hat ihn aber eher, „dass das wichtigste Haus der Demokratie in den USA nicht besser geschützt war“.
Tilly zeichnet Trump für unsere Redaktion im Cäsarenwahn, der einst wie Nero die Hauptstadt in Brand steckt – und sich selbst. Der Skandal habe aber auch sein Gutes, jeder habe nun noch einmal deutlich gesehen, wes Geistes Kind der Präsident sei: ein Feind Amerikas und der Demokratie, bei dem keine Appeasement-politik möglich sei.
Tilly hat 2016 den Sieg Trumps vorhergesagt und nun den Joe Bidens. Der Wagenbaumeister glaubt, dass es rund um die Amtsübergabe und danach zu Gewaltausbrüchen kommen wird und Biden nur eine Atempause erhält. Er werde einen ständig stänkernden und populistisch polemisierenden Trump im Nacken haben, der eine Sturmtruppe mit 100.000 Gewaltbereiten aufhetzen könne. Donald Trump ist für Tilly ein Faschist.
Amerika hat neben Corona die Schlagzeilen bestimmt, aber natürlich gibt es mehr, was sich aufzuspießen lohnt, denn es fahren ja wie sonst auch bis zu zwölf Mottowagen durch den imaginären Rosenmontagszug 2021. Der nun vollzogene Brexit ist für den 57-Jährigen der Weg in die Armut eines Volkes, die Bürger von Klein-britannien (ohne Schottland, das lieber zur Europäischen Union gehören würde) hat der Kreative in Lumpen vor Augen. Die immer weiter aufstrebende Weltmacht China dürfte sich der närrischen Aufmerksamkeit gewiss sein, als kriegerische wie wirtschaftliche Supermacht, die unter anderem auf der neuen Seidenstraße ihre Macht ausdehnt.
Russlands Präsident Wladimir Putin ist für Tilly berechenbarer als Donald Trump. Er glaubt zwar auch nicht, dass er die Geheimdienste auf den Kreml-kritiker Nawalny gehetzt hat. Weil ein Mottowagen aber in Sekundenschnelle am Straßenrand verstanden werden muss, stellt Tilly den Staatspräsidenten als Giftmischer in ein Labor des Geheimdienstes.
Und Deutschland? Der neue „König der CDU“wäre gesetzt, die Missbrauchsfälle in der Kirche sind ein wiederholtes Thema von Jacques Tilly und selbstredend wäre auch der Ausgang der Kommunalwahl ein Motiv wert – wenn es denn einen Rosenmontagszug gäbe.