Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Schüler erkunden Gedenkstät­te virtuell

Ein Pilotproje­kt ermöglicht Klassen die Besichtigu­ng der Ausstellun­g an der Mühlenstra­ße per digitalem Rundgang.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

ALTSTADT Das Leben von Nora Schüler war geprägt von der Flucht und Vertreibun­g aus der Heimat, die sie in ihrer Jugend durchlebt hatte. 1934 musste die gebürtige Düsseldorf­erin ihrer jüdischen Wurzeln wegen vor den Nationalso­zialisten fliehen, ehe sie über Bagdad und den Libanon schließlic­h in Palästina eine neue Heimat finden konnte.

Es ist eine Geschichte, welche die Klasse 6c des St.-ursula-gymnasiums berührt. Das wird bei der Besprechun­g des digitalen Schaubilds deutlich, das die Schüler über das Leben der Verfolgten erstellt haben. Zu sehen sind auf der sogenannte­n „Biografie-insel” Koffer und ein Reisepass, die für Schülers lange Reise stehen. Auch das Gruppenbil­d mit Stethoskop zum Abschluss ihrer Krankensch­wester-ausbildung in Beirut ist ein Ereignis, welches den Kindern aus dem Leben Schülers in Erinnerung geblieben ist.

Das Material dazu steuerte Anna Schlieck von der Mahn- und Gedenkstät­te bei, die Nora Schüler einen Teil der Ausstellun­g widmet. Gemeinsam ziehen sie anschließe­nd Parallelen und Unterschie­de zu Judith Kerr's Buch „Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl”, welches gerade im Deutsch-unterricht bei Lehrerin Birgit Brinkmann gelesen wird. „Noras Familie wurde aber nicht so berühmt wie die von Judith Kerr, deren Vater ja ein bekennende­r, öffentlich­er Gegner der Nazis war”, erklärt Anton.

Der berühmte Kinderroma­n ist auch die Grundlage, warum die Kinder sich überhaupt mit der Geschichte von Nora Schüler beschäftig­en sollen. Denn für gewöhnlich sind geschichtl­iche Inhalte aus der Zeit des Nationalso­zialismus noch eher kein Teil der Lehrpläne für Unterstufe­n. Doch seit einigen Wochen bietet die Mahn- und Gedenkstät­te unter Obhut von Schulverwa­ltungsamt und Kulturdeze­rnat ein Pilotproje­kt an, welches die Bildungsve­rmittlung der Gedenkstät­te auch im Lockdown ermöglicht. Grundlage dafür war die Digitalisi­erung der Ausstellun­g, die von einer Medienagen­tur im Auftrag der Stadt bereits im ersten Lockdown 2020 zu einem virtuellen Rundgang umgesetzt wurde.

Während Schulen damit Ausflüge zu einer Bildungsst­ätte zumindest digital realisiere­n können, kann auch Bildungsre­ferentin Anna Schlieck ihre Arbeit auf gewohnter Basis fortführen – unter anderem mit der Vermittlun­g von Fluchtund Verfolgung­sgeschicht­en von Düsseldorf­er Kindern und Jugendlich­en während der Ns-zeit.

Mehrere Klassen haben sich für die kommenden Wochen bereits angemeldet, dabei passt sich die Thematik der Workshops an die jeweilige Stufe an. Für die Schüler selbst bedeuteten die Workshops eine spannende Veränderun­g im Alltag des Wechsel- und Distanzunt­errichts. „Es war schön, dass wir als Gruppe endlich wieder zusammenar­beiten konnten”, betont Isabell den Charakter der virtuellen Gruppenarb­eit. Ihre Klassenkam­eraden hingegen hoben vor allem den Ausflug als Erlebnis hervor, und sei es auch nur in digitaler Form. „Spannend, wie man dort durch die Räume laufen konnte, um die ganzen Ausstellun­gsstücke zu sehen“, sagt Moritz. Für viele Schüler stand zum Abschluss fest, dass sie die Ausstellun­g später gerne noch einmal besuchen möchten. So nutzten manche sogar den Heimweg vom nahe gelegenen St.-ursula-gymnasium, um die Gedenkstät­te zumindest einmal von außen in der Realität gesehen zu haben.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Schüler des St. Ursula-gymnasiums mit Lehrerin Birgit Brinkmann vor der Mahn- und Gedenkstät­te

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