Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Zwischen Sandkasten und Beach-training
Kira Walkenhorst kann endlich wieder schmerzfrei spielen – ihr Comeback läuft in der Corona-krise aber nicht wie geplant. Weil die Kitas geschlossen haben, muss das Beachvolleyball-training für die dreifache Mutter oft ausfallen.
DÜSSELDORF Schulter, Rippe, Hüfte, Knie – irgendwann ging es für Kira Walkenhorst so nicht weiter. Zehn Operationen brachten keine Verbesserung. Die Beschwerden blieben. Anfang 2019 erklärte sie ihren Rücktritt aus dem Leistungssport. Damals hatte die zweifache Europameisterin und dreifache Deutsche Meisterin nicht gedacht, dass sie sich jemals wieder schmerzfrei im Sand bewegen könnte.
Dabei war ihre Karriere so vielversprechend, bevor ihr eigener Körper sie ausbremste. 2016 hatte die Beachvolleyballerin mit ihrer damaligen Partnerin Laura Ludwig in Rio de Janeiro Sportgeschichte geschrieben, als sie als erstes europäisches Frauenteam Olympisches Gold in ihrer Sportart gewannen. Die beiden wurden zweimal „Mannschaft des Jahres“und „Sportlegenden des Jahrzehnts“. Wie es war, ohne körperliche Beschwerden ihrem Sport nachzugehen, wusste die 30-jährige Hamburgerin dabei gar nicht. Fast jede Bewegung verursachte ihr Schmerzen, auch im Alltag hatte sie zu kämpfen.
Der Rücktritt war ein schwerer Schritt – der zunächst nicht einmal positive Folgen hatte. „Ich habe gedacht, ich gönne meinem Körper ein bisschen Ruhe, dann wird es besser. Wurde es aber nicht“, sagt Walkenhorst. „Ich hatte auch keine Lust mehr auf Arztbesuche oder Physiostunden.“Auf Drängen ihres Managements suchte sie dann doch einen Heilpraktiker auf. Es folgte: Erleichterung. Gleich in der ersten Sitzung habe der Alternativmediziner mehrere Ursachen für das Leiden der Olympiasiegerin gefunden. Nach und nach wurden die Schmerzen weniger. Und der Wunsch, wieder zu spielen, gleichzeitig größer. Er nahm Konturen an.
Dann stand es fest. Ein Comeback mit Melanie Gernert. Das erste Trainingslager stand an – doch bevor es überhaupt losgehen konnte, kam mit der Corona-krise die Zwangspause. Also erstmal kein Comeback.
„Als Corona kam, war es tatsächlich so, dass ich ganz lange gar nichts machen konnte“, sagt Walkenhorst, die nicht nur dreifache Deutsche Meisterin, sondern auch dreifache Mutter ist – ihre Kinder alle im selben Alter, zweieinhalb. Drillinge. Weil die Kitas geschlossen waren und man die Hilfe von den Großeltern nicht annehmen wollte, blieb kaum noch Zeit. Doch die Familie geht für Kira Walkenhorst vor, schließlich musste sie auch dafür lange kämpfen.
„Als meine Frau und ich uns entschieden haben, dass wir eine Familie gründen wollen, hatten wir in Deutschland keine Möglichkeit, schwanger zu werden,“sagt Walkenhorst. „Deshalb haben wir es erst in Dänemark versucht, leider ohne Erfolg.“Mit der Hochzeit war eine Samenspende dann auch bei einigen Kliniken hierzulande möglich. „Und da hat es dann tatsächlich auch sehr schnell geklappt“, sagt Walkenhorst.
An den Moment, in dem es hieß, es seien Drillinge, mit denen Ehefrau Maria schwanger war, kann sich die Beachvolleyballerin sehr gut erinnern. „Bei mir hat die Freude überwogen, dass es endlich geklappt hat und wir Nachwuchs bekommen. Bei Maria war es eher die Angst vor der Schwangerschaft.“Dass sie mit den Dreien zurecht kommen würden, wenn sie erst einmal da wären, war beiden klar.
Es folgte viel Papierkram, der mit noch mehr Bürokratie verbunden war. Im Vorfeld musste Walkenhorst als nicht austragende Mutter unterschreiben, dass sie alle Pflichten annimmt.„aber Rechte hatte ich erstmal keine“, erzählt sie. Erst rund ein Jahr nach deren Geburt waren die Kinder offiziell adoptiert. „Es gibt Optimierungsbedarf“, zieht Walkenhorst ein nüchternes Fazit. „Da ist noch Luft nach oben für ein gleichberechtigtes Deutschland.“
Zurück zum Sport ging es dann erstmal nicht. Als es hieß, es würde doch einige wenige Turniere geben, sagte Walkenhorst Gernert für die Saison ab. Die Kitas hatten ja immer noch zu. Doch: „Ich weiß noch, kaum, dass ich es ausgesprochen hatte, kam die Nachricht: Die Kitas öffnen doch“, erzählt Walkenhorst.
Dann wurde es auf einmal recht hektisch. Die Beachvolleyballerin wollte es versuchen. Sie hatte keine Partnerin mehr. Sie fand eine neue. Anna-lena Grüne, eine ausgezeichnete Nachwuchsathletin. „Nach nur drei Wochen haben wir tatsächlich unser erstes Turnier gemeinsam – und mein erstes Turnier überhaupt nach sehr, sehr langer Zeit – spielen können“, sagt Walkenhorst.
Verlernt hatte sie das Spielen nach knapp zweijähriger Pause jedenfalls nicht. Fehlende Fitness machte sie mit Technik wett. Bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt lösten Walkenhorst und Grüne auf Anhieb das Ticket für die Deutschen Meisterschaften, damit hatte sie nicht gerechnet. „Es ist ein unglaublicher Mehrwert für mich, ohne Schmerzen spielen zu können“, sagt Walkenhorst. „Alles geben zu können und der Körper macht mit.“Sogar ihre langjährige Partnerin Ludwig konnte sie in einem Turnier schlagen. Bei den Deutschen Meisterschaften wurde sie mit Grüne fünfte. Kurz darauf nahm der vielversprechende Start nach der Blitz-vorbereitung ein jähes Ende. Es kam der zweite Lockdown.
Walkenhorsts Zeit nehmen nun die drei Kinder wieder voll in Anspruch. „Der Alltag mit den Kids ist anstrengend, aber auch sehr schön“, so die dreifache Mutter. Es würde gespielt, gestritten, gestritten und gespielt. Zwischendurch folgten Ausflüge in die Natur – und eine kleine, wohlverdiente Pause am Tag, wenn die Kinder ihren Mittagsschlaf machten. „Die genießen wir immer sehr“, verrät Walkenhorst lachend.
Wie es jetzt sportlich weitergeht, kann sie nicht sagen. „Im Moment lasse ich alles ein bisschen auf mich zukommen. Es gibt offene Anfragen, aber derzeit kann ich einfach niemandem etwas versprechen, weil ich einfach nicht trainieren kann“, sagt sie.