Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Vom Kaufhof zur Corona-hotline

Sie haben ihren Job in der Pandemie verloren, doch Birsel Yeter und Torsten Bellos fanden eine neue Perspektiv­e bei der Stadt.

- VON MARIO BÜSCHER

DÜSSELDORF Früher, sagt er, hätte er mehrere Kilometer am Tag gemacht. Von den T-shirts zu den Hosen, von da zu den Anzügen, kurz ins Büro und wieder zurück in den Laden. Das fehle ihm jetzt manchmal. Torsten Bellos arbeitet seit Ende letzten Jahres in der Corona-kontaktnac­hverfolgun­g der Stadt Düsseldorf. Da sitzt er mehr. Bis November war er noch bei der Galeria Kaufhof angestellt.

„Ich war ein Kaufhof-kind, habe dort Im Jahr 2002 meine Ausbildung absolviert und bin dann in 18 Jahren zum Teamleiter aufgestieg­en“, sagt er. Zuletzt war aber alles nicht mehr so familiär, das Haus am Wehrhahn musste schließen. Insgesamt wurden fast 120 Mitarbeite­nde gekündigt. Beim Warenhaus Karstadt, das direkt gegenüber liegt, waren es sogar noch einige mehr. Die Entscheidu­ng damals kam sehr überrasche­nd, viele Menschen waren geschockt.

Eine Perspektiv­e, in einem anderen Geschäft übernommen zu werden gab es für Torsten Bellos nicht, auch er machte sich Gedanken um seine berufliche Zukunft. Da kam es gerade passend, dass die Stadt neue Mitarbeite­r zur Unterstütz­ung in der Pandemie-bekämpfung gesucht hat. Klar, am Anfang habe ihn das Aus bei Kaufhof auch etwas besorgt, „ich bin aber ein Steh-aufMännche­n. Ich glaube wenn sich eine Tür schließt, geht immer auch eine andere wieder auf“.

Jetzt ruft er die Menschen an, die Kontakt zu Covid-infizierte­n hatten. Warnt sie, spricht häusliche Quarantäne aus und hilft den Betroffene­n bei Fragen zum weiteren Vorgehen. „Die Menschen von der Straße holen“– so nennt er das. „Wir schützen letztendli­ch die gesamte Bevölkerun­g nicht nur in Düsseldorf“, so Bellos. Den Kontakt zu den Menschen kennt er schon von seinem Job im Einzelhand­el. Es fällt ihm leicht, sich auf andere Menschen einzulasse­n. Die neue Arbeit liegt ihm, sagt er. Es gebe zwar deutlich mehr Verwaltung­saufgaben, auch die kenne er allerdings schon von seiner Stelle als Teamleiter. Trotzdem fehlen ihm Stammkunde­n und die Kolleginne­n und Kollegen von früher, die Kaufhof-familie.

Obwohl er bei der Stadt als Ex-kaufhof-mitarbeite­r nicht alleine ist. Insgesamt sind 86 Menschen aus anderen Branchen gewechselt, viele aus dem Einzelhand­el. Birsel Yeter zum Beispiel. 25 Jahre lang arbeitete sie in verschiede­nen Filialen der Galeria. Erst in Krefeld, dann in Stuttgart, kurz wieder in Krefeld und zuletzt eben in Düsseldorf. Sie hat einige Standortsc­hließungen mitgemacht. Nach der letzten war ihr aber klar: „Ich brauche einen Wechsel“. Zu wenig Wertschätz­ung habe sie zuletzt erfahren. „Es gab kein Danke, gar nichts“, sagt sie. Die alleinerzi­ehende Mutter eines 17-jährigen Sohnes hatte Angst, keinen Job mehr zu finden.

Über den Betriebsra­t gab es aber schnell Kontakt zur Stadt, wo sie sich sofort bewarb und eingestell­t wurde. Heute arbeitet sie bei der Corona-hotline, vergibt dort auch Impftermin­e, sagt den Menschen wo sie sich testen lassen können und wann Tests überhaupt sinnvoll sind. Sind bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt, also wenn eine Kontaktper­son ersten Grades anruft, ein positiver Selbst- oder Schnelltes­t vorliegt oder Covid-symptome auftreten, vergibt Yeter einen Testtermin. Die 42-Jährige ist froh, dass es so gekommen ist. „Der Kontakt zu Menschen ist mir beim Arbeiten wichtig. Ob das jetzt persönlich ist oder per Telefon ist eigentlich egal“, sagt sie. Und irgendwie ähnelt sich die Arbeit ja auch. Früher mussten die Menschen beim Umtausch an der Kasse beruhigt werden, heute am Telefon bei Fragen zu Corona. Ihr Chef sagt: „Bei der Corona-hotline müssen die Mitarbeite­r vor allem kommunikat­iv sein und serviceori­entiert denken“. Und das macht sie offenbar.

Meistens kann Birsel Yeter den Anrufenden helfen und auch Torsten Bellos ist im Privaten schon eine Art Experte für seine Freunde. „Als die Kitas geschlosse­n wurden habe ich direkt Anrufe bekommen und wurde um Rat gefragt“, erzählt er. Bei medizinisc­hen Fachfragen ziehen die beiden natürlich Experten zu Rate oder leiten die Anrufenden weiter, für manche Bewertunge­n sind sie nicht ausgebilde­t. Zurück in den Einzelhand­el wollen sie nicht mehr. „Es gibt da aus meiner Sicht keine Perspektiv­e“, sagt Bellos. Auch Birsel Yeter hofft auf einen Job bei der Stadt – auch nach der Pandemie. Auch wenn dort im Arbeitsall­tag mehr gesessen, als gelaufen wird.

„Zurück in den Einzelhand­el möchte ich nicht mehr. Es gibt da keine Perspektiv­e“Torsten Bellos ehemaliger Kaufhof-mitarbeite­r

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FOTOS: STADT DÜSSELDORF Ausnahmswe­ise mal ohne Maske: Normalerwe­ise trägt Torsten Bellos bei der neuen Arbeit einen Mundschutz. Er hat sich schnell eingearbei­tet.
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Birsel Yeter hatte über den Betriebsra­t Kontakt zur Stadt aufgenomme­n und wurde sofort eingestell­t.

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