Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Jetzt aber die Schönheit

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Wir werden in ein paar Monaten einander wahrschein­lich viel verzeihen müssen, sagt Jens Spahn. Recht hat er. Am Ende der Pandemie (auch schon früher) werden Verantwort­liche in Wirtschaft, Gesellscha­ft und Politik Fragen beantworte­n. Bei allem Respekt vor der Größe der Aufgabe darf und muss nach Verantwort­ung, nach Gelingen und Versagen gefragt werden. Am Ende – mir geht jetzt langsam die Puste aus.

Meine persönlich­e Stimmung beschreibe ich als gereizt, auch fahrig. Schon länger zehrt die Distanz, die sich im Lockdown aufgebaut hat, an meinen Nerven und nicht nur die. Damit weiß ich mich nicht allein. Die Rückschläg­e beim Impfen und bei der Einführung der Selbsttest­s haben die allgemeine Stimmung weiter sinken lassen. Missmut, Trauer, Ratlosigke­it. Es fühlt sich für viele an, als gäbe es kein Ende.

Ich gestehe, um der Nachrichte­nflut und den widersprec­henden Meldungen zu entgehen, habe ich den Konsum sozialer Medien und Presse deutlich eingeschrä­nkt. Die Fülle der Informatio­nen und der Lärm des medialen Rauschens tragen nicht zur Stärkung meiner Widerstand­sfähigkeit bei, die es aber gilt, zu erhalten.

Als ich in Seelsorge ausgebilde­t wurde, galt der Satz: Ein gutes Seelsorgeg­espräch rührt zu Tränen. Derzeit gibt es in diesem Sinne viele und gute Gespräche. Und schon damals fand ich den Satz als Regel überzogen. In der Begleitung von Menschen mit chronische­n Erkrankung­en kommt er an sein Ende. Die Pandemie ist nicht allein eine akute Infektions­erkrankung, sie ist wahrhaftig eine Langzeiter­krankung für unser Nervenkost­üm.

In der Seelsorge hat der Blick auf das Gelingende und Stärkende Heimat gefunden. Ich freue mich an der Schönheit des Frühlings und bin froh über jeden Sonnentag, der unsere Stadt in freundlich­es Licht taucht. Schönheit versöhnt – das ist wahrschein­lich zu groß gesprochen. Immerhin ist sie mir ein Riss in der Tristesse, die sich ausgebreit­et hat. Dafür bin ich dankbar.

Und wie sehen Sie das? Bleiben Sie Gott befohlen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Superinten­dent Heinrich Fucks

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