Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Rassismus-debatte zieht größere Kreise
Wegen der Vorwürfe am Schauspielhaus wollen 22 schwarze Theatermacher ihre Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Bühne ruhen lassen.
Die Rassismus-debatte im Düsseldorfer Schauspielhaus zieht größere Kreise: Nachdem der Schauspieler Ron Iyamu berichtet hatte, dass er bei Proben rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei, hat die Diskussion eine Dynamik angenommen, die jetzt über das Schauspielhaus der Landeshauptstadt hinausweist.
Es begann mit einem offenen Brief von 22 schwarzen Theatermachern, die nicht nur Stadt und Land zur Aufklärung der Vorkommnisse aufforderten, sondern auch ihre Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Theater erst einmal infrage stellten. So gehören die Unterzeichner den Ensembles des Stücks „Afrokultur“sowie der Veranstaltung „M(a)y Sister“an. In Koproduktion mit den Ruhrfestspielen sollte beides im kommenden Monat auch in Düsseldorf gezeigt werden.
Dazu wird es voraussichtlich aber nicht kommen, da sich die 22 Unterzeichner außerstande sehen, an einem Arbeitsplatz weiterzuarbeiten, „wo wir durch institutionalisiertes Fehlverhalten und die Verschleierung rassistischer Strukturen retraumatisiert werden“. Ihre Forderung lautet: eine „vom Schauspielhaus unabhängige, selbstorganisierte freie Bühne als aktive Möglichkeit, uns dem institutionellen Rassismus zu entziehen“.
Das hat Bernd Stegemann, Dramaturg am Berliner Ensemble und Professor für Theatergeschichte, auf den Plan gerufen. In einem Gastbeitrag für die „FAZ“stellt er die Dialogbereitschaft des Hauses heraus, die er bei den 22 Briefunterzeichnern indes vermisst. Denn diese, so Stegemann, scheinen „sich von einem feindseligen Konflikt mit der Mehrheitsgesellschaft mehr Nutzen zu erhoffen als vom Dialog“. Die Dynamik, mit der sich die Rassismusvorwürfe gegenüber dem Düsseldorfer Haus entwickelt hätten, sind für ihn exemplarisch: „Wollen die Beteiligten die gesellschaftlichen Gräben vertiefen, weil sie sich davon Vorteile versprechen? Oder ist ihr Glaube an das Theater noch so stark, dass sie es schaffen, die Konflikte unserer Gegenwart auf die Bühne zu heben?“Stegemann verweist aber auch auf den besonderen Ort und das Verständnis von Theater: Während in den alltäglichen Betriebsabläufen „ein respektvoller Umgang normal sein sollte“, müsse es größere Freiräume bei Proben geben. „Macht man die korrekte Umgangsweise des Alltags zur Regel der
Kunst und will sie auch im Probenraum einklagen, so ist es nicht mehr weit, bis aus der Theaterprobe ein Verwaltungsvorgang geworden ist“, schreibt der Dramaturg.
Und er geht ausführlich auf Ron Iyamu ein. Nach Augenschein eines Bewerbungsvideos beschreibt Stegemann den Schauspieler mit deutsch-nigerianischen Wurzeln als „einen unsicheren jungen Mann“, der im schauspielerischen Ausdruck blockiert sei. Diese Beurteilung nennt Stegemann dann den eigentlichen und „tabuisierten Kern des Rassismusvorfalls“: Der Schauspieler habe sich von der distanzierten Haltung nicht befreien können und sich stattdessen „öfter in den Selbstschutz der empörten Kränkung begeben“, so Stegemann.
Der Gastbeitrag hat heftige Reaktionen hervorgerufen. Vor allem einen weiteren offenen Brief, den inzwischen 1400 Kulturschaffende unterschrieben haben, unter ihnen auch mehrere Mitglieder des Düsseldorfer Ensembles. Die Initiatoren kritisieren die Anmaßung, mit der über Ron Iyamu geurteilt wird, zumal dies ihrer Meinung nach mit der Debatte nichts zu tun hat. Und es sei nicht hinzunehmen, dass dadurch rassistische Stereotype wiederholt würden.
Das Problem aber sei nicht der Schauspieler, der sich beschwert. „Das Problem ist ein gefährlicher struktureller Rassismus, der in den verlausten Ecken unserer Gesellschaft haust und darauf wartet, sich auszubreiten, der Besitz von unserer Sprache ergreift und in die uns wertvollen Bereiche der Gesellschaft, wie das Theater vorzudringen droht“, heißt im offenen Brief.
Einer der Mitunterzeichner ist Thomas Schmidt, Professor für Theatermanagement, der im Gespräch mit unserer Redaktion die
Forderung nach einer unabhängigen und selbstorganisierten freien Bühne betont. Düsseldorf hat dafür nach seinen Worten die Ressourcen. „Man würde also eine Compagnie mit 22 Theaterleuten haben, und die würden zusätzlich zum Düsseldorfer Haus ein diverses Programm machen, das mit Sicherheit neue Publikumsgruppen anziehen würde. Für viele Menschen wäre das ein Fest, einen solchen Theaterort zu etablieren! Ein diverses Theater wäre ein Vorzeigemodell, in dem ganz neue Diskurse geführt würden.“
Für Kulturinstitutionen, so Schmidt, sei dies gerade eine fragile, aber auch wichtige Zeit für kritische Diskurse. „Wir können aber nicht die Theaterdiskurse verändern, ohne die Theaterstruktur zu verändern. Am Düsseldorfer Theater, so scheint es, werden mit den Debatten wieder Schritte in die Zukunft getan.