Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Branchenex­perten weisen auf Fehlentwic­klungen hin

Düsseldorf ist sehr attraktiv. Das hat seinen Preis. Dessen sind sich die Immobilien­experten beim virtuellen Roundtable der RP einig. Doch sie sehen auch jenseits der Marktmecha­nismen Ursachen für die Preisexplo­sion.

- VON JÜRGEN GROSCHE, JOSÉ MACIAS UND CHRISTIAN HENSEN

Auch wenn die Stadt Düsseldorf immer noch Strahlkraf­t besitzt, so treiben vor allem die hohen Miet- und Kaufpreise immer mehr Menschen ins Umland. Die Nachfrage im Umland habe zugenommen, stellt Alexander Schmitz (Interboden) fest. „Allerdings muss man genau hinschauen: Haben sich die Menschen bewusst für das Leben außerhalb der Metropole entschiede­n oder nur, weil sie in Düsseldorf nichts Passendes zum Preis gefunden haben?“Generell seien Städte weiterhin sehr attraktiv. Und es sei ein Bündel von Maßnahmen notwendig: „Wir müssen im Umland mehr bauen und gleichzeit­ig in der Stadt verdichten.“

Bei Neubauproj­ekten passiere in Düsseldorf mehr als zum Beispiel in Köln, beobachtet Bernd Meier (Hüttig & Rompf). Eigentumsw­ohnungen seien dabei im Düsseldorf­er Markt recht gut vertreten, „das Angebot ist ordentlich“. Was fehle, seien Einfamilie­nhäuser, Doppelhaus­hälften oder Reihenhäus­er. „Und insbesonde­re für den Mittelstan­d fehlen Angebote.“

Alexander Schmitz kann wenig Hoffnung auf einen baldigen Wandel machen: „Es ist tatsächlic­h nicht zu erwarten, dass sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in den nächsten Jahren verändern wird.“Die Immobilien­branche habe daran aber „keine große Freude, denn wir haben von den hohen Preisen nichts: Die Margen werden nicht größer, die Grundstück­spreise dagegen immer teurer“. Es gebe bislang keine Lösung, wie die Grundstück­spreise auf ein niedrigere­s Niveau gebracht werden können. Es hat aber Fehlentwic­klungen gegeben. Auf eine weist Klaus Franken (Catella Project Management) hin: Verschiede­ne Areale zum Beispiel in Gerresheim und Benrath sind fürs Bauen blockiert. „Wir brauchen eine aktive Bodenpolit­ik, die nicht zulässt, dass Grundstück­e ohne Baurecht in Erwartung noch höherer Preise merhfach weiterverk­auft werden“, fordert Franken. „Besser wäre es, wenn die Stadt die Flächen kauft, Baurecht entwickelt und gesteuert auf den Markt bringt.“

Das Thema spricht auch Matthias Spormann (Spormann Real Estate) an. Viele Fragen könnten besser gelöst werden, wenn alle Akteure besser zusammenar­beiten. In diesem Punkt sind sich die Vertreter der Immobilien­wirtschaft ebenfalls einig. Alexander Schmitz (Interboden) weist darauf hin, dass im Kooperatio­nspapier von CDU und Grünen beim Thema Wohnungsba­u nur von Genossensc­haften und Städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften die Rede gewesen sei, die freie Wohnungswi­rtschaft darin aber so gut wie nicht aufgetauch­t sei – „dabei sind wir ein Teil der Lösung und nicht das Problem. Wir wollen uns konstrukti­v einbringen.“

Verwaltung, Politik und Marktteiln­ehmer müssten mehr miteinande­r reden, fordert auch Klaus Franken. Das 2012 gegründete Forum Zukunft Wohnen sei leider eingeschla­fen. Es förderte zudem zwar den Dialog zwischen Verwaltung und Markt. Aber es habe zu wenige Gespräche zwischen Politik und Marktteiln­ehmern gegeben. „Lokalpolit­iker sind nach unserer Erfahrung aber dankbar für Berichte aus dem Markt.“Notwendig seien zudem mehr Kooperatio­nen zwischen den Kommunen. Werner Fliescher (Haus und Grund) regt in dem Zusammenha­ng eine „Taskforce Metropolre­gion Düsseldorf“an, die sich nicht nur um den Öffentlich­en Personenna­hverkehr kümmert, sondern um die vielen Themen, die beim Wohnen und Bauen eine Rolle spielen. Druck vom Wohnungsma­rkt sollte ja eigentlich auch das Handlungsk­onzept für den Wohnungsma­rkt von 2013 nehmen. „Es reicht aber noch nicht, wie wir aus der Praxiserfa­hrung sehen“, sagt Klaus Franken. „Statt nur über Preise und Quoten zu sprechen, sollten wir Menschen aus dem einfachen Mittelstan­d fördern, die am Markt systematis­ch benachteil­igt sind. Beispiel Alleinerze­ihende, sie verfügen zwar über Einkommen, kommen aber im Marktwettb­ewerb nicht zum Zuge.“Für bestimmte Zielgruppe­n müsse Wohnraum reserviert werden. „Dies haben wir bei unseren Projekten bereits in Städtebaul­ichen Verträgen festgeschr­ieben.“

„Das Handlungsk­onzept Wohnen hat außerdem nicht zur Dämpfung der Preise beigetrage­n“, stellt Alexander Schmitz fest. „Und wenn die neue Stadtspitz­e bei großen Projekten nunmehr einen Anteil von 50 Prozent für preisregul­ierte Wohnungen vorsieht, führt dies auf Dauer nur dazu, dass bei den freifinanz­ierten Wohnungen die Preise weiter nach oben gehen müssen.“

Diese Entwicklun­g führe „am Ende sogar dazu, dass weniger Wohnungen entstehen“, ist Haus und Grund-vorstand Fliescher überzeugt. „Mehr Staat und mehr Regulation verschärfe­n die Situation doch nur: Es führt zu noch weniger Baugrundst­ücken und höheren Preisen. Wir brauchen daher einen großen Runden Tisch, damit Regulierun­gen wegfallen und der Wohnungsba­u an Fahrt aufnimmt.“Fliescher fordert zudem einen Abbau von Bürokratie. „Wir brauchen eine digitale Bauakte, um schneller zu werden. Wir brauchen auch Bauflächen außerhalb der

Stadt mit guter Anbindung an den ÖPNV. Und wir brauchen Instrument­e des Landes, um auch gemeindeüb­ergreifend planen zu können. Deshalb werden wir Preissenku­ngen in der Miete nur schaffen, wenn wir bauen, bauen, bauen.“

Thomas Schüttken (Böcker) hält preisgedäm­pften Wohnraum übrigens auch für Investoren „hoch interessan­t“. „Wünschensw­ert wäre, auch preisgedäm­pfte Eigentumsw­ohnungen anzubieten, leider ist die Politik noch nicht bereit, hier mitzugehen.“

Mit Blick auf die steigenden Preise in Düsseldorf sagt Ruth Orzessek-kruppa vom Stadtplanu­ngsamt: „Wir wären froh, wenn die Preisentwi­cklung nach oben ein bisschen gedrosselt würde, das sehe ich aber nicht. Wir bräuchten eine Korrektur im Mietsegmen­t, weil die Mieten gar nicht mehr bezahlt werden können. Mehr Eigentumsw­ohnungen im Angebot und mehr Alternativ­en in Angebotsfo­rmen würden dem Markt insgesamt gut tun.“

Künftig will sich die Stadt Düsseldorf stärker auf das Erbbaurech­t konzentrie­ren, um länger Mitsprache­recht an städtische­n Grundstück­en zu behalten. „Wir müssen mit Flächen, die wir noch haben, haushalten, sonst besteht die Gefahr, dass wir künftigen Generation­en gar keine Flächen mehr anbieten können“, erklärt Ariane Künster, Leiterin des Liegenscha­ftsamtes. Durch die Stärkung des Erbbaurech­ts habe die Stadt auch nach 30 Jahren noch Einfluss etwa auf die Mietpreisg­estaltung auf eigenen Grundstück­en. „Wir müssen das Erbbaurech­t neu erfinden. Der Zeitpunkt ist jetzt wichtig. Sonst sind wir in 15 Jahren ausverkauf­t“, findet Künster klare Worte. „Hier ist aber noch viel Überzeugun­gsarbeit bei den Investoren und auch Beratung mit der Politik nötig“, sagt sie. Auch die Frage des kommunalen Vorkaufsre­chts werde immer wichtiger.

„Verwaltung, Politik und Marktteiln­ehmer müssten mehr miteinande­r reden“Klaus Franken Catella Project Management Gmbh

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Das Handlungsk­onzept Wohnen habe zwar den Wohnungsba­u verstärkt, vor allem im Bereich der preisgedäm­pften Wohnungen. Das reiche aber nicht aus, meinen die Experten.

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