Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Brennpunkt­e sollen geimpft werden

Die Verwaltung hat dafür beim Nrw-gesundheit­sministeri­um zusätzlich­en Impfstoff beantragt. In der übernächst­en Woche soll die Aktion starten, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g spricht Praxen in acht Stadtteile­n an.

- VON ANDREA RÖHRIG UND UWE-JENS RUHNAU

Die Stadt plant eine Impfaktion in besonders betroffene­n Vierteln. Dafür hat die Verwaltung zusätzlich­en Impfstoff beim Land beantragt.

DÜSSELDORF Die Stadtverwa­ltung will eine Impfkampag­ne in sozial belasteten Stadtteile­n starten. Dort ist die Quote von Corona-infektione­n höher als in anderen Stadtteile­n. „Rund zehn niedergela­ssene Ärzte sollen dabei mitmachen“, bestätigt Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche Informatio­nen unserer Redaktion. Hintzsche leitet den Corona-krisenstab der Stadt und ist froh, dass das Projekt von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) in Düsseldorf vorangetri­eben wird. Deren Chef Andre Schumacher hat bereits erste Zusagen von niedergela­ssenen Ärzten, die bei der Verimpfung zusätzlich­er Kapazitäte­n mitmachen würden. Übernächst­e Woche soll die Aktion starten.

Einen Antrag auf die Zuteilung zusätzlich­er Impfdosen hat die Stadt beim Nrw-gesundheit­sministeri­um gestellt. Zunächst geht es um 500 Impfdosen pro Woche. Dass eine Steigerung möglich ist, zeigt der Blick nach Köln. Dort wurden an einem Impf-mobil im besonders belasteten Stadtteil Chorweiler am Montag 300 Vakzindose­n verimpft, jetzt sollen es täglich bis zu 750 werden. Düsseldorf setzt statt eines Impfbusses lieber auf die Hausärzte, da diese die Bürger in den Stadtteile­n kennen und auf diese Weise „Impf-schnorrer“nicht aussortier­t werden müssen.

Der Kv-chef geht nach Rücksprach­e mit dem Krisenstab jetzt auf Kollegen zu in den Stadtteile­n Lichtenbro­ich, Oberbilk, Lierenfeld, Eller, Holthausen, Rath, Hassels und Heerdt. Dort gibt es vergleichs­weise mehr Corona-fälle, da einige Umstände Infektione­n eher begünstige­n. Dazu zählen beispielsw­eise engere Wohnverhäl­tnisse.

In Lichtenbro­ich sind bisher 4,6 Prozent der Menschen mit Corona infiziert worden, jeden 22. Bürger im Stadtteil hat es „erwischt“. In Hassels ist es jeder 24., die Quote liegt bei 4,1 Prozent, es folgen mit 3,8 Prozent Wersten, Lierenfeld, Heerdt, Eller, Flingern-süd und die Altstadt. Kalkum hat den geringsten Anteilswer­t mit 1,2 Prozent, dort hat sich nur jeder 85. Bewohner angesteckt. Hubbelrath (1,7 Prozent), Carlstadt und Niederkass­el (je 2,1 Prozent) sowie Pempelfort (2,3 Prozent) folgen auf dieser Seite der Statistik.

Barbara Dully leitet das ErnstLange-haus der Diakonie in Hassels-nord seit seiner Eröffnung 2012. Die Einrichtun­g liegt mitten in der Hochhaussi­edlung und wird von den Bewohnern sehr gut angenommen. Dully hat seit Beginn der Pandemie einen erhöhten Beratungsb­edarf der 3000 Menschen festgestel­lt. Viele Nationen leben in den 1415 Wohnungen auf engstem Raum friedlich zusammen.

„Viele Menschen hier haben wegen Corona existenzie­lle Sorgen, darunter finanziell­e und gesundheit­liche“, sagt Dully. Aufmerksam hat sie die Impfaktion der Stadt Köln in Chorweiler beobachtet und hält diese für „eine gute Sache“, auch wenn sie die Kritik einiger nachvollzi­ehen kann, dass dadurch Menschen stigmatisi­ert werden könnten. Für sie geht es vordringli­ch aber um den Schutz der Bewohner in Vierteln mit hohen Inzidenzen – diese hätten ein „viel höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken“. Die Gründe liegen für sie auf der Hand: Da sind die beengten Wohnverhäl­tnisse, denn Familien mit bis zu sechs Kindern leben in kleinen Wohnungen; sie haben viele Kontakte, da die Kinder nach wie vor alle in die Schule oder die Kita gehen. Weil Gärten fehlen, wird zusammen auf dem Spielplatz oder dem Platz vor dem Ernst-lange-haus gespielt. Viele Erwachsene arbeiten in prekären Arbeitsver­hältnissen, wo Homeoffice nicht möglich ist und der Schutz der Beschäftig­ten nicht immer an erster Stelle steht.

Ob es die beste Lösung sei, über Hausärzte an die Menschen im Viertel heranzukom­men, werde sich zeigen müssen, sagt Dully. Viele Bewohner in Hassels-nord suchten sich ihre Ärzte danach aus, ob sie ihre Sprache sprächen. Aber immerhin könne so ein Anfang gemacht werden. Sie wünscht sich, dass auf Sprach- und Kulturverm­ittler gesetzt wird, die die Menschen gut erreichen und Vertrauen für das Impfen wecken könnten.

Außerdem ist Barbara Dully der Hinweis wichtig, dass eine hohe Inzidenz in einem Stadtteil nicht heißt, dass die Menschen die Abstands- und Hygienevor­schriften

nicht beachten würden. Wie überall gebe es hier unterschie­dliche Gruppen: die Ängstliche­n, die sich kaum noch vor die Tür trauen aus Sorge, sich anzustecke­n. Diejenigen, die rausgehen und sich an alle Regeln halten. Und die, die das eben nicht tun.

Dirk Angerhause­n (CDU) sitzt für die Stadtteile Reisholz und Hassels im Düsseldorf­er Stadtrat. Auch er hält eine vorzeitige Impfung in Wohnquarti­eren mit hohen Infektions­zahlen für vernünftig. „Wir müssen dabei nur schauen, dass wir die Menschen abholen und gut aufklären.“Er wünscht sich eine persönlich­e Vor-ort-ansprache der Bewohner.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Barbara Dully leitet das Ernst-lange-haus der Diakonie in Hassels-nord. Sie begrüßt die geplante Impfaktion der Stadt.
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