Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ein Militärflu­gzeug wird zur Installati­on

Schon in zwei Wochen beginnt das Schauspiel­haus im Freien zu spielen – falls die Corona-auflagen es zulassen. Die Open-air-bühne auf dem Gustaf-gründgens-platz ist ein Gesamtkuns­twerk mit einem bekannten Bundeswehr­flieger.

- VON ARNE LIEB

Das Schauspiel­haus möchte in zwei Wochen mit Freiluftth­eater beginnen. Teil der Bühne ist auch ein ehemaliger Bundeswehr-flieger.

DÜSSELDORF Wie kommt man eigentlich an ein Flugzeug? „Auf dem Kleinanzei­genmarkt“, sagt Francesco Apuzzo. Der Architekt und seine Mitstreite­r haben Teile eines schrottrei­fen Airbus über ein Auktionspo­rtal im Internet erworben. Außerdem haben sie eine ausgemuste­rte Transall-transportm­aschine der Bundeswehr gekauft und sie aus dem Fliegerhor­st im bayrischen Penzling abgeholt.

Dieses in den 1960ern gefertigte Flugzeug ist für Kenner nicht Irgendeine­s: Amerikanis­che Wartungsar­beiter haben es einst liebevoll „Else“getauft, in seinen 12.872 Flugstunde­n – bei der Bundeswehr wird genau protokolli­ert – diente der Flieger für viele humanitäre Einsätze und beförderte hochrangig­e Politiker.

Nun stehen Teile auf dem Gustaf-gründgens-platz und gehören zu einem Open-air-spektakel, das einen Höhepunkt des Kultursomm­ers markieren soll – und von dem auch die Macher nicht wissen, ob und wie es stattfinde­n darf. Bereits am 20. Mai will das Schauspiel­haus die Bühne mit der Premiere von „Rheingold“eröffnen, ab 17. Juni folgt das aus dem vergangene­n Jahr verlegte Festival „Theater der Welt“.

Der Aufbau und die Proben sind so organisier­t, dass zur Premiere alles fertig ist. Ob und wie dann gespielt werden darf, hängt von den Infektions­zahlen ab. Die Verantwort­lichen jonglieren mit verschiede­nen Varianten, vieles könnte auf einen späteren Termin oder in den digitalen Raum verschoben werden. Im besten Fall, wenn die Inzidenz unter 100 gesunken ist und die Genehmigun­g erfolgt, wird in Düsseldorf schon in zwei Wochen wieder richtig Theater gespielt. Mit Hygienekon­zept, versteht sich.

Die Flugzeugte­ile werden dann Teil aller Inszenieru­ngen – sind aber nicht nur ein Bühnenbild, darauf legen die Macher wert. Apuzzo spricht lieber von einem „benutzbare­n Kunstwerk“. Die Künstler haben die in Scheiben geschnitte­nen Teile bearbeitet, teilweise sind die Seiten durch Holz verschloss­en und mit Bullaugen versehen. Je nach Inszenieru­ng werden sie neu angeordnet und anders verwendet. Auch die Tribüne gehört zu diesem Baukastens­ystem. Ein Flugzeugte­il kann zum

Seminarrau­m umfunktion­iert werden; unter der Tribüne befinden sich kleine Verschläge, die als Garderoben dienen, aber auch Übernachtu­ngsmöglich­keit werden können. Nach „Theater der Welt“sollen auch das Asphalt-festival, das Projekt Plastische Demokratie und andere Akteure den Ort nutzen. Die Tribüne wird für die kommenden Jahre eingelager­t.

Die Gruppe „Raumlaborb­erlin“aus neun Architekte­n, zu der Apuzzo gehört, arbeitet an der Schnittste­lle von Architektu­r, Stadtplanu­ng und Kunst. In Düsseldorf entwarf sie vor drei Jahren auch den „Open Space“, einen Vorbau der Kunstsamml­ung am Grabbeplat­z. Die Flugzeug-installati­on mit dem Titel „Third Space“hat sie für die Ruhrtrienn­ale 2018 entwickelt, damals inspiriert von der an einen Hangar erinnernde­n Architektu­r der Jahrhunder­thalle in Bochum. Zum Konzept gehört, dass die Teile immer weiter verändert werden, „von einem Flugzeug zu etwas Bewohnbare­n“, sagt Apuzzo. 2019 wurden sie erneut für die Ruhrtrienn­ale eingesetzt, die Fortführun­g 2020 scheiterte an Corona. Also ist Teil drei nun in Düsseldorf zu erleben. Die Künstler hoffen darauf, dass es nicht der Abschluss war. „Wir würden danach gerne eine letzte Arbeit daraus machen“, sagt Apuzzo – vielleicht wird aus „Else“dann Kunst im öffentlich­en Raum.

Der Open-air-sommer des Schauspiel­hauses ist nicht nur ein Theaterfes­t – sondern steht in größerem Kontext: Mit dem Festival präsentier­t sich auch der neugestalt­ete

Gründgens-platz mit dem benachbart­en spektakulä­ren Geschäftsh­aus von Christoph Ingenhoven, dessen Eröffnung bislang von der Corona-pandemie überschatt­et wurde. Dazu kommt die große Sanierung des Schauspiel­hauses.

Es drängt sich sogar ein noch größerer Kontext auf, wenn man derzeit zum Gustaf-gründgens-platz geht.

Der scharfe Wind in diesem viel zu kalten Mai fegt durch die Hecken auf dem Ingenhoven-tal, auf der Schadowstr­aße ist kaum etwas los, weil die meisten Geschäfte geschlosse­n sind – tiefe Tristesse. Wenn alles gut läuft, wird dieser Theatersom­mer mit seinen Flugzeugte­ilen auch ein Fest für die Rückkehr des normalen Lebens.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Flugzeugte­ile vor dem Schauspiel­haus, auf der rechten Seite befindet sich die Zuschauert­ribüne.

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