Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Lehrerin wehrt sich gegen Bewährungs­strafe

Bei einem Unfall in Wittlaer starb vor vier Jahren ein neunjährig­es Mädchen. Eine Lehrerin hatte es angefahren und bekam dafür eine Bewährungs­strafe. Nun geht die Pädagogin in Berufung – und sagt, sie trage keine Schuld.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

DÜSSELDORF Am tragischen Unfalltod einer neunjährig­en Schülerin vor knapp vier Jahren will eine 61-jährige Lehrerin, die damals den Unfallwage­n fuhr, nicht schuld gewesen sein. Darauf beharrte die Fahrerin am Mittwoch vor dem Landgerich­t in Düsseldorf. Dort wehrt sich die Pädagogin gegen eine Bewährungs­strafe von neun Monaten, die das Amtsgerich­t im August 2020 gegen sie wegen fahrlässig­er Tötung des kleinen Mädchens verhängt hatte.

„Es tut mir furchtbar leid“, sagte die Lehrerin bei ihrer Berufung mit Blick auf den Vater der damals überrollte­n Grundschül­erin – und fügte sogleich fragend hinzu: „Aber wo ist da meine Fahrlässig­keit?“Vor einem Urteil will das Landgerich­t dazu jetzt noch weitere Zeugen vorladen und anhören.

Jeder Angeklagte darf vor Gericht seine eigenen Ansichten und Wertungen vortragen. Davon hat die 61-jährige Lehrerin am Mittwoch Gebrauch gemacht. Und sie befand sich mit ihren Erklärunge­n und Deutungen zum Unfallherg­ang im Widerspruc­h zum Ermittlung­sergebnis der Polizei, das sich auf Unfallausw­ertung und ein Gutachten stützt. Demnach hatte die Angeklagte im September 2017 frühmorgen­s auf der Fahrt zum Unterricht an der Anlieger-kreuzung Kalkstraße/am Krausen Baum in Wittlaer am Steuer ihres Kleinwagen­s viel zu lange nach rechts gesehen, um anderen Autos von dort womöglich Vorfahrt einzuräume­n. Doch von links – und von der Angeklagte­n unbemerkt – näherte sich damals das neunjährig­e Kind auf ihrem Fahrrad. Das Mädchen prallte gegen das Auto der Lehrerin, fiel dabei auf die Motorhaube, blieb jedoch bis zu dieser Sekunde noch nahezu unverletzt.

Weil die Lehrerin aber in diesem Moment nicht stoppte, sondern laut Gutachten weiter bei Tempo 15 auf dem Gaspedal blieb, rollte die Neunjährig­e von der Motorhaube herunter, fiel vor die Räder des Wagens und wurde in der Folge überrollt. Kurz danach starb die Schülerin an ihren schweren Verletzung­en.

Das steht laut Unfallguta­chten zweifelsfr­ei fest. Nur für die Lehrerin nicht. Sie gibt vor allem der Schülerin selbst die Schuld an ihrem Tod: „Das Kind hätte laut Straßenver­kehrsordnu­ng an der Kreuzung anhalten und absteigen müssen.“Ihre eigene Rolle an dem tragischen Geschehen bewertet die Angeklagte so: „Ich wusste nicht, dass dort der Schulweg entlang führt.“Und eine Anwohnerin soll später erklärt haben, dass Kinder „auf dieser Straße Rennen fahren“. Auch habe die Schule „kein Verkehrssi­cherheitst­raining“durchgefüh­rt, das Mädchen sei also nicht pflichtgem­äß auf kniffelige Situatione­n beim Fahrradfah­ren vorbereite­t gewesen. Und überhaupt seien die Straßen in jenem Wohnvierte­l in Wittlaer „viel zu eng gebaut worden“, so die Angeklagte. „Und dann gab's da noch Müllcontai­ner!“

Insgesamt kam die 61-Jährige zu dem Fazit: „Es war mir keine Wahrnehmun­g vorher möglich, das Kind ist plötzlich von links unter meinem Auto verschwund­en“, was allenfalls das Ergebnis einer „Verkettung unglücklic­her Umstände“gewesen sei – aber angeblich nicht die Schuld der Angeklagte­n. Um das näher zu prüfen, speziell das Gutachten eines Unfallexpe­rten anzuhören, hat das Landgerich­t jetzt noch zwei weitere Verhandlun­gstage anberaumt. Wann die Strafkamme­r dann zu einem Urteil über die Rolle der seit dem Unfall dienstunfä­hig krankgesch­riebenen Lehrerin kommt, ist noch ungewiss.

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FOTO: BERGER Der Unfall ereignete sich im August 2017. Das Mädchen war mit dem Fahrrad unterwegs und wurde vom Auto der Lehrerin überrollt.
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RP-FOTO: WUK Die bis heute krank geschriebe­ne Lehrerin wird durch ihren Anwalt Thomas Reiche vor Gericht vertreten.

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