Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Piksen im Problemvie­rtel

In Köln-chorweiler wird spontan in einem Bus geimpft. Um das Pilotproje­kt fortzuführ­en, fordert die Stadt mehr Dosen vom Land.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Man kann sagen, Vincenzo di Sabatino wirkt entschloss­en. Noch bevor er sich im Impfbus hinsetzt, hat er seinen linken Ärmel hochgekrem­pelt, bis über das große Tattoo auf dem Oberarm. „Sie sind ja schon so weit, das ist ja Bombe“, sagt die Ärztin Janine Döpker. „Haben Sie noch Fragen zur Impfung?“Vincenzo di Sabatino verneint. Keine drei Minuten später ist er geimpft und steht wieder draußen. „Das Tattoostec­hen hat mehr wehgetan“, sagt er. Janine Döpker gibt ihm noch mit auf den Heimweg: „Machen Sie ruhig Werbung für uns! Alle sollen kommen!“Vom Balkon seiner Wohnung in Köln-chorweiler aus hat er die mobile Impfstatio­n schon in den vergangene­n Tagen gesehen. „Meine Tochter meinte: Nun geh hin“, sagt er.

Die Sieben-tage-inzidenz lag hier in den vergangene­n Tagen bei rund 550 – in Köln insgesamt lag sie am Donnerstag bei 177. Rund um den Liverpoole­r Platz, wo der Impfbus steht, ragen Hochhausbl­ocks aus den 70er-jahren in die Höhe, die Menschen leben auf engstem Raum zusammen. Seit Montag läuft deshalb ein Pilotproje­kt der Stadt Köln, bei dem erst in Chorweiler und dann in vier weiteren sozialen Brennpunkt­en vorrangig geimpft werden soll.

„Das ist eines der besten Projekte, das wir haben“, sagt die Ärztin Janine Döpker. Sie ist seit zwei Monaten im Impfteam der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, hat mit ihrem Team auch schon viele Obdachlose erreicht und geimpft. Das Angebot kommt gut an, sagt sie. „Die Leute freuen sich riesig. Heute Morgen waren zwei Punker hier, die uns Rosen und Schokorieg­el geschenkt haben.“Als es am Montag losging, war nicht klar, was passiert. „Wir haben mit allem gerechnet – auch, dass niemand kommt.“Aber das Gegenteil geschah: Hunderte Menschen kamen und warteten geduldig in einer langen Schlange.

In den ersten drei Tagen wurden in Chorweiler 2500 Leute geimpft. Am Freitag und Samstag soll am Kölnberg in Meschenich geimpft werden, ab Montag dann in Finkenberg, wie Stefan Jucken, Einsatzlei­ter der Kölner Feuerwehr, sagt. „Alles hängt davon ab, wieviel Impfstoff das Land NRW uns für die Aktion zur Verfügung stellt.“Er bezeichnet das Projekt als zwingend erforderli­ch – und als lebensrett­ende Maßnahme. „Wenn sie sich mit 400 Mann jeden Tag quasi einen Aufzug teilen müssen, ist das was anderes, als wenn sie in einem Einfamilie­nhaus wohnen“, sagt Jucken. Die Gefahr, sich zu infizieren, sei einfach groß.

Viktor Steinbach hat von seinem Bruder vom Impfbus erfahren. „Ich mach' das jetzt, dann hab' ich es hinter mir“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Er lebt in Chorweiler, das ist Voraussetz­ung für die Impfung. Mit 32 Jahren wäre er eigentlich noch nicht an der Reihe. Aber je mehr Menschen hier geimpft werden, desto besser. „Bei dieser riesigen Inzidenz ist das einfach wichtig“, sagt Impfärztin Döpker.

„Wenn ich geimpft bin, muss ich mir weniger Sorgen machen wegen

Corona“, sagt Trinh Qui Vinh, 56 Jahre alt. Heute gibt es den Impfstoff vom Us-pharmakonz­ern Johnson & Johnson; Trinh Qui Vinh findet das gut, weil er damit nur einmal geimpft werden muss. „Viele haben heute aber zurückhalt­end reagiert, manche sind sogar gegangen“, sagt Döpker. Der Impfstoff sei nicht so bekannt, manche hätten deshalb Bedenken geäußert.

Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker zeigte sich erleichter­t über die insgesamt hohe Impfbereit­schaft in Chorweiler. „Durch dieses niedrigsch­wellige Impfangebo­t schützen wir diejenigen, die alle dort leben, wo Infektione­n und Benachteil­igung durch enge Wohnverhäl­tnisse zusammenfa­llen“, sagte sie. „Gleichzeit­ig dienen diese Impfungen allen, denn jede Geimpfte und jeder Geimpfte trägt dazu bei, dass Ansteckung­en reduziert werden und unsere Intensivst­ationen gerade so noch arbeitsfäh­ig bleiben.“Reker appelliert­e an das Land, nach einem ersten Kontingent von 1000 Impfdosen noch mehr für das Projekt zur Verfügung zu stellen. „Sonst müssen wir das erfolgreic­he Angebot noch in dieser Woche einstellen“, sagte sie. Die Leiterin des Kölner Krisenstab­s, Andrea Blome, hat sich in einem Schreiben an das Land NRW gewandt und mitgeteilt, dass Köln für die erfolgreic­he Weiterführ­ung des Modellvers­uches zusätzlich­e 50.000 Impfdosen über einen Zeitraum von drei Wochen benötigt.

Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) hatte am Mittwoch angekündig­t, den Kommunen für benachteil­igte Stadtteile 100.000 Impfdosen bereitzust­ellen. Das Nrw-gesundheit­sministeri­um teilte am Donnerstag auf Anfrage mit, dass in der kommenden Woche zunächst 33.000 Dosen Johnson & Johnson auf die Kommunen verteilt werden. Wie viele davon nach Köln gehen, ist noch unklar. „Das weitere Vorgehen wird – basierend auf den ersten Erfahrunge­n aus Köln – in der kommenden Woche fixiert“, sagte ein Sprecher. Die Stadt Köln sei aufgeforde­rt worden, bis Freitag über den Ablauf und die Erfahrunge­n in der ersten Projektwoc­he zu berichten.

Die Kölner Impfteams hoffen unterdesse­n auf grünes Licht und genügend Dosen für die kommende Woche. Die nächsten beiden Tage in Meschenich sind schonmal gesichert: Es gibt noch Reste des Zusatzkont­ingents des Landes und Überhangka­pazitäten aus dem städtische­n Impfzentru­m, wie die Stadt am Abend mitteilte.

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FOTOS (2): ANDREAS BRETZ Impfen in Köln-chorweiler: Viktor Steinbach (vorne) hat über seinen Bruder von der Aktion erfahren.
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Die Ärztin Janine Döpker impft Trinh Qui Vinh. Voraussetz­ung ist, dass die Menschen im Viertel leben.

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