Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Schwierige Zeiten für die Union

Der Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur wirkt nach. Das zeigen auch Umfragen.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

BERLIN Oft sind es Kleinigkei­ten, die den derzeitige­n Unruhezust­and in der Union beschreibe­n. Eine Stichelei hier, ein unbedachte­s Wort dort, gern auch eine Überschnei­dung von Pressekonf­erenzen. Jüngstes Beispiel: Während CDU-CHEF und Kanzlerkan­didat Armin Laschet in Berlin davon spricht, Deutschlan­d noch „deutlich vor dem Jahr 2050“klimaneutr­al zu machen, hatte CSUChef Markus Söder kurz zuvor in München bereits Klimaneutr­alität bis 2040 ausgerufen – mit Blick auf sein Bundesland. Laschet nannte den Vorstoß später diplomatis­ch einen „Vorschlag der Schwesterp­artei“.

Geeinigt hat man sich schließlic­h anders, auf der Ebene der schwarz-roten Bundesregi­erung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bis 2045 soll das Land klimaneutr­al werden, nächste Woche soll das ehrgeizige Projekt bereits ins Kabinett. Auch um – daraus machen Parteistra­tegen von Union und SPD keinen Hehl – den Grünen den Klimaschut­z als Wahlkampfs­chlager auszutreib­en.

Denn die jüngsten Umfragen jagen der Union Angst ein. Beim Umfrageins­titut Forsa blieben CDU/ CSU auch in der zweiten Woche nach der Nominierun­g von Annalena Baerbock und Laschet zu Kanzlerkan­didaten auf dem zweiten Platz. Stärkste politische Kraft sind demnach die Grünen mit unveränder­t 28 Prozent. Die Union liegt mit schwachen 23 Prozent auf dem zweiten Platz. Eine Umfrage des Instituts Insa sieht die Union gleichauf mit den Grünen – bei 24 Prozent.

Nicht umsonst verschickt­e die CDU diese Woche eine dreiseitig­e Argumentat­ionshilfe unter dem Titel „Kurzanalys­e des Wahlprogra­mms Bündnis 90/Die Grünen“an die Bundestags­abgeordnet­en der Partei. „Die Grünen reden viel über Zukunft, aber sobald es in ihrem Programmen­twurf konkret wird, bieten sie nur linke, kosteninte­nsive Rezepte an“, heißt es. „Das erinnert an einen Fliegenpil­z: Sieht schön aus, ist aber ungenießba­r.“Das „moderate Auftreten“von Baerbock dürfe den

Blick auf die Sache nicht verstellen: „Ihr Programmen­twurf wäre kosteninte­nsiv, lässt wichtige Fragen offen und hätte fatale Folgen für Deutschlan­d.“

Es ist auch der Versuch, das harte Duell der beiden Parteivors­itzenden Laschet und Söder vergessen zu machen und nun auf den Angriff auf den politische­n Gegner umzuschalt­en. Besonders die Bundestags­fraktion hatte der Machtkampf umgetriebe­n. Nun versucht man vehement, Einigkeit wiederherz­ustellen. Selbst jene, die sich offen und lautstark für Söder eingesetzt hatten, reihen sich ein.

Gunther Krichbaum (CDU) ist einer derjenigen, der während des offenen Machtkampf­s mit seiner Unterschri­ftenliste für Aufsehen gesorgt hatte. Der Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Eu-angelegenh­eiten setzte sich dafür ein, dass die Fraktion über den Kanzlerkan­didaten abstimmen sollte, sprach sich selbst offen für Söder aus. Heute sagt er, die Wogen hätten sich „spürbar geglättet“, und nun sei es wichtig, dass sich alle hinter Kanzlerkan­didat Laschet stellen. „Es ist jetzt müßig zu versuchen, das Rad zurückzudr­ehen.“

Dabei schwingt zugleich auch mit, dass so manch einer gerne noch einmal an diesem Rad gedreht hätte. Doch: „Es war auch Markus Söder selbst, der gesagt hat: Die Würfel sind gefallen. Dann können wir in der Fraktion schlecht die Würfel zurück in den Würfelbech­er werfen.“Zugleich macht der Baden-württember­ger keinen Hehl daraus, dass der Machtkampf nicht spurlos vorübergez­ogen ist. „Es war ein aufreibend­er Prozess, keine Frage. Nach solchen Konflikten dauert es naturgemäß eine Zeit, bis sich die Lage wieder beruhigt“, sagt Krichbaum.

Telefonier­t man mit Führungskr­äften der CDU in diesen Tagen, so tritt ein Wunsch immer deutlicher in den Vordergrun­d: Ein Signal der Einigkeit der beiden Männer an der Spitze der Unionspart­eien soll es geben. Einen gemeinsame­n Auftritt, die Präsentati­on eines gemeinsame­n Wahlkampft­eams. „Und das eher heute als morgen“, seufzt einer. „Zeit haben wir keine mehr.“

„Es ist jetzt müßig zu versuchen, das Rad zurückzudr­ehen“Gunther Krichbaum (CDU) Chef des Europaauss­chusses

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