Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die beitragsfr­eie Kita ist ein Reizthema

ABGABEN UND GEBÜHREN Die Beiträge für Kita, Tagespfleg­e und den Offenen Ganztag bleiben umstritten. Die Politik sucht nach Kompromiss­en.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Kinder-betreuung kann teuer werden. Haushalte mit gutem Einkommen (mehr als 80.000 Euro brutto im Jahr) zahlen für einen Kita-platz in Vollzeit bis zu 5700 Euro im Jahr, wenn ihr Kind jünger als drei Jahre ist. „Bildung und Betreuung sind eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, wir sollten in Düsseldorf auf die Beiträge auch für Jungen und Mädchen, die jünger sind als drei Jahre, verzichten“, sagt Michail Knauel, Sprecher der Düsseldorf­er Kita-eltern. Die Debatte wird seit Jahren geführt, mit unterschie­dlichen Akzenten. Zuletzt hat sie auch im Wahlkampf eine Rolle gespielt. Stephan Keller (CDU), Wahlgewinn­er und neuer Rathaus-chef, hatte einen Verzicht in Aussicht gestellt. Doch so weit kommt es vorerst nicht. Die schwarz-grüne Kooperatio­n setzt auf einen anderen Weg. Moderate Erleichter­ungen statt Streichung lautet das Motto. Blickt man auf den Etat, zeigt sich, warum um diesen Punkt hart gerungen wird. „Die U3-beiträge für Kitas und Tagespfleg­en summieren sich jährlich auf rund 17,4 Millionen Euro“, sagt Stephan Jung vom Jugendamt. Das Loch, das bei einem Verzicht geschlosse­n werden müsste, wäre also erheblich.

Viele Eltern würden sich diesen Schritt trotzdem wünschen, auch wenn sie Düsseldorf dafür loben, dass zumindest die Ü3-betreuung beitragsfr­ei ist. Einige blicken nach Monheim, dort zahlen Familien seit 2014 nicht mehr für die Ein- bis Sechsjähri­gen. Sarah Sauerborn leitet die Kita Cronenburg in Wersten und kennt die Debatte. „Eine Mutter fragte sich zuletzt, ob es Sinn macht, in Teilzeit arbeiten zu gehen, weil das Gros ihres neuen Gehalts für den Kita-platz ausgegeben wird.“Die Forderung, auf

Beiträge zu verzichten, kann die Erzieherin nachvollzi­ehen. „Kitas sind viel mehr als nur Betreuung und viele verstehen nicht, warum sie nicht den Schulen gleich gestellt werden. Die sind schließlic­h auch beitragsfr­ei.“Ändern kann Sauerborn das aber nicht. Träger wie die Awo oder die Diakonie legen die Beiträge nicht fest, darüber entscheide­t die Kommune.

Und die schwarz-grüne Ratsmehrhe­it will andere Akzente setzen. „Wir wollen einen raschen Ausbau und eine Qualität, die den Bildungsau­ftrag noch stärker in den

Blick nimmt“, erläutert Paula Elsholz (Grüne) diesen Ansatz. Heraus kam ein Kompromiss. So steigt die Grenze, ab der überhaupt Beiträge berechnet werden, ab August von 30.000 auf dann 40.000 Euro Jahreseink­ommen. Zudem werden in jeder Beitragsst­ufe künftig 25 Euro weniger bezahlt. Konkret bedeutet das: Wer zwischen 40.000 und 50.000 Euro verdient, zahlt 150 statt 175 Euro monatlich, wenn sein Kind – jenseits der pandemiebe­dingten Einschränk­ungen – 45 Stunden pro Woche betreut wird. Und in der Gruppe mit mehr als 80.000 Euro

Haushaltse­inkommen sinkt dieser Beitrag von 425 auf 400 Euro.

Für Knauel ist die in Düsseldorf beschlosse­ne Absenkung aber eher ein Tropfen auf den heißen Stein. „Dass in allen Gehaltskla­ssen immer um den gleichen Fix-betrag von 25 Euro monatlich gekürzt wird, finde ich nicht überzeugen­d“, sagt der zweifache Vater. Doch die Sache scheint fürs Erste entschiede­n, wofür Keller prompt Kritik einstecken musste. „Ich bin sehr enttäuscht, dass Sie hier ihr Wahlverspr­echen nicht einlösen“, hatte FDP-RATSfrau Christine Rachner im Februar

bei der Beratung im Rat gesagt. „Ein großer Sprung war angekündig­t und nun ist nur ein kleiner Schritt daraus geworden“, hielt auch Ursula Holtmann-schnieder (SPD) der Mehrheit entgegen. „Man kann nicht alle Wahlverspr­echen gleich am ersten Tag einlösen und wir machen hier einen Anfang“, konterte Keller damals.

Neue Dynamik erhält die Debatte durch die Einschränk­ungen der Pandemie. Viele Eltern haben darauf verzichtet, ihre Kinder im Offenen Ganztag der Grundschul­en (OGS) oder in der Kita notbetreue­n zu lassen. Doch hier zeichnen sich aktuell Lösungen ab. So hat die Stadt entschiede­n, nicht mehr länger auf Entscheidu­ngen des Landes zu warten, sondern den Eltern in der OGS die Beiträge für die Monate Februar bis Mai zu erlassen. Und auch für die Kitas zeichnet sich nach einer Ankündigun­g von NRW-FAMIlienmi­nister Joachim Stamp (FDP) ein Erlass für die Monate Mai und Juni ab. Dabei spielt keine Rolle, ob die Notbetreuu­ng in Anspruch genommen wurde oder nicht. Knauel begrüßt das: „Die Belastunge­n und Einschränk­ungen waren und sind für alle Familien enorm. Das ist ein richtiges Signal.“

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Sarah Sauerborn (hier mit Rhea, 3, und Ben, 5) leitet die Awo-kita Cronenburg in Wersten. Sie weiß, dass vielen Eltern die U3-beiträge zu hoch sind.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Sarah Sauerborn (hier mit Rhea, 3, und Ben, 5) leitet die Awo-kita Cronenburg in Wersten. Sie weiß, dass vielen Eltern die U3-beiträge zu hoch sind.

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