Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Das Ende der globalen Politik
Politologe Terhalle räumt mit dem Irrtum auf, der Nationalstaat habe ausgedient.
Die Lobeshymnen sind zahlreich, und sie kommen von Kollegen aus vielen verschiedenen Ländern: „Der Autor bürstet kräftig wider den Strich und stellt liebgewordene Denkmuster in Frage“. Er fülle ein Vakuum in Deutschland. „Seine Ergebnisse sind unbequem für die von der Friedensforschung dominierten Debatten“und er „zieht daraus konkrete Folgerungen für die Verantwortung Deutschlands“. Die Rede ist von Maximilian Terhalles Buch „Strategie als Beruf. Überlegungen zu Strategie, Weltordnung und Strategic Studies“.
International gut vernetzt ist Terhalle, Politikprofessor für strategische Studien an der britischen Universität Winchester. Sein Buch ist eine Sammlung von Essays zur Sicherheits- und Außenpolitik aus den Jahren 2013 bis heute. Im Mittelpunkt steht dabei seine Kritik an der Global Governance, also der Vorstellung, internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen würden den Nationalstaat immer unwichtiger machen. Terhalle zeigt, dass der Siegeszug dieser Theorie beendet ist. Ursache des Scheiterns sei neben falschen Prämissen vor allem das Aufkommen der Geopolitik und der neuen Großmächte, die sie gestalten.
In den letzten drei Kapiteln seiner Sammlung macht er deshalb sieben Vorschläge für die Neugestaltung der Lehre der internationalen Beziehungen an deutschen Universitäten, die er als praxisfremd, einseitig und intellektuell fragwürdig schildert.
So ist es auch kein Wunder, dass die Publikation vor allem auf „zukünftige politische Entscheider zielt, die qua der gängigen Sozialisation von Berufspolitikern nur in den seltensten Fällen systematisch strategisches Denken kennengelernt haben“, aber auch auf Studenten und Forscher.
Letzteres macht sich leider in einer allzu wissenschaftlichen Sprache bemerkbar, die seinen zweifellos beachtenswerten Ausführungen viel ihrer Wirkung nimmt. Ärgerlich ist dabei weniger die recht zufällig erscheinende Mischung deutscher und englischer Beiträge. Wenn allerdings Begriffe weder übersetzt noch definiert werden, ist das Lesevergnügen deutlich getrübt. Nicht jeder weiß schließlich etwas mit „governance deadlocks“, der „English School“in den internationalen Beziehungen oder „enmeshment“anzufangen.
Erfreulich ist aber, dass Terhalle souverän genug ist, sich von früheren Festlegungen zu lösen. Dies gilt etwa die Vorstellung von der „Europäisierung“des französischen Nuklearpotenzials oder der Schaffung einer Eu-armee, wie sie in Berlin grassieren. Es gilt auch für die klare Benennung negativer „Erkenntnistraditionen“, die Terhalle nicht zuletzt im Einfluss von Jürgen Habermas und ihm verbundener Politikwissenschaftler sieht. Sein Fazit: Dessen Logik gehe von „Voraussetzungen aus, die dem nachkriegsdeutschen Bewusstsein vieler Philosophiefakultäten affin waren, aber an der Abwesenheit dieser normativen Grundlagen im Wettbewerb zumal unter Großmächten damals wie heute scheitert.“
Insgesamt ist Terhalles Sammlung ein erfreuliches Konglomerat spannender Beiträge, was besonders für die bereits in Zeitungen abgedruckten Beiträge gilt. Politisch interessierte Leser können sich selbst einen Eindruck davon verschaffen, was in der deutschen Außenpolitik schiefläuft und warum.
Erfreulich ist, dass Terhalle souverän genug ist, sich von früheren Festlegungen zu lösen.