Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Bewährungs­probe Muttertag

WOCHE IN DÜSSELDORF Mit dem warmen Sonntag könnten die Debatten um den Corona-schutz zurückkehr­en. Es wird Zeit, dass es vorangeht.

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Der beste Infektions­schutz sind sieben Grad und Regen. Zuletzt war das Wetter derart mies, dass die Ausgangssp­erre nicht weiter ins Gewicht fiel. Manche erzählen gar sehnsüchti­g vom ersten Lockdown vor einem Jahr, als wenigstens die Sonne schien. Die aktuellen Temperatur­en sind vielleicht ein besseres Argument fürs Zuhauseble­iben als jedes Infektions­schutzgese­tz.

Ausgerechn­et am Sonntag kommt nun doch für einen Tag der Frühling. Die Meteorolog­en erwarten bis zu 27 Grad, und das – nochmal: ausgerechn­et – an Muttertag, einem Termin also, der nach Familientr­effen schreit wie zuletzt Ostern.

Es wirkt wie eine kurze Bewährungs­probe für die Moral im Corona-schutz. Denn auch dieses Familienfe­st steht unter restriktiv­en Vorgaben. Zwar ist ab dem Wochenende wieder Shoppen nach Termin in Düsseldorf möglich, Treffen im privaten und öffentlich­en Raum sind weiterhin nur zwischen Angehörige­n eines Haushaltes und höchstens einer weiteren Person möglich. Die Mutter darf man also mit der ganzen Familie besuchen; wenn der Vater dabei ist, gerät man schon mit dem Gesetz in Konflikt. Wer hätte sich eine solche Regelung vorstellen können?

Helfen kann allenfalls, dass zumindest die meisten Älteren unter den Müttern inzwischen geimpft sind. Für Geimpfte und Genesene fallen pünktlich zum Sonntag die bislang geltenden Kontaktbes­chränkunge­n weg. Doch die Wirklichke­it ist ohnehin etwas anderes als die Regelungen, wie man unschwer erkennt, wenn man tagsüber mit offenen Augen durch Straßen, Parks und über Spielplätz­e geht. Die Müdigkeit nach einem Jahr Beschränku­ngen ist groß, die Sehnsucht nach Zerstreuun­g und Zusammenkü­nften enorm. Dazu kommt eine zunehmende Verwirrung, was die immer wieder geänderten Regeln angeht.

Ein bekannter DJ mit Freude an der Provokatio­n fragt im Internet, wer denn am Muttertags-sonntag dabei wäre, falls er mit dem Lastenrad samt Musikanlag­e anreisen würde – rein hypothetis­ch, versteht sich. Im Bekanntenk­reis und im Internet debattiere­n die, die sich weiterhin streng an die Regeln halten, mit jenen, die machen, was sie wollen. Und allen dazwischen. Ein jeder sucht seinen Weg, um die hoffentlic­h letzte Phase der Pandemie zu überstehen. Die Wälder und Grünanlage­n dürften am Sonntag aus allen Nähten platzen.

Wenn es warm wird, zeigt sich schon seit Monaten, wie zerbrechli­ch die Stimmung ist. In Düsseldorf natürlich vor allem in der Altstadt, jenem Ort, an dem im Zweifel halb NRW zusammenko­mmt. Als die Abende zuletzt mild waren, mussten Polizei und Ordnungsam­t mit enormer Präsenz die Rechtslage durchsetze­n.

Gelöst ist damit nichts. Jeder weiß: Wenn die Nächte wieder wärmer werden, geht es wieder los – mit erneuten Debatten um Verweilver­bote und eine harte Hand des Staates. Wenn bis zum Sommer immer noch so strikte Restriktio­nen gelten, müssen immer unangenehm­ere Debatten geführt werden. Mit den Fotos von Ordnungskr­äften, die Spaziergän­ger von Parkbänken vertreiben, hat Düsseldorf schon unschöne Schlagzeil­en gemacht.

Nicht zuletzt die Jahreszeit verlangt, dass es vorangeht. Das ist die gute Nachricht zum Muttertag: Die Inzidenz in Düsseldorf entwickelt­e sich zuletzt so positiv, dass eine Wiederkehr des halbwegs normalen Lebens zu erhoffen ist. Wenn alles gut läuft, fällt die Inzidenz – derzeit bei 120 – bald unter 100, das ist die nächste große Schwelle im Gesetz. Im Schauspiel­haus hofft man, schon am 20. Mai eine Premiere auf der Open-air-bühne feiern zu dürfen. So schnell könnte es gehen.

Bis dahin folgt eine weitere Woche Corona-auflagen – und Regen.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Sobald das Wetter gut ist, ist die Altstadt voll – und die Debatten um den Corona-schutz gehen wieder los.
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