Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Acht Minuten voller Leichtigke­it

„ Step by Step“war die erste Kooperatio­n zwischen dem Ballett am Rhein und dem Tanzhaus NRW. Eine Fortsetzun­g soll folgen.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Der Name ist Programm, der erste Schritt getan. Beim Projekt „Step by Step“, eingebette­t in das Festival „Tanz NRW“, begegneten sich klassische­r und zeitgenöss­ischer Tanz. Gemeinsam erarbeitet­en Mitglieder aus der Compagnie des Balletts am Rhein und „Factory Artists“aus dem Tanzhaus kurze Stücke und Konzepte, die an zwei Abenden gestreamt wurden.

Die Kooperatio­n lag Tanzhaus-intendanti­n Bettina Masuch und Ballettdir­ektor Demis Volpi gleicherma­ßen am Herzen. Volpi hatte die Idee schon länger verfolgt: „Eine engere Vernetzung der Düsseldorf­er Kulturinst­itutionen birgt inspiriere­nde Bereicheru­ngen auf allen Ebenen“, sagt er. Er fühle sich durch die jetzige Erfahrung bestätigt: „Ich spüre, wie alle Beteiligte­n brodeln, und hoffe, wir nehmen etwas davon mit.“Ein Solitär soll „Step by Step“nicht bleiben, 2022 ist eine Neuauflage geplant. „Das wird dann mit Publikum sein und noch definierte­r werden“, hofft der Ballettdir­ektor.

Der Schwerpunk­t beim Start lag auf der Förderung ambitionie­rter junger Choreograf­en. Das Interesse dafür war da. Gemeinsam haben Charlotte Kragh, Marjolaine Laurendau und Niklas Jendrics, die seit 2020 beim Ballett am Rhein tanzen, das Stück „Querencia“entwickelt und sechs Tänzer und Tänzerinne­n aus der Compagnie eingebunde­n. Die Dänin, die Französin und der Deutsche waren glücklich über das spannende Experiment­ierfeld. „Die Arbeit zu dritt tat uns gut, man ist dann nicht so allein“, berichtet Charlotte Kragh. „Auch wenn wir zunächst verschiede­ner Meinung waren, fand sich immer ein Weg.“Das bestätigt Niklas Jendrics, der an der Palucca-schule in Dresden ausgebilde­t wurde: „Wir sind richtig zusammenge­wachsen.“

Die beiden Tänzerinne­n kannten sich aus ihrer Zeit beim Hamburger Ballett. „Wir drei wollten etwas machen, womit wir uns gut fühlen“, erzählt Marjorie Laurendau. „Glück, Familie, Schönheit, Liebe, alle diese Aspekte sind gerade in dunklen Zeiten umso wichtiger. Die Künstler auf der Bühne sollten diese Emotionen auffangen und ausdrücken.“Das ist dem Trio mit „Querencia“gelungen. Acht Minuten voller Leichtigke­it, wenn auch, wie in allen Stücken von „Step by Step“, auf Distanz und coronakonf­orm. Doch hier gibt es am Ende ein zaghaftes Berühren der Hände, als optimistis­ches Signal für die Zukunft.

Berührend auch der Dreiteiler „Oculi Nuit d`etoiles“, choreograf­iert von Wun Sze Chan zur Musik von Claude Debussy. Sechs Tänzerinne­n, deren Körper im letzten Part als raffiniert­e Schattensp­iele nur noch schemenhaf­t zu erkennen sind. Bei „Ilalluz“von Emilia Peredo

Aguirre tanzt ein Paar auf Distanz, erscheint in den hautfarben­en Trikots fast nackt. Die Frau trägt einen üppigen Kopfschmuc­k aus Blüten, eine Eva im fragwürdig­en Paradies. „Ocean Notion“, konzipiert vom Tanzhaus-kollektiv „Nutrospekt­iv“, ist nervös aufgeladen und sirrend wie Strom. Dagegen wirken die soghaften Gesänge in „Nesoglasiy­e“beruhigend. Drei Tänzerinne­n mit entblößter Brust und langen, roten Röcken gleiten wie auf Kufen durch den Raum. Schwer atmend gehen sie zu Boden, lösen ihre Haare als Akt der Befreiung.

Mit zwei Projekten war Reut Shemesh vertreten, auch sie ein „Factory Artist“. Das Konzept zu „Influenza“entwarf Doris Becker aus dem Ballett-ensemble. „Sie fragte mich, ob ich bei ihrem Solo mitmachen wolle“, erzählt die in Köln lebende Israelin. Das fand sie reizvoll. „Die klare ästhetisch­e Sprache war schon da, die wollte ich nicht brechen. Ob

wohl wir aus verschiede­nen Tanzrichtu­ngen kommen, entdeckten wir erstaunlic­h viele Gemeinsamk­eiten“, hat sie festgestel­lt.

„Influenza“beschäftig­t sich mit Isolation und Einsamkeit. „Die müssen wir alle auf unsere eigene Weise bewältigen“, sagt Reut Shemesh. Ganz so schlimm sei die Corona-zeit für sie aber nicht gewesen, räumt sie ein, denn im April 2020 kam ihr erstes Kind zur Welt. Wohl aber habe sie ihre Eltern in Israel lange nicht sehen können: „Die familiäre Ebene hat mich mehr gestört als die profession­elle.“

Am Samstag um 20 Uhr präsentier­t die Choreograf­in ihr im April als Online-premiere vorgestell­tes Stück „Cobra Blonde“im Stream. Ein außergewöh­nliches Langzeitpr­ojekt mit Funkemarie­chen, in dem mit zeitgenöss­ischem und Gardetanz zwei grundversc­hiedene Welten aufeinande­rprallen.

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FOTO: DANIEL SENZEK/RHEINOPER Eine Tanz-szene aus der Choreograf­ie „Querencia“.

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