Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Ein fast vergessenes Relikt
SO WOHNT DÜSSELDORF Der Umbau des alten Hauses in St. Swidbert war gar nicht so einfach. So musste der Beton zum Beispiel per Hand gegossen werden.
KAISERSWERTH Ein historisches Haus zu restaurieren, ist immer ein Abenteuer. Und eine Entdeckungsreise in die Vergangenheit. Wer hätte gedacht, dass sich hinter den verputzten Wänden, Schicht für Schicht abgetragen, alte Fachwerkbalken mit einem Innenleben aus Lehm verbergen? Und dass darunter der Gewölbekeller aus dem Jahr 1739 noch erhalten ist? Heute fördern solche Details die Lebensqualität einer dänischen Familie, die im vergangenen Jahr an St. Swidbert in Kaiserswerth ihr neues Zuhause fand. Ihr Fazit: „Ein Superglück.“
Dieses Haus ist die steingewordene Bescheidenheit – von der Straßenseite: zwei Geschosse, schräges Dach, fünf Sprossenfenster, eine dunkle Holztür, so fügt es sich nahtlos in die Nachbarschaft. Gemeinsam hat dieses Ensemble aus drei Gebäuden die Jahrhunderte überlebt und steht unter Denkmalschutz. Erbaut wurde das Haus im 18. Jahrhundert von einer Weberfamilie – viele kleine Räume, schmale Stiege, Ausdruck eines kargen Lebens. Niemand käme nach diesem äußeren Eindruck darauf, dass sich nun hinter der schlichten weißen Fassade, illuminiert von einer Gaslaterne, ein 200 Quadratmeter Wohntraum auf drei Etagen (plus Gewölbekeller) verbirgt. Und dass der Charme der Vergangenheit mit dem Komfort von heute vereint wurde, einschließlich Fußbodenheizung und moderner Haustechnik.
Entdeckt wurde das Relikt von einst beim Spaziergang durch Kaiserswerth und einem zufälligen Gespräch auf der Straße („Das Haus soll verkauft werden“). Die Liebe auf den ersten Blick beflügelte einen konkreten Plan: Die Projektentwicklungsgesellschaft plan.schmoll kaufte das Haus, Philipp Schmoll (er war der Spaziergänger) entwarf erste Pläne, die dann gemeinsam mit dem Düsseldorfer Architekturbüro RKW, bekannt durch Gebäude in ganz anderen Dimensionen wie dem Arag-tower in Düsseldorf, verwirklicht wurden.
Philipp Schmoll erinnert sich gern an die 18 Monate Bauzeit – „ich habe meine Mittagspausen am Kaiserwerther Markt genossen“–, aber auch an viele Herausforderungen, die es zu meistern galt. Mit Großmaschinen zu arbeiten, war schlicht unmöglich, mit schweren Lastwagen in St. Swidbert zu rangieren und
Material abzuladen ebenfalls. „So musste der Beton per Hand gegossen werden.“Und wenn die Nachbarschaft sich durch den Lärm gestört fühlte, versuchte der Architekt auch schon mal mit Hilfe von Marzipan die Gemüter zu besänftigen.
Als hinter den mehrfach verputzten Wänden das alte Fachwerk mit seiner Eichen-lehm-konstruktion freigelegt war, wurde damit auch der nächste Stolperstein sichtbar: „Der Lehm war so morsch, dass man mit den Fingern durchstechen konnte“, erinnert sich Philipp Schmoll. Also wurde ein Spezialist aus dem Bergischen Land aktiviert, der behutsam die alte Handwerkskunst wiederbelebte, marode Balken wurden ersetzt, die Lehmschichten erneuert. Die Vorteile sind spürbar, „das Haus kann atmen“, so Schmoll. Außerdem nimmt Lehm Feuchtigkeit auf – „das sorgt für ein sehr gutes Raumklima“, bestätigen die Bewohner. Überhaupt wurden möglichst natürliche Materialen verwendet wie Kalkputz statt Gips.
Die winzigen Zimmer im Erdgeschoss verwandelten sich in einen großen Wohnraum, ergänzt durch einen Anbau. Dadurch wurde Platz geschaffen für einen Innenhof, dessen Ziegelwände ein Wandrelief aus dem 18. Jahrhundert schmückt – ein geschützter, intimer Platz. Und gleichzeitig Pendant zum Garten, in dem gerade die Apfelbäume blühen und Wein die Mauern umrankt. „Durch Garten und Innenhof haben wir immer sowohl Sonnen- als auch Schattenplätze“, sagt Anette Haugaard, die das alte Weberhaus mit ihrem Mann Michael Nielsen und ihrer jüngsten Tochter bewohnt – die älteste studiert in Kopenhagen. Anette Haugaard ist Managerin bei Ikea, allerdings wird man in ihrem Haus Ikea-möbel vergeblich suchen. Statt Billy-regale lieber feine dänische Design-klassiker, die Stühle sind von Hans Wegner, das rostrote Ledersofa von Borge Mogensen, die Sideboards von Ole Wanscher – ein Zuhause ist ja schließlich kein Showroom.
Die Familie hat sich in Kaiserswerth schnell eingelebt, genießt den alten Ortskern mit seinem Kopfsteinpflaster und die Rheinnähe. Und sie war überrascht vom „herzlichen Wellcome“der Nachbarn, die nach altem Brauch mit Brot und Salz vor der Tür standen. Verliebt hatten sich die Drei in das Weberhaus bereits, als sie nur ein Foto gesehen hatten – „wir wollten so gern in einem alten Haus leben“. Diese Vorliebe unterstreicht die Zeichnung auf einer Kommode. Die zeigt ihr Haus in der Nähe von Kopenhagen – ein Schmuckstück am Wasser. Und eine Verheißung, irgendwann wieder dorthin zurückzukehren.