Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Fehler im System
ANALYSE Deutschlands große Sportverbände DFB und Deutscher Olympischer Sportbund stecken in einer tiefgehenden Führungskrise. Doch ein Austauschen von Personen allein hilft nichts. Die Struktur ist fehlerhaft.
DÜSSELDORF Bisweilen ist die Provokation das beste Mittel, um etwas auf den Punkt zu bringen. So schrieb der Kabarettist HG. Butzko unlängst im „Kicker“: „Um Macht auszuüben, kann man zum Beispiel in die Wirtschaft gehen oder in die Politik. In der Wirtschaft braucht man dafür Sachverstand, in der Politik Überzeugungskraft, und wem es an beidem fehlt, wird Fußballfunktionär.“Wie viel Wahrheit in dieser These steckt, darüber lässt sich streiten, aber dass Fritz Keller und Alfons Hörmann ganz offensichtlich etwas fehlt, davon konnte die Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen ausgiebig Notiz nehmen. Keller stand nach einem Nazi-vergleich in der Kritik und ohne das Vertrauen der Landesverbände da, am Dienstag kündigte er seinen Rücktritt an. Dosb-präsident Hörmann sieht sich mit einem anonymen Brief von
Verbandsmitarbeitern konfrontiert, die seinen Führungsstil als „Kultur der Angst“skizzieren.
Die Kritik an Hörmann ist nicht neu. Schon rund um die DOSB-MITgliederversammlung Ende 2018 in Düsseldorf standen der CSU-POLItiker und sein Führungsstil im Fokus. Hörmann gilt vielen als einer, der eine transparente Kontroverse scheut und bei kritischen Geistern den Eindruck weckt: Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Keller übernahm den DFB 2019 als Quereinsteiger, als williger Reformer. Unvorbelastet, ohne Dfb-geschichte. Ein Winzer mit hehren Zielen. Und doch schon nach zwei Jahren scheitert er. Als zahnloser Tiger abgestempelt, ohne Durchsetzungskraft, dafür ab und an, so heißt es, mit cholerischen Elementen in der Debatte.
Es könnte also sein, dass DFB und DOSB schon bald neue Gesichter an der Spitze sehen. Aber hilft das? Oder sind die Nachfolger von Morgen nicht die Gescheiterten von übermorgen? Denn neben der Unfähigkeit des Einzelnen ist die Verbandsstruktur im Sport das große Problem. „Meine Erfahrung war die, dass wir an vielen Stellen im deutschen Sport ein Struktur- und Kompetenzproblem haben“, schrieb Thomas Krohne im April 2019 in einem Gastbeitrag für unsere Redaktion. Da blickte er auf sechs Jahre als Verbandspräsident im Volleyball zurück. Und er skizzierte ein Bild, das auch zwei Jahre später noch in den Augen vieler Ursache vielen Übels ist. Die föderale Struktur der Landesverbände. Sie vertritt in positiver Sicht die Basis, sie verlangsamt in negativer Hinsicht Prozesse, weil jeder Landesfürst qua Amt mitreden möchte. Ehrenamt ist unbestritten die Basis im Sport, aber bei der Organisation des Sports auf höherer Ebene gibt es zu viel Ehrenamt. Zu wenig Hauptamt. Weil es an Geld fehlt. Zu oft werden verdiente
Ex-sportler oder Funktionäre auf einen höheren Posten gesetzt. Als Anerkennung, nicht, weil sie die geeigneten Kandidaten sind.
Wer einen Verband wie den DFB oder den DOSB führen will, muss die Balance finden zwischen Einbindung der Basis und Durchsetzen zukunftsweisender Entscheidungen gegen Bedenken. Er muss Manager und Kümmerer sein. Empathie ist so wichtig wie Fachwissen. Doch die Liste derer, die scheitern, ist lang. Nicht zuletzt scheitern die an der dritten Baustelle: Sie müssen das Spiel derer beherrschen, die schon jahrelang Funktionär sind. Müssen sich eine Hausmacht verschaffen, Bündnisse knüpfen, Gegenspieler isolieren, das Prinzip vom „Geben und Nehmen“verinnerlichen. Verbandsarbeit ist oftmals diplomatischer Dienst.
Solange sich das nicht ändert, so lange professionelle Strukturen nicht dazu führen, den Einfluss von Seilschaften zu reduzieren, so lange werden Verbandspräsidenten straucheln. Egal, ob sie nun als Externe für frischen Wind sorgen sollten oder meinten, das Spiel der Eitelkeiten zu beherrschen. Und so lange werden Präsidenten wie Keller oder Hörmann scheitern. Persönliche Verfehlungen beschleunigen da nur, was durch die Verbandsstrukturen immanent ist.