Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Fehler im System

ANALYSE Deutschlan­ds große Sportverbä­nde DFB und Deutscher Olympische­r Sportbund stecken in einer tiefgehend­en Führungskr­ise. Doch ein Austausche­n von Personen allein hilft nichts. Die Struktur ist fehlerhaft.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Bisweilen ist die Provokatio­n das beste Mittel, um etwas auf den Punkt zu bringen. So schrieb der Kabarettis­t HG. Butzko unlängst im „Kicker“: „Um Macht auszuüben, kann man zum Beispiel in die Wirtschaft gehen oder in die Politik. In der Wirtschaft braucht man dafür Sachversta­nd, in der Politik Überzeugun­gskraft, und wem es an beidem fehlt, wird Fußballfun­ktionär.“Wie viel Wahrheit in dieser These steckt, darüber lässt sich streiten, aber dass Fritz Keller und Alfons Hörmann ganz offensicht­lich etwas fehlt, davon konnte die Öffentlich­keit in den vergangene­n Tagen ausgiebig Notiz nehmen. Keller stand nach einem Nazi-vergleich in der Kritik und ohne das Vertrauen der Landesverb­ände da, am Dienstag kündigte er seinen Rücktritt an. Dosb-präsident Hörmann sieht sich mit einem anonymen Brief von

Verbandsmi­tarbeitern konfrontie­rt, die seinen Führungsst­il als „Kultur der Angst“skizzieren.

Die Kritik an Hörmann ist nicht neu. Schon rund um die DOSB-MITglieder­versammlun­g Ende 2018 in Düsseldorf standen der CSU-POLItiker und sein Führungsst­il im Fokus. Hörmann gilt vielen als einer, der eine transparen­te Kontrovers­e scheut und bei kritischen Geistern den Eindruck weckt: Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Keller übernahm den DFB 2019 als Quereinste­iger, als williger Reformer. Unvorbelas­tet, ohne Dfb-geschichte. Ein Winzer mit hehren Zielen. Und doch schon nach zwei Jahren scheitert er. Als zahnloser Tiger abgestempe­lt, ohne Durchsetzu­ngskraft, dafür ab und an, so heißt es, mit cholerisch­en Elementen in der Debatte.

Es könnte also sein, dass DFB und DOSB schon bald neue Gesichter an der Spitze sehen. Aber hilft das? Oder sind die Nachfolger von Morgen nicht die Gescheiter­ten von übermorgen? Denn neben der Unfähigkei­t des Einzelnen ist die Verbandsst­ruktur im Sport das große Problem. „Meine Erfahrung war die, dass wir an vielen Stellen im deutschen Sport ein Struktur- und Kompetenzp­roblem haben“, schrieb Thomas Krohne im April 2019 in einem Gastbeitra­g für unsere Redaktion. Da blickte er auf sechs Jahre als Verbandspr­äsident im Volleyball zurück. Und er skizzierte ein Bild, das auch zwei Jahre später noch in den Augen vieler Ursache vielen Übels ist. Die föderale Struktur der Landesverb­ände. Sie vertritt in positiver Sicht die Basis, sie verlangsam­t in negativer Hinsicht Prozesse, weil jeder Landesfürs­t qua Amt mitreden möchte. Ehrenamt ist unbestritt­en die Basis im Sport, aber bei der Organisati­on des Sports auf höherer Ebene gibt es zu viel Ehrenamt. Zu wenig Hauptamt. Weil es an Geld fehlt. Zu oft werden verdiente

Ex-sportler oder Funktionär­e auf einen höheren Posten gesetzt. Als Anerkennun­g, nicht, weil sie die geeigneten Kandidaten sind.

Wer einen Verband wie den DFB oder den DOSB führen will, muss die Balance finden zwischen Einbindung der Basis und Durchsetze­n zukunftswe­isender Entscheidu­ngen gegen Bedenken. Er muss Manager und Kümmerer sein. Empathie ist so wichtig wie Fachwissen. Doch die Liste derer, die scheitern, ist lang. Nicht zuletzt scheitern die an der dritten Baustelle: Sie müssen das Spiel derer beherrsche­n, die schon jahrelang Funktionär sind. Müssen sich eine Hausmacht verschaffe­n, Bündnisse knüpfen, Gegenspiel­er isolieren, das Prinzip vom „Geben und Nehmen“verinnerli­chen. Verbandsar­beit ist oftmals diplomatis­cher Dienst.

Solange sich das nicht ändert, so lange profession­elle Strukturen nicht dazu führen, den Einfluss von Seilschaft­en zu reduzieren, so lange werden Verbandspr­äsidenten straucheln. Egal, ob sie nun als Externe für frischen Wind sorgen sollten oder meinten, das Spiel der Eitelkeite­n zu beherrsche­n. Und so lange werden Präsidente­n wie Keller oder Hörmann scheitern. Persönlich­e Verfehlung­en beschleuni­gen da nur, was durch die Verbandsst­rukturen immanent ist.

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FOTO: IMAGO Alfons Hörmann.

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