Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Jüdische Gemeinden fordern mehr Schutz

Die antisemiti­schen Demonstrat­ionen in NRW verbreiten Angst. In mehreren Städten werden Israel-flaggen gestohlen oder verbrannt.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, MAXIMILIAN PLÜCK UND SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Nach mehreren antisemiti­schen Protestzüg­en in Nordrhein-westfalen haben sich Juden schockiert gezeigt. Oded Horowitz, Vorstandsv­orsitzende­r des Landesverb­ands des Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, sagte unserer Redaktion: „Wir sind entsetzt über die Geschehnis­se der letzten Tage, auch wenn sie nicht wirklich überrasche­n. Unsere Gemeindemi­tglieder sind verängstig­t und befürchten weitere Attacken.“Die Geschehnis­se zeigten deutlich, so Horowitz weiter, dass die Sicherheit jüdischer Einrichtun­gen nicht flächendec­kend ausreichen­d sei. „Wir erwarten von der Politik, dass die Verspreche­n, die nach Halle folgten, endlich in Taten umgesetzt werden.“

Ähnlich äußerte sich Ran Ronen, Vorstandsm­itglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sowie Dezernent für Sicherheit im Präsidium des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d: „Die Sicherheit­slage jüdischer Einrichtun­gen ist besorgnise­rregend. Wenn Israel-proteste benutzt werden, um ,Scheißjude' zu rufen, Fahnen anzuzünden, Gedenkstei­ne an die Shoa in Brand zu setzen oder Steine auf Synagogen zu werfen und blanken Antisemiti­smus vor unseren Synagogen zu zeigen, dann ist die Situation sogar noch bedenklich­er, als wir alle annehmen.“Man müsse einsehen, dass jüdische Einrichtun­gen in Deutschlan­d und gerade in NRW stärker geschützt werden müssten, sagte auch Ronen. „Diese Antisemite­n müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden – ansonsten werden die Jüdinnen und Juden in diesem Land ihr Vertrauen in unsere Politik verlieren.“

Eine Polizeiket­te hatte am Mittwochab­end einen antisemiti­schen Demonstrat­ionszug an der Gelsenkirc­hener Synagoge gestoppt. Die Polizei sprach von etwa 180 Menschen, die sich unangemeld­et versammelt hatten. In einem per Twitter verbreitet­en Video des Zentralrat­s der Juden sind Sprechchör­e mit antisemiti­schen Inhalten zu hören. Zu sehen sind Menschen unter anderem mit palästinen­sischer, türkischer und tunesische­r Flagge.

In der Nacht zum Mittwoch waren zudem vor Synagogen in Münster und Bonn israelisch­e Flaggen angezündet worden. In Solingen verbrannte­n Unbekannte in der Nacht zum Donnerstag eine vor dem Rathaus gehisste israelisch­e Flagge, ebenso in Düsseldorf. Dort war zudem ein Feuer auf einer Gedenktafe­l eines ehemaligen Synagogen-standorts gelegt worden. In Dinslaken wurde vermutlich in der Nacht zu Donnerstag die Israel-flagge vor dem Rathaus gestohlen. Die Stadtspitz­e hat Strafanzei­ge gestellt und geht davon aus, dass sich der Staatsschu­tz einschalte­t. In Hagen hängte die Stadt bereits am Mittwoch eine Israel-flagge wieder ab – ausschließ­lich zur „Deeskalati­on“und auf Aufforderu­ng der Polizei, wie die Kommune mitteilte.

Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) verurteilt­e die Taten aufs Schärfste. Er bezeichnet­e es als „erschrecke­nd, nicht akzeptabel, unerträgli­ch, wenn auf deutschem Boden antisemiti­sche Parolen skandiert werden“. Jüdisches Leben in Deutschlan­d müsse eine Selbstvers­tändlichke­it sein. Die Angriffe und die Demonstrat­ionen werden auch Thema im Landtag sein. CDU- und Fdp-fraktion beantragte­n eine Sondersitz­ung des Innenaussc­husses.

Der Polizeiein­satz an der Gelsenkirc­hener Synagoge am Mittwoch stieß indes auf Kritik. Videos zeigen, dass Beamte trotz der Parolen nicht eingriffen. Im Polizeiber­icht wurden die antisemiti­schen Äußerungen zunächst nicht erwähnt. Das wurde später korrigiert.

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