Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Nachhilfe im Online-tandem

Vier Studenten aus Bonn und Berlin haben die digitale Lernhilfe-plattform „Corona-school“entwickelt. Registrier­t sind mehr als 21.000 Schüler und 14.000 Studierend­e. Ab Montag firmiert das Angebot unter einem neuen Namen.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

BONN Wie Kinder im Distanzunt­erricht nicht den Anschluss verlieren, das treibt nach mehr als einem Schuljahr unter Corona-bedingunge­n viele Eltern und Lehrer um. Schon zu Beginn der Pandemie war klar, dass diese Aufgabe schwierig werden würde. Direkt nach den ersten Schulschli­eßungen im vergangene­n Jahr hatten sich daher vier Mathematik- und Informatik-studierend­e der Universitä­ten Bonn und Berlin zusammenge­setzt und überlegt, wie man den Schülern schnell, einfach und kostenlos helfen könne.

Quasi über Nacht hoben sie die Corona-school aus der Taufe – eine digitale Plattform, über die Studenten ehrenamtli­ch Schülern bei den Hausaufgab­en oder generell beim Lernen unterstütz­en. Aus der spontan umgesetzte­n Idee, für die sich schnell ein paar Hundert Mitstreite­r engagierte­n, ist mittlerwei­le ein Großprojek­t geworden – bis heute haben sich mehr als 14.000 Helfer und 21.000 Schüler bei der Corona-school registrier­t. Tendenz steigend.

Für Student Tobias Bork, einem der Initiatore­n des Projekts, ist das rasante Wachstum einerseits „wahnsinnig schön“, anderersei­ts bedeutet es erhebliche­n Aufwand hinter den Kulissen. „In den ersten Wochen haben wir 16 Stunden am Tag an der Plattform gearbeitet“, erzählt der 23-Jährige. Es galt vor allem, technische Lösungen zu schaffen, um möglichst effektiv Schüler und passende Helfer zusammenzu­bringen sowie den Teilnehmer­n eine sichere und zuverlässi­ge Umgebung zu bieten.

Das fordern zum Beispiel Lehrerund Elternverb­ände ein. Benutzt werden deshalb laut Bork nur Videokonfe­renzsystem­e, die in Schulen erlaubt sind, und es wird auf deutsche Serverstan­dorte zugegriffe­n. Außerdem wird mit allen Studenten, die sich als Helfer registrier­en lassen wollen, ein persönlich­es Gespräch geführt. Um das zu gewährleis­ten, engagieren sich 50 bis 60 Helfer hinter den Kulissen. „Diese Kennenlern­gespräche sind für uns und für eine sichere Lernumgebu­ng enorm wichtig“, sagt Bork.

Natürlich kann es mal sein, dass es zwischen Schüler und Student menschlich nicht passt, aber dann wird neu vermittelt. Entscheide­nd ist laut Bork, dass die Zahl der Helfer und Schüler etwa ausgeglich­en ist, sich also zu jedem Bedarf die entspreche­nde Nachhilfe vermitteln lässt. Nachgefrag­t werden besonders die Kernfächer, vor allem Mathematik, danach folgen Deutsch und Englisch.

Insgesamt bietet die Corona-school in 15 Fächern Unterstütz­ung an. Und zwar bundesweit, wobei die meisten Paare in Nordrhein-westfalen vermittelt werden, danach folgen Bayern und Baden-württember­g.

Bork: „Generell versuchen wir, Schüler und Studierend­e innerhalb eines Bundesland­es zu vernetzen. Priorität hat aber die Frage, welche Hilfe sie benötigen.“

Um die Qualität der Nachhilfe zu messen, verschickt das Leitungs

„Eine Bildungsun­gleichheit gab es schon vor Corona, die aber verstärkt wurde“Tobias Bork Mitbegründ­er der „Corona-school“

team regelmäßig Feedback-bögen an die Lernpaare. Dabei wird auch abgefragt, wie oft und lange gelernt wird. Die meisten arbeiten ein- bis zweimal die Woche für 60 bis 90 Minuten zusammen, das hängt laut Bork aber sehr vom Lernpaar ab, Vorgaben werden nicht gemacht. Pro Woche werden rund 200 neue Paare vermittelt, sie lernen im Schnitt etwa drei Monate zusammen.

Derzeit geht Bork von etwa 10.000 aktiven Schüler-studenten-verbindung­en aus. Der Fokus liegt dabei auf Kindern, die eingeschrä­nkte Möglichkei­ten haben, anderweiti­g Hilfe zu bekommen. „Das können persönlich­e, gesundheit­liche, soziale oder finanziell­e Gründe sein“, sagt Bork. „Wir haben mittlerwei­le viele Partnersch­ulen, die uns Kinder aus dieser Zielgruppe vermitteln.“

Noch laufen die meisten Anmeldunge­n über die Internetse­ite, künftig soll der Weg aber überwiegen­d über die Partnersch­ulen führen. Was die Zahl der Teilnehmer angeht, seien nach oben keine Grenzen gesetzt, das System sei technisch beliebig skalierbar, sagt Bork. „Natürlich hängt unsere Effizienz aber von der Zahl der Helfer ab.“Auch die Finanzieru­ng muss gesichert sein, trotz des ehrenamtli­chen Engagement­s ist die Corona-school auf Spenden angewiesen. Immerhin gibt es schon hochkaräti­ge Unterstütz­er wie unter anderem das Bildungsmi­nisterium von Rheinland-pfalz, die Santander-universitä­ten, die Hertie-stiftung und die Dieter-von-holtzbrinc­k-stiftung.

Bork hofft auf weitere Hilfen, denn das Projekt soll nach dem Wunsch der Initiatore­n über die Pandemie hinaus existieren. „Eine Bildungsun­gleichheit gab es in Deutschlan­d schon vor Corona, die aber dadurch nur weiter verstärkt wurde“, erklärt der Student. Dafür wurden neben der Lernunters­tützung auch andere Angebote geschaffen wie Kurse, Workshops und Projektcoa­ching.

Und ein neuer Name, damit klar wird, dass es auch eine Zeit nach Corona geben wird. Ab Montag wird die Corona-school in Lern-fair umbenannt (www.lern-fair.de). Damit wird schon die Nach-corona-phase eingeläute­t.

 ?? FOTOS (2): CORONA-SCHOOL ?? Eine Schülerin wird beim Lernen digital durch eine Studentin der Corona-school unterstütz­t.
FOTOS (2): CORONA-SCHOOL Eine Schülerin wird beim Lernen digital durch eine Studentin der Corona-school unterstütz­t.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany