Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Nachhilfe im Online-tandem
Vier Studenten aus Bonn und Berlin haben die digitale Lernhilfe-plattform „Corona-school“entwickelt. Registriert sind mehr als 21.000 Schüler und 14.000 Studierende. Ab Montag firmiert das Angebot unter einem neuen Namen.
BONN Wie Kinder im Distanzunterricht nicht den Anschluss verlieren, das treibt nach mehr als einem Schuljahr unter Corona-bedingungen viele Eltern und Lehrer um. Schon zu Beginn der Pandemie war klar, dass diese Aufgabe schwierig werden würde. Direkt nach den ersten Schulschließungen im vergangenen Jahr hatten sich daher vier Mathematik- und Informatik-studierende der Universitäten Bonn und Berlin zusammengesetzt und überlegt, wie man den Schülern schnell, einfach und kostenlos helfen könne.
Quasi über Nacht hoben sie die Corona-school aus der Taufe – eine digitale Plattform, über die Studenten ehrenamtlich Schülern bei den Hausaufgaben oder generell beim Lernen unterstützen. Aus der spontan umgesetzten Idee, für die sich schnell ein paar Hundert Mitstreiter engagierten, ist mittlerweile ein Großprojekt geworden – bis heute haben sich mehr als 14.000 Helfer und 21.000 Schüler bei der Corona-school registriert. Tendenz steigend.
Für Student Tobias Bork, einem der Initiatoren des Projekts, ist das rasante Wachstum einerseits „wahnsinnig schön“, andererseits bedeutet es erheblichen Aufwand hinter den Kulissen. „In den ersten Wochen haben wir 16 Stunden am Tag an der Plattform gearbeitet“, erzählt der 23-Jährige. Es galt vor allem, technische Lösungen zu schaffen, um möglichst effektiv Schüler und passende Helfer zusammenzubringen sowie den Teilnehmern eine sichere und zuverlässige Umgebung zu bieten.
Das fordern zum Beispiel Lehrerund Elternverbände ein. Benutzt werden deshalb laut Bork nur Videokonferenzsysteme, die in Schulen erlaubt sind, und es wird auf deutsche Serverstandorte zugegriffen. Außerdem wird mit allen Studenten, die sich als Helfer registrieren lassen wollen, ein persönliches Gespräch geführt. Um das zu gewährleisten, engagieren sich 50 bis 60 Helfer hinter den Kulissen. „Diese Kennenlerngespräche sind für uns und für eine sichere Lernumgebung enorm wichtig“, sagt Bork.
Natürlich kann es mal sein, dass es zwischen Schüler und Student menschlich nicht passt, aber dann wird neu vermittelt. Entscheidend ist laut Bork, dass die Zahl der Helfer und Schüler etwa ausgeglichen ist, sich also zu jedem Bedarf die entsprechende Nachhilfe vermitteln lässt. Nachgefragt werden besonders die Kernfächer, vor allem Mathematik, danach folgen Deutsch und Englisch.
Insgesamt bietet die Corona-school in 15 Fächern Unterstützung an. Und zwar bundesweit, wobei die meisten Paare in Nordrhein-westfalen vermittelt werden, danach folgen Bayern und Baden-württemberg.
Bork: „Generell versuchen wir, Schüler und Studierende innerhalb eines Bundeslandes zu vernetzen. Priorität hat aber die Frage, welche Hilfe sie benötigen.“
Um die Qualität der Nachhilfe zu messen, verschickt das Leitungs
„Eine Bildungsungleichheit gab es schon vor Corona, die aber verstärkt wurde“Tobias Bork Mitbegründer der „Corona-school“
team regelmäßig Feedback-bögen an die Lernpaare. Dabei wird auch abgefragt, wie oft und lange gelernt wird. Die meisten arbeiten ein- bis zweimal die Woche für 60 bis 90 Minuten zusammen, das hängt laut Bork aber sehr vom Lernpaar ab, Vorgaben werden nicht gemacht. Pro Woche werden rund 200 neue Paare vermittelt, sie lernen im Schnitt etwa drei Monate zusammen.
Derzeit geht Bork von etwa 10.000 aktiven Schüler-studenten-verbindungen aus. Der Fokus liegt dabei auf Kindern, die eingeschränkte Möglichkeiten haben, anderweitig Hilfe zu bekommen. „Das können persönliche, gesundheitliche, soziale oder finanzielle Gründe sein“, sagt Bork. „Wir haben mittlerweile viele Partnerschulen, die uns Kinder aus dieser Zielgruppe vermitteln.“
Noch laufen die meisten Anmeldungen über die Internetseite, künftig soll der Weg aber überwiegend über die Partnerschulen führen. Was die Zahl der Teilnehmer angeht, seien nach oben keine Grenzen gesetzt, das System sei technisch beliebig skalierbar, sagt Bork. „Natürlich hängt unsere Effizienz aber von der Zahl der Helfer ab.“Auch die Finanzierung muss gesichert sein, trotz des ehrenamtlichen Engagements ist die Corona-school auf Spenden angewiesen. Immerhin gibt es schon hochkarätige Unterstützer wie unter anderem das Bildungsministerium von Rheinland-pfalz, die Santander-universitäten, die Hertie-stiftung und die Dieter-von-holtzbrinck-stiftung.
Bork hofft auf weitere Hilfen, denn das Projekt soll nach dem Wunsch der Initiatoren über die Pandemie hinaus existieren. „Eine Bildungsungleichheit gab es in Deutschland schon vor Corona, die aber dadurch nur weiter verstärkt wurde“, erklärt der Student. Dafür wurden neben der Lernunterstützung auch andere Angebote geschaffen wie Kurse, Workshops und Projektcoaching.
Und ein neuer Name, damit klar wird, dass es auch eine Zeit nach Corona geben wird. Ab Montag wird die Corona-school in Lern-fair umbenannt (www.lern-fair.de). Damit wird schon die Nach-corona-phase eingeläutet.