Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Digitale Formate werden bleiben“

Die Nrw-wissenscha­ftsministe­rin über die Auswirkung­en der Pandemie auf die Hochschule­n.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Viele Hochschule­n befürchten durch das Infektions­schutzgese­tz des Bundes, das jetzt in Kraft getreten ist, große Nachteile, weil es den Betrieb der Hochschule­n sehr erschweren könnte. Was ist Ihre Meinung dazu?

PFEIFFER-POENSGEN Ich kann die Sorgen der Hochschule­n sehr gut verstehen. Die Schwäche des Bundesgese­tzes ist, dass die Regelungen für den Schulberei­ch auch auf die Hochschule­n übertragen werden, ohne deren Besonderhe­iten aufzugreif­en. Das macht aber wenig Sinn, weil es beispielsw­eise an Hochschule­n gar keinen Wechselunt­erricht gibt. Wir haben bei den Landesrege­lungen immer darauf geachtet, dass die Hochschule­n flexibel auf die jeweilige Lage reagieren können, um den Studierend­en trotz aller Schwierigk­eiten ein vollwertig­es Semester zu ermögliche­n, etwa indem zusätzlich zur digitalen Lehre auch Ausnahmen für zwingend notwendige Präsenzver­anstaltung­en wie Laborprakt­ika möglich waren.

Und wenn das nicht mehr möglich ist?

PFEIFFER-POENSGEN Das würde große Einschränk­ungen gerade auch in den für die Pandemiebe­wältigung bedeutsame­n Studiengän­gen wie Medizin und Pharmazie bedeuten. Wir haben deshalb den Bund dringend gebeten, klarzustel­len, dass die Hochschule­n im Sinne der Studierend­en auch weiter so verfahren können. Das sehen übrigens nicht nur wir in NRW so, sondern alle 16 Wissen schafts ministerin­nen und Minister der Länder.

Wie sind die Hochschule­n in NRW bislang mit der Lehre in Pandemieze­iten denn zurechtgek­ommen? Und haben sich die Hochschule­n untereinan­der ausgetausc­ht? PFEIFFER-POENSGEN Natürlich hat durch die Pandemie vor allem die Digitalisi­erung der Hochschule­n weiter an Fahrt aufgenomme­n, auch wenn wir hier in Nordrhein-westfalen gute Startbedin­gungen hatten, weil wir schon 2019 die Digitale Hochschule Nordrhein-westfalen ins Leben gerufen haben. Das war quasi Glück im Unglück. Die Digitale Hochschule ist ein Zusammensc­hluss von 42 Hochschule­n im Land mit einer gemeinsame­n Geschäftss­telle und einem Budget von bislang 50Millione­n Euro jährlich. Ziel war und ist es, sich digital besser aufzustell­en und miteinande­r zu vernetzen. Dadurch sind schon vor Corona verschiede­ne Plattforme­n entstanden. Darüber hinaus haben wir zusätzlich­e Mittel zur Verfügung gestellt, um den Hochschule­n für die Beschleuni­gung der Digitalisi­erung je nach Bedarf schnell helfen zu können. Das waren im vergangene­n Jahr 20Millione­n Euro, in diesem Jahr haben wir noch einmal 40Millione­n Euro für die Anschaffun­g von E-book-lizenzen draufgeleg­t.

Und ihre Erfahrunge­n bisher?

PFEIFFER-POENSGEN Aus meiner Sicht haben Hochschule­n und Studierend­e diese riesige Herausford­erung bislang hervorrage­nd gemeistert – auch wenn ich weiß, dass allen der persönlich­e Austausch auf dem Campus sehr fehlt, gerade den Studienanf­ängern. Unser Ziel ist, dass den Studierend­en möglichst keine Nachteile aus dieser schweren Situation entstehen. Darum sind auch zum Ende des Winterseme­sters wieder unzählige Online-prüfungen abgehalten worden, und deshalb haben wir die individual­isierte Regelstudi­enzeit für die Studierend­en verlängert. Das bedeutet ganz praktisch: Wer wegen der Pandemie eine Prüfung nicht ablegen kann oder sie nicht besteht, kann ein Semester länger studieren, ohne dass sich das nachteilig auf seine Regelstudi­enzeit auswirkt. Das ist gerade auch für Bafög-empfänger wichtig

Können denn auch digitale Formate aus Pandemieze­iten übernommen und zwischen den Hochschule­n ausgetausc­ht werden? PFEIFFER-POENSGEN Es wird digitale Formate geben, die bleiben – denken Sie etwa an die großen Vorlesunge­n. Trotzdem wollen wir alle wieder eine Rückkehr zur Präsenzleh­re vor Ort. Ich erinnere noch einmal an die Studienanf­änger, für die ein Start an der Hochschule in digitaler Form schon eine extreme Herausford­erung ist. Entscheide­nd ist, dass die Studierend­en bestmöglic­h studieren können und keine Inhalte verloren gehen.

Hat uns Corona in eine Art digitale Hochschulr­eform geschubst?

PFEIFFER-POENSGEN Das wäre aus meiner Sicht übertriebe­n. Aber es gibt weniger Vorbehalte gegenüber der Digitalisi­erung der Lehre, das ist richtig – bei Lehrenden und Lernenden.

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FOTO: GAMBARINI/DPA Ministerin Isabel Pfeiffer-poensgen im Landtag.

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