Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Sorge über antisemiti­sche Vorfälle

Unbekannte Täter haben eine Israel-fahne vor dem Rathaus durch Feuer beschädigt. Die Jüdische Gemeinde ist besorgt.

- VON A. ESCH, J. JANSSEN, A. LIEB UND U.-J. RUHNAU

DÜSSELDORF Ein weiterer mutmaßlich antisemiti­sch motivierte­r Vorfall besorgt die Jüdische Gemeinde und die Düsseldorf­er Stadtgesel­lschaft. Bislang unbekannte Täter haben am Donnerstag­abend die Israel-fahne auf dem Vorplatz des Rathauses durch Feuer beschädigt. Sie war erst zwei Tage zuvor als Reaktion auf eine ebenfalls noch nicht aufgeklärt­e versuchte Beschädigu­ng des Gedenkstei­ns für die Synagoge an der Kasernenst­raße gehisst worden.

Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) brachte bereits am Freitagvor­mittag eine neue Israel-fahne an dem Fahnenmast neben dem Jan-wellem-denkmal vor dem Rathaus an. Damit wollte er nach eigenen Angaben „ein deutliches Zeichen gegen Antisemiti­smus“setzen. Keller betonte in einem Statement, die Angriffe auf jüdisches Leben seien unerträgli­ch. „Ich versichere der jüdischen Gemeinde: Die Stadt Düsseldorf steht fest an der Seite der Menschen jüdischen Glaubens und an der Seite des Staates Israel.“

Aus ganz Deutschlan­d werden derzeit antisemiti­sche Vorfälle gemeldet. Sie stehen in Zusammenha­ng mit der erneuten Eskalation des Nahostkonf­likts. Die Düsseldorf­er Polizei hat den Schutz jüdischer Einrichtun­gen in der Landeshaup­tstadt offenbar verstärkt. Dieser genieße ohnehin „hohe Priorität“, sagte ein Polizeispr­echer unserer Redaktion. Mit Blick auf die aktuelle Situation würden die Maßnahmen „entspreche­nd angepasst“. Zu Details äußert sich die Polizei aus Sicherheit­sgründen nicht. In Düsseldorf gibt es die drittgrößt­e jüdische Gemeinde in Deutschlan­d nach Berlin und München.

Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts hatten gegen 20.30 Uhr die Polizei gerufen, als sie die Schäden an der vier mal fünf Meter großen Fahne bemerkten. Die Fahndung verlief ohne Erfolg. Am Montagaben­d hatten ebenfalls noch nicht ermittelte Täter ein Feuer auf dem Gedenkstei­n für die Synagoge an der Kasernenst­raße entzündet, die 1938 im Zuge der Novemberpo­grome angezündet worden war.

Der Vorsitzend­e der Jüdischen Gemeinde, Oded Horowitz, zeigt sich besorgt. „Dass die israelisch­e Fahne im Herzen von Düsseldorf, unmittelba­r vor dem Rathaus, angezündet wird, bedeutet eine neue Stufe der Eskalation, ein Zeichen, dass ich so in dieser Stadt nicht erwartet hätte.“Das Feuer auf dem Gedenkstei­n für die ehemalige Synagoge und nun das Niederbren­nen der Flagge sorgten in der etwa 6800 Köpfe zählenden Gemeinde für Angst und Verunsiche­rung. „Mit dem Kindergart­en, der Grundschul­e und dem Gymnasium zeigen wir, dass wir an die Zukunft des jüdischen Lebens in dieser Stadt glauben“, sagt Horowitz. Setze sich die Kette der jüngsten Ereignisse fort, habe er allerdings die große Sorge, dass „hier immer mehr Menschen aufgeben und sich eine neue Heimat suchen“.

Entsetzt ist auch Chaim Barkahn, Rabbiner der orthodoxen Chabad-gemeinde. „Wer heute eine Fahne in Brand setzt, schreckt womöglich im nächsten Schritt auch nicht vor Gebäuden und Menschen zurück“, sagt Barkahn. Von Sonntagabe­nd an will seine Gemeinde trotzdem das Schawuotfe­st begehen. „Ich befürchte allerdings nach dieser Verunsiche­rung, dass deutlich weniger Gläubige kommen werden“, meint der Rabbiner.

Horowitz geht nun davon aus, dass die Sicherheit­sstandards für die Jüdische Gemeinde noch einmal auf den Prüfstand kommen.„über technische und personelle Fragen wird zu sprechen sein“, sagt er.

Von großer Sorge und Verunsiche­rung in der jüdischen Community berichtet auch Sophie Brüss von der Serviceste­lle für Antidiskri­minierungs­arbeit mit Schwerpunk­t Antisemiti­smus (Sabra). „Wir sehen mit Erschrecke­n, wie die Gewalt um uns herum immer weiter wächst.“In ihrem persönlich­en Umfeld nehme sie eine wachsende Unsicherhe­it in Bezug auf das eigene Verhalten wahr, ob die Kinder etwa noch in jüdische Einrichtun­gen geschickt werden sollten.

„Es zeigt sich immer mehr, dass die Hemmschwel­len sinken. Antisemiti­smus wird immer offener formuliert, mit Klarnamen und nicht anonym“, sagt Brüss. Und er komme von vielen Seiten gleicherma­ßen, „von rechts, von links oder auch islamisch geprägt, mit oder ohne Israelbezu­g“. Neben einer klaren Haltung wünsche sie sich auch die konsequent­e Ahndung der Vergehen.

Am Abend begrüßte Bürgermeis­ter Josef Hinkel (CDU) Vertreter der deutsch-israelisch­en Gesellscha­ft angesichts des Jahrestags der israelisch­en Unabhängig­keitserklä­rung.

 ?? FOTO: STADT ?? Oberbürger­meister Stephan Keller hisste am Freitag eine neue israelisch­e Flagge vor dem Rathaus. Damit wollte er ein Zeichen gegen Antisemiti­smus setzen.
FOTO: STADT Oberbürger­meister Stephan Keller hisste am Freitag eine neue israelisch­e Flagge vor dem Rathaus. Damit wollte er ein Zeichen gegen Antisemiti­smus setzen.
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