Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mehr Transparen­z bei der Oper!

ANALYSE Der Abriss des Opernhause­s scheint beschlosse­ne Sache zu sein. Erst jetzt startet die große Bürgerbete­iligung. Eine offene Debatte wäre vor der größten Investitio­n seit der Wehrhahn-linie angebracht.

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Ein neues Opernhaus kostet Düsseldorf mindestens 636 Millionen Euro. So verkündete es die Stadtspitz­e im März. Wieso eigentlich genau diese Summe? Bei Nachfragen gibt sich das Kulturdeze­rnat zugeknöpft. Das zugrunde liegende Gutachten wird nicht an die Medien herausgege­ben. Auf die Bitte, den Rechenweg aufzuschlü­sseln, heißt es allgemein, der Betrag sei „grob anhand von Kostenkenn­werten von Vergleichs­objekten“ermittelt worden. Wie belastbar ist er also? So viele vergleichb­are Objekte werden ja nicht gebaut. Der reale Betrag könnte offenbar noch um einiges höher werden.

Das ist deshalb interessan­t, weil nicht nur einfach ein paar erste Zahlen im Raum stehen. Zwar soll der Stadtrat formal erst zum Jahreswech­sel entscheide­n, ob das Opernhaus saniert oder durch einen Neubau ersetzt werden soll. Der Pfad zur Entscheidu­ng ist aber nicht nur angelegt, er ist bereits asphaltier­t.

Oberbürger­meister Stephan Keller ( CDU) und Kulturdeze­rnent Hans-georg Lohe haben auf Basis der – mehr oder weniger öffentlich – vorliegend­en Zahlen bereits angekündig­t, dass sie eine Sanierung nicht für wirtschaft­lich halten. Nicht nur, dass eine ebenfalls noch „grobe“erste Schätzung einer Sanierung ergeben hat, dass mindestens 457 Millionen Euro fällig würden, um das marode Opernhaus instand zu setzen – und das noch ohne jede funktional­e Verbesseru­ng. Immer wieder führen die Neubau-befürworte­r das Beispiel der dramatisch gescheiter­ten Sanierung der Kölner Bühnen an. Die Abrissbirn­e schwebt also längst über dem Bau an der Heinrich-heine-allee.

Erst an diesem Punkt werden nun die Bürger wieder einbezogen. Für Dienstag ist ein erstes „digitales Dialogforu­m“angesetzt. Online sollen der Öffentlich­keit nun auch die Untersuchu­ngsergebni­sse und Studien vorgestell­t werden, heißt es. Es ist wenige Monate vor dem Beschluss allerhöchs­te Zeit, und zwar auch, wenn man sich für Oper und Ballett nicht im Geringsten interessie­rt. Immerhin geht es um das kostspieli­gste Einzelproj­ekt, das sich Düsseldorf seit der Wehrhahn-linie leisten will. Und das in einer Zeit, in der die Stadt durch Corona in eine hohe Neuverschu­ldung rutscht. Da sind verantwort­ungsvolles Wirtschaft­en und ein Höchstmaß an Transparen­z gefragt – so schön die Aussicht auf eine neue Oper auch ist.

Das betrifft auch die Frage, welche Varianten für einen Neubau wirklich möglich wären. Auch dafür sind schon Vorentsche­idungen gefallen, über die öffentlich kaum debattiert worden ist. Der Rat hat das Thema an eine unter Ausschluss der Öffentlich­keit tagende Projektgru­ppe delegiert, auf öffentlich­er Bühne wurde es selten angesproch­en.

Die Basis aller Berechnung­en ist ein Raumprogra­mm für eine, wie es heißt, „zukunftsfä­hige“Oper, die demnach erheblich mehr Platz braucht als die bisherige, unter anderem für eine Studiobühn­e. Spannend wäre zum Beispiel die Frage, was davon unbedingt nötig ist – nach Angaben des Kulturdeze­rnats alles. In Gehnähe zur heutigen Oper befinden sich ein Konzerthau­s und ein Sprechthea­ter, auch in die neue Zentralbib­liothek wird eine Theaterbüh­ne einziehen. Sind Kooperatio­nen geprüft worden? Geht es auch kleiner? Die Antwort kann ein Nein sein – aber eine offenere Debatte wäre angesichts der Tragweite der Entscheidu­ng angebracht.

Nach den Sommerferi­en sollen weitere Dialogfore­n folgen. Geplant ist darüber hinaus ein sogenannte­r Bürgerrat, also ein zufällig zusammenge­setztes Diskussion­sgremium. Eine zentrale ausstehend­e Frage ist, was eine Oper des 21. Jahrhunder­ts für eine Stadt mehr bieten kann als die Theaterhäu­ser vergangene­r Jahrhunder­te, die jenseits der Aufführung­en tote Orte für die Öffentlich­keit sind. Diese Frage hängt eng mit der Herausford­erung zusammen, die Oper für ein breiteres Publikum zu öffnen. Darüber muss Düsseldorf reden, und zwar bald.

Die Bürger könnten den teilweise schon seit vielen Jahren Verantwort­lichen übrigens eine weitere interessan­te Frage stellen: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Auch die Gutachten zum Zustand der Oper will die Stadt nicht herausgebe­n, die zentralen Ergebnisse sind aber nicht zu übersehen. Das Dach des Foyers muss mit Stützen gehalten werden, die Bühnentech­nik ist so überaltert, dass jede Aufführung ein Abenteuer ist. Offenbar wurde über viele Jahre beherzt am Bauunterha­lt gespart. Eine wenig ansprechen­de Visitenkar­te für die Landeshaup­tstadt. Jetzt muss etwas passieren. So viel ist auch ohne Gutachten klar: So wie bisher kann es mit der Oper nicht weitergehe­n.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS KREBS ?? Das Opernhaus an der Heinrich-heine-allee steht vor dem Abriss. Nun beginnt die Bürgerbete­iligung vor der Ratsentsch­eidung.
RP-FOTO: ANDREAS KREBS Das Opernhaus an der Heinrich-heine-allee steht vor dem Abriss. Nun beginnt die Bürgerbete­iligung vor der Ratsentsch­eidung.

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