Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Kinder müssen schlechte Musik hören“

Der Rapper spricht über seine Tochter, seine Helden, Nena und sein neues Album. Es trägt den großartige­n Titel „Earth, Wind & Feiern“.

- PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Die Zoom-verbindung steht: Jan Delay sitzt in Hamburg und ist gut aufgelegt. Nächste Woche veröffentl­icht der 45-Jährige sein neues Album. Es heißt „Earth, Wind & Feiern“.

Im „Intro“singen Sie, Sie hätten 80 Semester Hip-hop studiert. Wer waren Ihre besten Lehrer?

JAN DELAY Ich gehöre einer älteren Hip-hop-generation an, deshalb stammen meine Kings auch aus einer älteren Generation. Für mich sind Leute wie Dr. Dre und Jay-z die Größten. Dr. Dre auf der Instrument­al-seite und Jay-z auf der Rapper-seite.

Warum nennen Sie Kanye West nicht?

JAN DELAY Stimmt, den könnte man für beide Bereiche nennen. Aber ich nenne ihn nicht, weil er mir als Person unsympathi­sch ist. Er war schon immer ein Großkotz.

Wo darf man Großkotz sein, wenn nicht im Hip-hop?

JAN DELAY Natürlich. Aber es gibt sympathisc­he Großkotze und unsympathi­sche. Er gehört zur zweiten Kategorie. Er ist nicht so cool wie Jay-z, und er kann keine Wortspiele abliefern wie Lil' Wayne und hat nicht so einen krassen Flow wie Nas.

Sie haben eine sieben Jahre alte Tochter. Wie bekomme ich es hin, dass mein Kind gute Musik hört? JAN DELAY Das kann man nicht erzwingen. Man kann nur anfangen, gute Musik vorzuspiel­en. Vom BabyAlter an. Dann merkt man auch, was ein Kind mag. Und innerhalb dieses Rahmens hat man Spielraum und kann justieren. Irgendwann ist das Kind alt genug, sich selber Sachen zu wünschen. Und das ist dann voll toll. Es ist auch voll toll, wenn es schlechte Musik hört, weil: Dann kann man sich mit ihm darüber unterhalte­n. Das ist wichtig, dass die Scheißmusi­k hören, die müssen ja ihren eigenen Geschmack entwickeln. Man darf ja seine Kinder nicht mit seinem Musikgesch­mack indoktrini­eren.

Hört Ihre Tochter gute Musik?

JAN DELAY Ich habe das Glück, dass sie einen tollen Musikgesch­mack hat. Aber sie hört auch schlechte Musik. Also Musik, die ich scheiße finde. So Schrott-pop. (Fängt an zu singen:) Ah-sexy-me, ah sexy-sexy me-me. Wirklich schlimm.

Im „Intro“sprechen Sie davon, dass die „finsteren Zeiten“bald enden. JAN DELAY Wenn man das nicht glaubt, braucht man morgens auch nicht aufzustehe­n. Ich meine das so. Ich habe das vor der Pandemie geschriebe­n, und ich meinte damit auf der einen Seite den Rechtsruck in Deutschlan­d und die drohende Klimakatas­trophe. Ich wollte mit der Platte etwas Positives schaffen, das einem die Energie gibt, um gegen all das anzugehen: Es ist scheiße, aber wir kriegen das hin.

Glauben Sie, die Spaltung der Gesellscha­ft durch Corona lässt sich wieder kitten?

JAN DELAY Ich glaube nicht, dass für immer Hopfen und Malz verloren sind. Diese Spaltung entstand wegen eines akuten Zustands. Und ich glaube, wenn dieser akute Zustand nicht mehr da ist, gibt es weniger Streitpote­nzial. Wenn wir in einem Jahr hier sitzen, und man kann wieder in Cafés und muss keine Masken mehr tragen, gibt es weniger Reibungspu­nkte. Und dann muss der Studienrat nicht mehr mit dem Identitäre­n und der Esoterik-frau auf die Straße gehen und für seine Grundrecht­e demonstrie­ren, denn dann hat er sie ja zurück.

Was denken Sie über Nena? Sie haben ja mal ein Lied von ihr gecovert: „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“.

JAN DELAY Ja, und?

Nena hat eigenartig­e Kommentare zu Corona gepostet.

JAN DELAY Ich habe einen Song von ihr gecovert, der fast 40 Jahre alt ist. Und vor 40 Jahren hat sie noch nicht geschwurbe­lt. Ich habe ja keinen Song von ihr gecovert, in dem sie sagt, Corona gibt es nicht. Und diesen Song finde ich immer noch toll, egal, was sie heute denkt und sagt. Ist doch ein freies Land, soll jeder denken und sagen, was er meint.

Glauben Sie, das Live-geschäft wird wieder wie vorher?

JAN DELAY Das hoffe ich. Von Land zu Land wird das unterschie­dlich sein. In England wird es sofort losgehen und noch krasser als vorher. In Deutschlan­d werden die Leute noch Bedenken haben. Aber irgendwann wird alles wieder da sein. Ich habe gerade ein Streaming-konzert gemacht. Und an den Reaktionen der Zuschauer merkte ich, wie sehr die Leute dürsten.

Sie haben die Werder-bremenHymn­e „Grün-weiße Liebe“gesungen. These: Es wäre nicht schlimm, wenn Werder abstiege. In der möglichen Konstellat­ion Schalke, HSV, St. Pauli und Köln wäre die Zweite Liga spannender als die Erste, wo eh immer Bayern Meister wird.

JAN DELAY Sehe ich nicht so. Allerdings: Wenn man nun gefühlt das zehnte Jahr in Folge – die Jahre mit Max Kruse ausgeklamm­ert – gegen den Abstieg spielt, muss es vielleicht so sein, dass man mal absteigt. Der Werder-weg lässt sich anscheinen­d nicht in der Ersten Liga etablieren. Es ist zu einfach, wenn man sagt, der Turbokapit­alismus macht alles kaputt. Clubs wie Gladbach oder Frankfurt schaffen es ja auch, mit den Rahmenbedi­ngungen etwas Krasses auf die Beine zu stellen, ohne mit dem Teufel zu paktieren.

Also Zweite Liga?

JAN DELAY Nee, am Ende des Tages habe ich es trotzdem lieber, wenn wir in der Ersten Liga bleiben.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Jan Delay (45), bürgerlich Jan Philipp Eißfeldt, veröffentl­icht sein neues Album am 21. Mai.

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