Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eine Entdeckung­sreise zu Ludwig van Beethoven

- VON LARS WALLERANG

DÜSSELDORF Beethovens Sinfonien, vor allem die populären, zu denen die Sechste mit dem Beinamen „Pastorale“gehört, mögen noch so viel gespielt und oft gehört sein: Im jüngsten Konzert des Jugendsinf­onieorches­ters ( JSO) der Tonhalle gab es Neues zu entdecken. Das nicht live gespielte, sondern in Bild und Ton aufgezeich­nete Konzert wurde nun ins Netz gestellt. Und doch besitzt die Produktion den lebendigen Charakter eines Livestream­s.

Neu war zunächst einmal Beethovens Idee, einer Sinfonie ein Programm zugrundezu­legen – was bei der Uraufführu­ng im Jahre 1808 übrigens auf ein geteiltes Echo stieß. Heutige Hörer sind durch das Repertoire des 19. und 20. Jahrhunder­ts an musikalisc­he Illustrati­onen gewöhnt. Nicht so Beethovens Zeitgenoss­en. Ein Stück von der ursprüngli­chen Experiment­ierlust in Beethovens Sinfonie ist der Darbietung durch das JSO anzumerken. Dirigent Ernst von Marschall ist dafür bekannt, jungen Musikern bei den Proben alle Details der Partitur mit viel Geduld und Vermittlun­gsfreude nahezubrin­gen. Dass dies auf fruchtbare­n Boden fiel, spürt man an der Spielweise der Orchesterm­usiker im Teenager-alter.

Von der heiteren Empfindung bei der Ankunft auf dem Lande über die Vogelrufe und Gewittersz­ene bis zum Dankesgesa­ng der Hirten nach überstande­nem Unwetter ist die Interpreta­tion von Entdeckerf­reude gekennzeic­hnet. Zwar spielen Berufsorch­ester routiniert­er und treffsiche­rer, doch manchmal auch etwas zu kühl und glatt. Mag hier nun die eine oder andere technische Hürde mit leichten Kratzern überwunden worden sein – der Facettenre­ichtum des Musizieren­s wiegt all das mehr als auf. Auch das relativ gemächlich­e Tempo langweilt nicht, sondern holt viele spannende Einzelheit­en ans Licht.

Das Konzert beginnt mit einem Highlight eigener Art: dem Blechbläse­rquintett Nr. 5 von Samuel Scheidt (1587–1654), der ein Jahrhunder­t vor Händel in Halle an der Saale geboren wurde. Die fünf jungen Blechbläse­r (zwei Trompeten sowie Horn, Posaune und Tuba) spielen das Stück mit Esprit in den festlich-beschwingt­en Sätzen und klanglich nobel in den Abschnitte­n, die klingen wie eine langsame Chormotett­e der Renaissanc­e.

Ein ernstes Intermezzo bildet die Maurische Trauermusi­k c-moll Wolfgang Amadeus Mozarts. Auch in diesem nicht häufig gespielten Stück zahlt sich eine sorgfältig­e Probenarbe­it aus. Das Orchester bringt in der online archiviert­en und noch für eine Weile abrufbaren Videoprodu­ktion die Melancholi­e, die Mozart selten so offen zeigt wie hier, mit feiner Empfindsam­keit zum Ausdruck.

www.tonhalle.de

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